Review: Warhaus oder ein belgisch-experimentell-nebulöser Abend (03.10.2016, Zürich)

Einige sind auf Wiedervereinigungsparties unterwegs, einige wenige andere finden sich im Bogen F in Zürich ein. Dort ist es an diesem Abend sehr belgisch, experimentell und ziemlich neblig. Zu Gast sind Echo Beatty und Warhaus aus Belgien. Zwei Trios mit einem Hang zur düsteren Seite, der Lust auch ungewöhnliche Musikinstrumente einzubauen und einem ordentlich psychodelischen Touch. Zwei Bands, die mich nicht nur begeistert, sondern auch ein bisschen örtlich versetzt haben. Auf einmal war im Bogen F ein Hauch Zytanien Open Air. Die Norddeutschen unter uns wissen, was ich meine.

Den Anfang machen Echo Beatty, ein Trio aus Antwerpen. Zentraler Punkt ist die Stimme der Sängerin Annelies Van Dinter, die angenehm und beeindruckend ist. Um diese außergewöhnliche Stimme bauen sich die Klangwelten mal harmonisch, sanft umschmeichelnd, mal disharmonisch, grell und dominant beißend auf, nur um dann wieder urplötzlich umzuschwingen und den Zuschauern mit auf eine psychodelische Reise zu nehmen. Oder wie es die Band selbst auf ihrer Homepage ausdrückt: „Echo Beatty is a pop noir band from Belgium, influenced by psychedelic folk and dark blues. They take you on a road trip from misty mountains to wide prairies and back with unearthly genuine songs that serves you goose bombs. Haunting at times, this is avantgarde, experimental pop deluxe.” Für meinen Geschmack sind die psychodelische Reise und die Klangwelten zwischenzeitlich etwas zu extrem und disharmonisch. Auch die Bühnenpräsenz ist etwas fade und kann verbessert werden. Aber trotz allem liefern die drei Musiker eine runde Vorstellung ab.

Warhaus (Foto: Key Giang)
Warhaus (Foto: Key Giang)

Exzentrisch geht es weiter mit Warhaus, dem Soloprojekt von Maarten Devoldere, bekannt als Leadsänger der belgischen Indie Band Balthazar. Das Trio spielt den ersten Song fast fertig und verabschiedet sich mit den Worten „We need 5 minutes“. Und die brauchen sie wirklich. Als die 3 Jungs wieder zu ihren Instrumenten greifen, ist die Qualität deutlich besser, auf einmal ist das fehlende Quäntchen da und weiter geht die musikalische Reise. Es ist eine Reise in die 70er, mit psychodelischen Anklängen, musikalischen Höhenflügen und wilden Klanggebilden, die sich aus dem Gebrauch der unterschiedlichsten Instrumente aufbauen. Dazu kommt eine düstere Schwere, Verruchtheit, dunkle Sinnlichkeit und eine gehörige Portion Sexappeal. All das hauptsächlich hervorgerufen durch die charismatische Stimme von Maarten Devoldere, die sich schmeichelnd einfügt, mal eher sprechend, mal eher singend, mal hauchend und mal mehr und mal weniger dominant ist. Warhaus machen außergewöhnliche, verruchte und ungemein sexy Songs. Es prickelt, es macht Gänsehaut, es hinterlässt ein Gefühl einer kurzen schmutzigen Affäre und zieht das Publikum komplett in seinen Bann. All das wird durch jede Menge Nebel unterstrichen und lässt die 3 Musiker irgendwo im farbigen Nichts verschwinden. Aber es passt zu der Musik und zu dem Abend.

Warhaus (Foto: Key Giang)
Warhaus (Foto: Key Giang)
Warhaus (Foto: Key Giang)
Warhaus (Foto: Key Giang)

Für mich ist ein absolutes Highlight des Abends der Song „Memory“. Nicht nur der Song an sich besticht durch seinen verruchten, sinnlich-sexy Charme. Diesen Song interpretiert Maarten Devoldere Solo nur mit seiner Stimmte und seinem Bass. Es ist vollkommen still im Bogen F, alle hören gebannt zu und lassen sich mitnehmen auf eine sinnlich-dunkle Reise. Ein Moment mit Gänsehautfaktor. Wie so oft während dieses Abends.

Entfernt erinnert die Musik von Warhaus an eine Mischung aus Nick Cave und Philipp Boa mit einer Prise Pulp Ficiton Soundtrack. Und doch erschaffen die Musiker ein eigenständiges Musikprojekt, das mich vollkommen in seinen Bann zieht. Und wenn ich in die Gesichter des Publikums schaue, geht es nicht nur mir so. Bisher hat das Trio das Album „We Fucked A Blame Into Being“ veröffentlicht. Eine sehr unterschiedliche Reise durch 10 Songs. Aber wie die Band ankündigt, wird das nicht das letzte Projekt gewesen sein.

Im November tourt das Trio weiter durch Europa. Wer die Gelegenheit hat, sollte sich Warhaus live nicht entgehen lassen.

Herzlichen Dank an Key Giang. Er halt uns mit diesen tollen Fotos aus.

Warhaus (Foto: Key Giang)
Warhaus (Foto: Key Giang)

Setlist:

  1. Well Well
  2. Good Lie
  3. Baby
  4. Beaches
  5. Against The Rich
  6. Control
  7. Memory
  8. Machinery
  9. Here I Stand
    Encore
  10. I am not him

Links:
www.warhausmusic.com
www.echobeatty.com

Judith Sander
Judith Sanderhttps://www.be-subjective.de
Es gibt Sucht-Charaktere, die entsagen und es gibt andere, die setzen sich ins Epizentrum ihres Verlangens. Nein, Judith ist keine Schweizer Taschenmesserwerferin, sie ist bekennend schokoladensüchtig und metzelt ohne zu zucken für ‘ne Toblerone oder Eiscreme oder Tobleroneeiscreme oder.. na jedenfalls: Die Frau ist echt Zucker, echt hart drauf, hat ein feines Näschen, legt sich für die richtigen Dinge ins Zeug, in die Kurve und nascht am allerliebsten an kleinen, unbekannten Bands in ruhiger Atmosphäre. Wer die olle Genießerin dennoch ans Messer liefern will, sperrt sie – in einen rosa Rüschen-Alptraum gehüllt – mit stinkenden Dränglern ins Musikantenstadl und nimmt ihr das letzte Milkyway weg.

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