Review: Coppelius in Dresden – Von Hilfe, Bass-So-Lo, Kopfschütteln und stehenden Ovationen (Dresden, 22.10.2016)

Coppelius. Wie durch ein Wunder wurden die werten Herren und ihr Diener durch einen Stromschlag am 18. Juni 1815 dem gewöhnlichen Alterungsprozess entzogen. Umso besser für die Nachwelt, der ansonsten wohl ihre Musik mit Klarinetten, Cello, Schlagzeug und Kontrabass entgangen wäre. Und das wäre wirklich eine Tragödie! Man kann es an dieser Stelle wirklich nicht oft genug sagen: Coppelius hilft. Wirklich. Immer und überall. In verschiedenen Lebenslagen. Ob deprimierender Arbeitstag, Stress zu Hause, schlechte Laune wegen kurzfristig geplatzter Dates. Und auch bei guter Laune. Coppelius drehen schlechte Laune in gute, und gute in noch bessere. Coppelius verleiht Flügel – besser als so manch Energy-Drink.

Beflügelt wurde die Dresdner Reithalle am 22.10.2016 im Rahmen der Bühnenabstinenzankündigungskonzertreise. Es schüttete aus Eimern. Die ungeduldige lange Schlange vor dem Halleneingang fühlt sich quasi ein klein wenig im Regen stehen gelassen. In zahlreichen Coppelius Kapuzenpullovern, Steampunk-Outfits oder auch nur in T-Shirt, Jeans und Dr. Martens warteten Mann und Frau bibbernd aber euphorisch bis sich diese ewig verschlossen scheinende Tür endlich auftut.

So geschieht es, als die Uhrzeiger auf 7 und 30 stehen. So füllen sich schnell die ersten Reihen. Wer nicht einer der ersten sein will, läßt sich gemütlich im hübschen Krämer von den netten Damen über das Angebot an Shirts, Pullovern, Autogrammkarten u.v.m. beraten.

Kurz nach 20:00 Uhr beschert Autor Christian von Aster allen Anwesenden eine äußerst vorzügliche Lesung voll mit scharfen Witz, Pointe und Charme. In gemütlicher Wohnzimmeratmosphäre mit Teppich, Sessel, Lämpchen und Beistelltisch werden Gedanken und Gesichtsmuskulatur in 20 Minuten äußerst angenehm stimuliert. Obendrein lassen es sich Herr Comte Caspar und Butler Bastille von Coppelius nicht nehmen, ihrem langjährigen Freund und Kollegen ein Ständchen zum Geburtstag zu bringen. Weltklasse.

Christian von Aster (Foto: Kristin Hofmann bs!)
Christian von Aster (Foto: Kristin Hofmann bs!)
Christian von Aster (Foto: Kristin Hofmann bs!)
Christian von Aster (Foto: Kristin Hofmann bs!)

 

Die Jenaer Band Carpe Noctem wirbelt als nächste über den Bühnenboden. Mit ihrer ganz eigenen Mischung aus Klassik, Rock und Metal hat sie das euphorische Publikum schnell auf ihrer Seite. Es wird wie wild geheadbangt, gesprungen, getanzt. Und es gibt auch wieder Besuch! Bastille und Graf Lindorf mischen die Bühne nochmal ordentlich auf und bringen die ein oder andere Nackenmuskulatur fast zum Brechen. Verdienter und ausgiebiger Applaus für Carpe Noctem.

Carpe Noctem (Foto: Kristin Hofmann bs!)
Carpe Noctem (Foto: Kristin Hofmann bs!)
Carpe Noctem (Foto: Kristin Hofmann bs!)
Carpe Noctem (Foto: Kristin Hofmann bs!)

21:00 Uhr. Zeit für die feinen Herren von Coppelius.

[Anm. d. R.: Die Redakteurin schaltet nun im Schreibstil um]

Die Stimmung der Damen und Herren in der Halle wird wesentlich unruhiger in Vorfreude auf die vier Herren und ihren Butler Bastille. Hüte und Korsagen werden an die rechte Position gerückt, um etwaige peinliche Kleidungsvorfälle zu vermeiden oder beabsichtigte zu verursachen. (Trotz ihres ungewöhnlich hohen Alters sind die Herren noch äußerst adrett!)

