Review: Project Pitchfork – doppelt hält besser (23. + 24.09.2016, Dresden)

Es sollten zwei Feiertage werden, zwei Feiertage für eine Band, die seit über 25 Jahren aus Electro Dark Wave bzw. Electro Synth Rock ihren ganz eigenen Mix kreieren. Zwei Feiertage für die beiden Gründer Peter Spilles und Dirk Scheuber, welche 1989 in Hamburg Demoniac Puppets in das (übersetzt) Projekt Mistgabel umbenannten, um mit Text und dazugehöriger Musik auf demnächst 17 Alben und etlichen anderen Veröffentlichungen die Gedankenwelten der Zuhörerschaft aufzuwühlen bzw. Denkanstöße zu bieten.

Natürlich sollten es auch zwei Feiertage für das Dresdner Publikum in der Reithalle werden, welche sich bei den letzten Auftritten von Project Pitchfork in dieser Lokalität so zahlreich eingefunden hatten, dass die Eine bzw. der Andere sich über erheblichen Platzmangel bei der Band beklagt hatten, so dass diese beschloss für das nächste Mal gleich zwei Termine im Elbflorenz stattfinden zu lassen. Was ihnen hoch anzurechnen war, schließlich ist Dresden in den letzten Monaten nicht gerade durch ungeteilte Gastfreundlichkeit aufgefallen, aber vielleicht auch gerade deshalb noch ein Grund mehr.

Freitag

Extize (Foto: Kristin Hofmann bs!)
Extize (Foto: Kristin Hofmann bs!)

Als Vorprogramm für die „25 Jahre-Jubiläums-Tour“ wurden Reaper und EXT!ZE angekündigt. Den Anfang machte das Aggrotech Hardstyle Industrial Projekt von Cyb3rella & Co. Bei seinem aktuellen Bühnenoutfit und dem Titel des kürzlich erschienen Longplayers „Redneck Industrial“ fällt mir persönlich irgendwie gleich immer wieder Ministry ein. Auch wenn sich die Band aus Heidelberg sehr bemüht, das sich schon zur Hälfte in der Halle befindliche Publikum anzuheizen, ist das Ganze nicht so meins und das Cover-Medley in Reminiszenz zu bekannteren Szene-Größen ist ganz nett, aber ich höre mir dann doch lieber die Originale an.

Nach kurzer Umbaupause bringen Reaper einige wunderschöne dunkel-düstere bzw. dreckig-kantige Electro-Tracks u.a. vom demnächst erscheinenden Album mit dem bezeichnenden Titel „Babylon Killed the Music“ zu Gehöhr und machen damit Laune auf mehr.

Dann ist es auch endlich angerichtet. Vor dem mittlerweile typische Line-Up mit drei (!) Schlagwerken, welche auf einer Art LED-Podest untergebracht sind, kommen die Protagonisten des Abends Scheubi, Spilles & Co. auf die Bühne und auf ging die wilde Fahrt quer durch die pitchforkische Diskographie. Den Auftakt machen sie mit „Blood-Diamond (See Him Running)“ des 2014er Konzeptalbums „Blood“. Gefolgt mit einem schöner Schlenker zu den Anfangstagen, „Conjure“ vom 92er Werk „Lam-’bras“. Nach dem Song entschuldigt sich Peter bei der Zuhörerschaft, dass durch die Arbeit am neuen Album er bei den alten Sachen nicht ganz textsicher ist bzw. grad ein wenig durcheinander kommt, was auf geteiltes Echo stößt. Auf der einen Seite ehrlich, auf der Anderen nicht ganz professionell, weil offensichtlich war, dass beim bandinternen Warm-Up wahrscheinlich ein paar Tropfen zu viel an alkoholischen Getränken geflossen sein muss. Wie auch immer, die Werkschau geht jedenfalls mit „The Dividing Line“ vom 2010er „Continuum Ride“ und „Rain“ vom Album „Black“ aus dem Jahr 2013 weiter.

Als nächstes ein absoluten Klassiker, „Alpha Omega“ vom gleichnamigen 95er-Werk. Mit „I Live Your Dream“ des 99er Konzeptalbums „Eon:Eon“ gibt es gleich noch eine Hymne hinterher und das Auditorium erlebt den ersten Siedepunkt. Gefolgt vom einem ganz neuen Titel „Titânes“ des Ende Oktober erscheinenden Longplayers „Look Up, I’m Down There“. Dieser knallt ganz gut in den Ohren und fügt sich ebenso in die Setliste der Jubiläums-Tour ein, welche mit „Mine (Beast of Prey)“ von der 01er „Daimonion“ und „Acid Ocean“ aus dem Jahr 2013 weiter geht. Dann gibt es wieder einen Schlenker in die guten alten 90er-Zeiten, „The Longing“ von 1995.

Project Pitchfork (Foto: Kristin Hofmann bs!)
Project Pitchfork (Foto: Kristin Hofmann bs!)

