Review: Purpurne Nacht mit Baroness + Closet Disco Queen (01.04.2016, Hannover)

Wie oft kommt es vor, dass der Support als zu kurz empfunden wird, obwohl das Publikum auf den Mainact brennt. Wie oft ist das Vorspiel so gut, dass man Angst hat, dass es darauf nur zu Versagen und Stimmungseinbruch kommen kann. Na, man braucht nicht viele Finger für diese Erhebung und in der Regel regt sich beim Publikum für den Support der heiß ersehnten Lieblingsband auch nur das zentrale Meinungsfingerchen. Nicht heute.

Closet Disco Queen (Foto: Isabelle Hannemann)
Closet Disco Queen (Foto: Isabelle Hannemann)

Closet Disco Queen beschreibt im 70er Jahre Slang jemanden, der es fürchtet, auszugehen und in Clubs zu tanzen und daher zuhause bleibt und zur 8-Spur Kassette tanzt. Auch wenn ein solcher Name eine kleine Sozialphobie suggeriert, kann man dem krautig-proggigem Psychedelic-Post-Blues-Punk-Schlagzeug-und-Gitarre-Duo mit dem 70s Slang Namen aus dem Hause Nois-O-Lution/Hummus Records mehr Wums attestieren als so manchem Metalcoreversuch.

#vodkawarriors

So manch irrer Typ könnte bemängeln, dass ihm „bei Zweier-Kombos immer ein organisches Instrument fehlt“, aber was untenrum vielleicht vermisst wird, haben die #vodkawarriors Jona Nido und Luc Hess mit unverschämter Leichtigkeit, Dynamik und Witz wett gemacht.

Closet Disco Queen begießen Blues und Punk mit Elementen von Post- und Prog-Rock, sind wie ’ne Jam unter Freunden, abwechslungsreich, instrumental und so spontan, dass Crewmitglied Chrostophe „mal eben“ (Zwinkert-Emoticon) für die zweite 2te Gitarre engagiert wird. Closet Disco Queen sind genau die 8-Spurkasette, die man vor einen Abend mit Baroness einlegen sollte.

Galerie Closet Disco Queen

Setlist:

  1. What’s your 20?
  2. Caposhi
  3. Catch You On The Flip Side
  4. New song (untitled yet)
  5. Black Sorbet*
  6. The Shag Wag
  7. Black Saber

*Black Sorbet ist übrigens im kommenden Monat als EP erhältlich.

Purple

Baroness Repertoire ist voller Songs, die keinem Schema-F folgen. #yourbaroness, das sind heute John Baizley, Pete Adams, Sebastian Thomson und Nick Jost, die Dich zu Beginn eines Songs mit einer Stimmung, einem Riff um den Finger wickeln, der auf etwas ganz anderes hinausläuft. Baroness sind das erwartbar Unerwartete. Harmonischer Gesang meets vielfältigste Musikeinflüsse, die weit über Rock, Indie und Metal hinausreichen. Baroness sind ein Konzept. Jedes Album ist mehr als musikalische Farblehre, Baroness‚ Alben sind von Red bis Purple ein ewiger Grund live erlebt zu werden.

Baroness (Foto: Isabelle Hannemann)
Baroness (Foto: Isabelle Hannemann)

Baroness haben sich längst über dem Abgrund erhoben, sind – wie das von Sebastian Thomson entworfene Artwork – voller Details und Geschichten, uneindeutig, hell und dunkel. Ein Großes Grinsen, dass die Band an diesem Frühlingsabend mit jeder Faser ausstrahlt.

Baroness (Foto: Isabelle Hannemann)
Baroness (Foto: Isabelle Hannemann)

Vielleicht waren Band und Crew etwas irritiert, dass Hanover eher invertiert ausflippt, dass – danke dafür! – keiner pogen oder rumrempeln wollte. Da war, hört man’s munkeln, was das Bewegungsspektrum jeder/s Einzelnen angeht, sicherlich noch viel Luft nach oben, doch das machte die 60er Jahre Halle – temporär und lokal gedacht – von vorn bis hinten mitsingend und strahlend sicherlich wett.

Für Baroness sind die Fans – von Papenburg  bis Buxtehude angereist – und es hat sich gelohnt! Ein Konzert, das es sicherlich in die Topliste des Jahres 2016 schafft, das Band und Fans glücklich macht, eine perfekte Nacht, die durchgetanzt sein will und deren einziger Fehler in ihrer Endlichkeit liegt, denn manchem Gierlappen ist das purpurne Inferno vielleicht zu kurz gewesen, manch andere/r meint, dass es vielleicht nur so so gut sein konnte. Und auf einmal fühlt sich Hannover gar nich mehr an wie die die Stadt, die von den meisten Bands, die man liebt, gemieden wird.“1

When I am done I’ll lay in the sun..

Galerie Baroness

Setlist:

  1. Kerosene (purple)
  2. March (yellow)
  3. Morningstar (purple)
  4. Shock Me (purple)
  5. Board Up (green)
  6. Green Theme (green)
  7. Little Things (yellow)
  8. Cocainium (yellow)
  9. Wake Up / Fugue (purple)
  10. Chlorine & Wine (purple)
  11. Desperation Burns (purple)
  12. Eula (yellow)
  13. Gnashing (blue)

Encore:

  1. Isak (red)
  2. Bones (Yellow)

 

Links:

www.yourbaroness.com
www.hummus-records.com
hummusrecords.bandcamp.com

1 Reißt Euch zusammen Leute! Wenn das so weitergeht wird noch bekannt, dass Hannover richtig abgeht!

Isabelle Hannemann
Isabelle Hannemannhttp://www.isabellehannemann.net
Die missratene Hypotaktikerin wird als Redakteurin Schrägstrich Fotografin bei be subjective! geduldet, hat versucht sich als freie Autorin und Herausgeberin verschiedener Artikel und Bände im Bereich der kritischen Sozialwissenschaft für Suchmaschinen selbst zu optimieren und will – wenn sie groß ist – mal sehen. Künstlerisch als Autorin und Fotografin mit diversen Bands und AutorInnen zusammenarbeitend, Texte zu Papier, Gehör und auf die Bühne bringend. Na dann Prost Mahlzeit!

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