Coppelius (Foto: Kristin Hofmann bs!)
Coppelius (Foto: Kristin Hofmann bs!)

Die Lichter erlischen, es wird noch einmal tief eingeatmet, um die oberen Atemwege auf das Kommende vorzubereiten. Butler Bastille nimmt das werte Auditorium in Empfang und lässt den ein oder anderen rhythmisch Begabten höchstpersönlich das Becken im Takt schlagen. Nun ist es an der Zeit für die Herren Comte Caspar, Max Coppola, Sissy Voss und Graf Lindorf mit ihren Instrumenten die Bühne zu betreten. Mit “Transylvania” beginnt der unter lautstarkem Applaus herbeigesehnte Auftritt der coppelianischen Kapelle. Eine kleine Unverschämtheit am Rande sei kurz erwähnt. Was viele nicht wissen: Nach eigener Aussage des Butlers wurden dieses Stück sowie weitere aus dem Band-Repertoire von einem Weib namens eiserner Maid oder auch Iron Maiden neu vertont und gestohlen.

Welch Schurkerei!

Coppelius (Foto: Kristin Hofmann bs!)
Coppelius (Foto: Kristin Hofmann bs!)
Coppelius (Foto: Kristin Hofmann bs!)
Coppelius (Foto: Kristin Hofmann bs!)

Die nachfolgenden zwei Stunden stilvollen Abendprogramms werden von den Künstlern wirklich vorzüglich ausgewählt. Viele Lieder aus all vorangegangen und aktuellen Tonträgern finden Einzug in die, Achtung neu-deutsches Wort, sogenannte “Setlist”. So wird nicht nur der breite Geschmack der Anwesenden getroffen, sondern auch jegliche Erwartungen erfüllt und übertroffen. Gewohnt professionell und routiniert, aber nie gelangweilt, sondern stets gut gelaunt, liefern Coppelius eine Aufführung, die eigentlich keinen Vergleich zulässt. Es ist ein künstlerisches Musik-Theaterstück, prall gefüllt mit starken und sicheren Stimmen, musikalischem Können und gepflegter Unterhaltung.

Gib alles her! Gib her!
Gib alles her! Noch mehr!
Gib alles her! Gib her!
Und noch mehr, noch mehr!
Mehr!

Coppelius (Foto: Kristin Hofmann bs!)
Coppelius (Foto: Kristin Hofmann bs!)

Wenn das euphorische Auditorium dann noch von ganz alleine beginnt, Arme, Beine, Kopfhaar mit Nackenmuskulatur rhythmisch im Takt zu bewegen und die Hüte vor Freude und Glück in die Luft fliegen, kann die Schreiberin nur eins verkünden: (Achtung, neudeutscher, informeller Ausdruck) GEIL!

 

I´m in way over my head
But to sink that low
I´d rather be dead

Selbst kleine Blasen aus einer Wasser-Seifenmischung finden den Weg in die Luft und auf die Bühne und sorgen so für eine derartig wundervolle Stimmung, dass mensch wirklich wehleidig auf diesen schönen Abend zurückblickt.

BASS-SO-LO-BASS-SO-LO!

Das Auditorium verlangte mehrfach laut nach “Bass-So-Lo”. Nach etwa fünf oder sechs Versuchen gibt Basser Sissy Voss gerne dem Wunsch nach und bietet ein erstklassiges Basssolo dar, für das er jeden erdenklichen Muskel in Anspruch nimmt. Butler Bastille muss sich nun endlich keinen Zwischenrufen nach diesem Solo mehr aussetzen und kann so ungestört weiter durch den Abend führen.

Coppelius (Foto: Kristin Hofmann bs!)