Viele Ansagen werden zwischen den Tracks nicht eingefügt, Peter Spilles erkundigt sich bei den Anwesenden, ob es allen gut geht bzw. auch genügend Platz in der Hütte vorhanden ist. Diese bekommen einen weiteren Klassiker zu hören und feiern „An End“ des 09er „Dream, Tiresias!“-Albums. „Sunset Devastion“ ist ein weiteres neues Stück Musik, gefolgt von „The Queen of Time and Space“ welches auf der „Quantum Mechanics“ von 2011 enthalten ist. Bei „Souls“ vom 92er Longplayer „Entities“ und der absoluten „¡CHAKRA:Red!“-Hymne „En Garde!“ gibt es wieder richtig was abzufeiern. „Volcano“ ist der dritte Neue, „Blood-Loss (Sometimes)“ von 2014 und die beiden 2010er Tracks „Beholder“ bzw. „Endless Infinity“ runden das vielbejubelte Set ab und zum Schluß bei „Timekiller“ rasten alle noch Mal aus.

Zum Zugabelteil lässt sich Project Pitchfork nicht groß bitten und der enthält mit dem 97er „God Wrote und „What Have We Done“ von der Anfang dieses Jahres erschienenen „Second Anthology“ zwei (rare) Schmankerl, gefolgt „Carrion“ der „IO“ LP. Zugabe, Zugabe – nach einigen Bitten kommt die Band wieder zurück auf die Bühne, startet diese mit dem wunderbaren „Fire and Ice“ vom allerersten Album „Dhyani“ aus dem Jahr 1991. Angereiht vom ebenso großartigen „Blood-Thrist“ des immer noch aktuellen Konzeptalbums von 2014 und als letztes spielen Project Pitchfork den 01er Track „Fear“. Wer wollte kann jetzt auf der anschließenden After-Show-Party gleich Weitertanzen.

Fazit des ersten Auftrittes: der Sound war richtig Klasse, gerade durch den Einsatz der drei Schlagzeuger, die Lichtspiele passten sich ebenso sehr gut in die Performance ein. Allerdings ist die riesige LED-Wand manchmal ziemlich farbintensiv und erinnerte mich manchmal zu sehr an Shows bekannter EDM-DJs – für meinen Geschmack ’n bissl too much. Das sich Peter bei einigen Liedern ab und an am Keyboard befestigten Textbook behelfen musste, fand ich persönlich nicht so wild. Da missfiel mir eher die Songauswahl in der ersten halben Stunde, diese war nicht gerade die Knaller und machten das Set am Anfang nicht nur nach meinem Empfinden etwas träge. Mein persönlicher Liebling „Steelrose“ haben sie auch nicht gespielt, aber zum Tourauftakt am ersten Tag kann und darf ja noch nicht alles stimmen, schließlich war das Konzert am Freitag im Vergleich zum Samstag nicht ganz ausverkauft. Somit also genügend Luft nach oben um den Auftakt zu überbieten. Dieses war der erste Streich und der zweite folgt sogleich…

Samstag

Auch hier eröffnen EXT!ZE und Reaper das Abendprogramm der Dresdner Reithalle. Da sich die Sets beider Acts aber unwesentlich vom Vortag ähneln, geht es an dieser Stelle gleich weiter zum Hauptteil – Scheubi, Spilles & Co. werden abermals von allen Anwesenden in der ausverkauften Lokalität herzlichst empfangen. Die drei Schlagwerker nehmen ebenso wieder hinter ihren Instrumenten Platz und auf geht es zur zweiten Etappe auf der „25 Jahre-Jubiläums-Tour“ quer durch die pitchforkische Diskographie. Die Dark Electro Rocker eröffnen ihr Konzert mit einem neueren Stück Musik, „Pitch-Black“ vom 2013er „Black“, aber gleich darauf folgen mit „Timekiller“ der 01er Scheibe „Daimonion“ und „Blood-Diamond (See Him Running)“ vom Album „Blood“ aus dem Jahr 2014 die ersten Hymnen.

Project Pitchfork (Foto: Kristin Hofmann bs!)
Project Pitchfork (Foto: Kristin Hofmann bs!)

Peter begrüßt das frenetische (Dresdner) Publikum und entschuldigt sich gleichzeitig für den etwas holprigen Start tags zuvor. Er gibt zu, dass sie sich so sehr auf den Tourbeginn gefreut haben und es deshalb vor dem Auftritt im Backstage ein wenig übertrieben haben. Weiter geht es mit „Lament“ vor der 11er LP „Quantum Mechanics“ und danach spielen Project Pitchfork mit „Blind Eye“ einen ganz neuen Song des Albums „Look Up, I’m Down There“, welches Ende Oktober veröffentlich wird. Im Anschluß gibt es einen richtigen Zeitsprung zu den Anfangstagen ins Jahr 1992 zur „Lam-’bras!“-Scheibe und dem Track „Conjure“ und dann direkt mit „The Dividing Line“ vom 2010er Werk „Continuum Ride“ bzw. dem 13er „Rain“ wieder zurück. Als nächstes ein wirklicher 95er-Klassiker „Alpha Omega“ des ebenso betitelten Albums. „The Longing“ ist ein weiterer Track dieses wegweisenden Longplayers. Zuvor spielen sie allerdings noch einen ganz neuen Song „Titânes“ und den 13er Titel „Acid Ocean“.