Doch jede noch so “krachige” Aufführung braucht auch Momente der Ruhe. Mit atemberaubenden Vorträgen von balladesken Stücken wie “Die Glocke”, “Butterblume” oder “Ade mein Lieb!” rinnt so manche Träne über das Gesicht. Für Letzteres setzt sich das gesamte Auditorium sogar auf den Hallenboden und ist mucksmäuschenstill (Anm. der Red…. für Frank aus Langebrück).

Siehst Du dort unter jenem Strauch
Die kleine Taube nicht
Tief trauernd um ihr Herz allerliebst
So will ich trauern um Dich, mein Lieb
So will ich trauern um Dich

Die Damen und Herren wollen die coppelianischen Herrschaften auch nach zwei Zugaben noch nicht gehen lassen. Sie geben quasi “Stehende Ovationen” in einer Lautstärke und in einer Beharrlichkeit, die man als BesucherIn wirklich nicht sehr häufig bei einer Aufführung erlebt. Nach zwei weiteren Zugaben “Operation” und “I get used to it” endet leider diese wunderbare Veranstaltung. Unter noch lauterem Applaus als zuvor und einem Gruppenbild für das Fotoalbum verabschiedeten sich Coppelius vom Dresdner Auditorium und Butler Bastille gibt noch ein sehr persönliches Schlusswort. Ohje, vorbei. Wirklich.

Coppelius (Foto: Kristin Hofmann bs!)
Coppelius (Foto: Kristin Hofmann bs!)

Da bleibt nur eines: hoffen und wünschen, dass die werten Herren und ihr Butler wirklich nur ein Päuschen machen. Über den Jahreswechsel vielleicht. Das sei jedem gestattet! Ansonsten hilft vielleicht ein Blick in die Konzertreisen im Welt Weiten Web. Oder bombardieren Sie die Herren mit Liebesnachrichten per Brieftaube. Denn Eins ist immer sicher:

Coppelius hilft.

(Und rocken um ein Vielfaches mehr als so manche “Rockband”)

Setlist Coppelius:

  1. Transylvania (Iron Maiden Cover)
  2. Habgier
  3. Der Advocat
  4. Schöne Augen
  5. I’d rather be dead
  6. Mitten ins Herz
  7. Phantom Of The Opera (Iron Maiden Cover)
  8. Butterblume
  9. Meer
  10. Locked Out
  11. 1916 (Motörhead Cover)
  12. Bitten Danken Petitieren
  13. Murders In The Rue Morgue (Iron Maiden Cover)
  14. To My Creator
  15. Reichtum
  16. Sternenstaub
  17. Die Glocke
  18. Viel zu viel
  19. Risiko
  20. Der Luftschiffharpunist (Zugabe)
  21. Adé mein Lieb! (Zugabe)
  22. Operation (Zugabe Teil 2)
  23. I get used to it (Zugabe Teil 2)

Gallerien:

Persönliches Dankeschön:
An die werte Band und vor allem Comte Caspar, der sein OK für “die ganze Zeit fotografieren” für alle Fotografen gab. Die Fotografin/Schreiberin ist immer noch entzückt.

Coppelius – Das Finale 2016

  • 28.12.2016 Annaberg-Buchholz, Alte Brauerei (be-subjective! berichtet)
  • 29.12.2016 Berlin

Links:
Coppelius – Offizielle Facebook-Seite
Carpe Noctem – Offizielle Facebook-Seite
Christian von Aster – Offizielle Facebook-Seite

 

Kristin Hofmann
Kristin Hofmannhttp://www.fotokatz.de/
Kristin Hofmann, das schnurrende Fotokatzl, ist uns von den Elbwiesen zwischen Nightwish und Lacrimas Profundere im Fotograben irgendwie zugelaufen. Das „Spätzchen“ fährt in der Regel nicht die Krallen aus, voll auf weißblaue Vierräder ab und hat die anderen sechs Nerdzwerge zwischen Datenkraken, Mediendschungel und Hexadezimal im Blinzelwettbewerb längst platt gemacht. Schnurrbart steht ihr übrigens nicht so gut wie DocMartens, aber irgendwas is’ ja immer. Bitte nicht füttern!

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