Project Pitchfork (Foto: Kristin Hofmann bs!)
Project Pitchfork (Foto: Kristin Hofmann bs!)

Auch an diesem Abend gibt es keine längeren Ansagen, Herr Spilles erkundigt sich natürlich ob es allen gut geht (was umgehend wohlwollend beantwortet wird), ob alle Spaß haben und vor allem ob auch alle ausreichend Platz haben. Die Problematik war ja schließlich mit der ausschlaggebende Grund für die beiden (!) Konzerte hier in Dresden. Weiter geht die Werkschaureise mit den beiden Klassikern „An End“ vom 2009 erschienen Album „Dream, Tiresias!“ und „Souls“ des 92ers „Entities“. Gefolgt von einer der pitchforkischen Hymnen: „En Garde!“, aus der „¡CHAKRA:Red!“-LP von 1997. Mit „Volcano“ kommt ein wieder brandneues Material für die Ohrmuscheln der begeisterten Zuhörerschaft, wie auch das „What Have We Done“ von der Anfang dieses Jahres veröffentlichten „Second Anthology“. Die 2010er Hymne „Beholder“ ist der vorletzte Track im regulären Set und zum Schluß gibt es mit „Endzeit“ nicht nur einen der wenigen deutschsprachigen Lieder, sondern gleichzeitig auch den Dritten aus der 95er „Alpha Omega“-Scheibe – die anwesende Zuhörerschaft in der Reithalle ist restlos beglückt will natürlich noch mehr.

So lässt die Zugabe nicht weiter auf sich warten und ist komplett mit 90er-Sachen bestückt. „God Wrote“ von 1997, „Requium“ zwei Jahre zuvor veröffentlicht und „Fire and Ice“ aus der allerersten LP von Project Pitchfork aus dem Jahr 1991. Die Protagonisten des Abends lassen sich ein bisschen Zeit und kosten den Erfolg (der letzten 25 Jahre) noch Mal so richtig aus, aber natürlich gibt es ebenso an diesem Tag einen zweiten Zugabenteil. Sie bleiben weiterhin in der Anfangszeit es folgt mit „The Island“ ein weiterer Klassiker der 93er „Souls/Island“ EP, gefolgt von „Blood-Thrist“ des immer noch aktuellen Albums und als allerletzten Song hier in Dresden gibt es vom wegweisenden Longplayer „Eon:Eon“ wieder eine Hymne – „Rescue“. Jetzt kann auf der Nach-Dem-Konzert-Tanzveranstaltung wieder die Nacht zum Tag gemacht.

Project Pitchfork (Foto: Kristin Hofmann bs!)
Project Pitchfork (Foto: Kristin Hofmann bs!)

Zusammenfassend betrachtet der beiden pitchforkischen Feiertage, wieder ein klasse Sound, ein frenetisches Publikum – welches die Band absolut und zu Recht gefeiert hat. Das Licht war auch wieder in Ordnung und drei Schlagwerke sind schon richtig krass-geile Scheiße. Fans, welche tags zuvor auch schon zu Besuch gewesen sind, werden sich über sich über die Steigerung am Samstag gefreut haben. Aber alle, die nur am Freitag da waren dürfen/werden/müssen sich geärgert haben, denn für diesen Auftritt gibt es von mir nur eine 3+ (siehe erster Streich weiter oben). Für den Zweiten vergebe ich eine 1-, ich hätte mir nur noch ’n bissl mehr Unterschiede in den jeweiligen Tracklisten gewünscht und wieder kein „Steelrose“. Aber ansonsten kann man das schon so machen – Prost Project Pitchfork und auf die nächsten 25 Jahre! Dieses war der zweite Streich und Weitere werden noch folgen…VIELLEICHT KANNSTE AN DIESER STELLE DEN VB VERLINKEN^^

Weiter(rein)hören:

  • Project Pitchfork: „The Early Years“, „Live 97“, „Collector – Lost and Found“, „Collector – Fireworks and Colorchange“, „Live 2003 / 2001“, „First Anthology“ & „Second Anthology“
  • Reaper: „Hell starts with an H“
  • EXT!ZE: „Paradize 2069“

Gallerien:

Links:
http://www.project-pitchfork.eu/
https://www.facebook.com/reaperelectro
http://extize.com/band/

Tobias Richter
Tobias Richterhttps://www.facebook.com/mischband/
Jeder sollte einen Tobi haben. Keiner von uns hat ihn je gesehen, der Typ ist einfach zu groß und artig, der schmeißt aufgeblasene orange Dinger in Einkaufsnetze und - wie man so hört - muss sich der Ü190 Hüne dafür bücken. Eat Sleep Ball Repeat. Ansonsten ist ein Tobi einer, der Kassetten professionell aufwickeln kann, "der immer Ärger macht, der Streiche spielende Anstifter, der, der süchtig nach Furcht ist, ein Sinnbild für Gefahr." Jeder sollte einen Tobi haben. Und eine B-Seite.

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