Review: Nur die Nacht weiß … Die Broilers fackeln die verflixte Hütte ab (14.07.2017, Dresden)

“Woho, mein Heiligenschein!”, es ist Freitag, das Wetter bombe, das Outfit sitzt. Die Düsseldorfer Broilers spielen heute open air. Geil. Menschen strömen in Scharen aus allen Richtungen zum Dresdner Elbufer auf der Neustädter Seite. Auch bei hotten Temperaturen ist die mit Buttons übersähte Lederkutte etwa nicht viel zu warm, sondern eben genau richtig. Auch Leoparden, Karos, Normalos und gutaussehende Regenjackenbesitzer, die vorher augenscheinlich die Wettervorhersage studiert haben, finden Ihren Weg zum Einlass.

Doppelt geschleust geht doppelt so schnell

Besucher bei den Broilers (Foto: Kristin Hofmann bs! 2017)

In den Händen kleben die Eintrittskarten und das Wegbier. Wenn man am Elbradweg kommt, erschlägt die mehrere hundert Meter Menschenschlange einen dezent. Dabei ist man(n) und frau schon zu spät dran, die erste Vorband spielt bereits. Es geht mühevoll voran, doch die Stimmung beim Warten ist so angenehm, dass die AnsteherINNen den Ausruf “Es gibt eine zweite Schleuse zum Einlass, da geht es wesentlich schneller”  erstmal komplett überhören. Doch die Einsicht kommt und so kann man doch noch einen Blick auf die erste Band Emscherkurve 77 werfen, die bereits vor der sehr gut gefüllten Broilers Open Air Area spielen. Voll wird es heute mit 10.500 Menschen in jedem Fall.

10.500! 10.500 …

Besucher bei den Broilers (Foto: Kristin Hofmann bs! 2017)

10.500! Eine beachtliche Zuschauerzahl für die mittelgroße sächsische Hauptstadt. Wie es aussieht, wenn so viele plötzlich nass werden, kann man bereits bei den ersten Saitenhieben von Flogging Molly live miterleben. Blöd gelaufen ist es, wenn die Regenjacke zu Hause am Haken hängt und man leider keinen Regenponcho von MDR Jump abbekommt. PP.

 

Swing a little more, little more o’er the merry-o

Doch der zweiten Band des Abends, Flogging Molly,  macht das nichts aus. Regen? Was ist das? Molly peitscht sie alle. Obwohl sie das gar nicht muss, die gut gelaunten Kapuzen und Kapuzinnen tanzen bereits bei den ersten Takten der irisch-nordamerikanischen Folk-Punk-Rock-Band freiwillig mit. Flogging Molly fetzt. Aber gewaltig. Egal ob es wie aus Eimern kippt, die Sache hier läuft sowas von rund und gekonnt, dass man sich keine einzige Sekunde über den Wetterfrosch ärgern muss, quak.

Life Is Good

Flogging Molly (Foto: Kristin Hofmann bs! 2017)

Bei Flogging Molly stacheln sich musikalisch Dave, Bridget, Dennis, Matt, Nathen, Bob und Mike mit Akustikgitarre, Banjo, Fiddle, Thin Whistle, Akkordeon, Mandoline und Schlagzeug gegenseitig in die Höhe. Ein Ohrenschmaus zum Regenwegtanzen. Life Is Good, oder?

 

 

I’ll wait for you till I turn blue

There’s nothin‘ more a man can do

Besucher bei den Broilers (Foto: Kristin Hofmann bs! 2017)

Und dann geht es Zurück zum Beton. Oi, oi, oi. Hinter einer riesigen Abhängung im Broilersstyle sieht zwar das Umbauen gar nicht so spannend aus, dafür spannt es umso mehr an der Anspannung. Die grauen und nassen Regenwolken verziehen sich…hmmm… hat jemand den Wetterfrosch bestochen? Danke jedenfalls! Die Temperaturen ziehen wieder an, die Haare können trocknen, der Vorhang fällt und mit einem riesigen Wummms stehen sie dann endlich auf der Bühne. Die

Broilers.

Broilers (Foto: Kristin Hofmann bs! 2017)

Hell yeah. Sammy (Gesang & Gitarre), Andi (Schlagzeug), Ines (Bass), Ron (Gitarre) und Chris (Orgel & Keys) glänzen, sie strahlen, sie begeistern. Sie rocken. (Punk-)rockig. Aber wie. Das Publikum kocht über, tanzt Pogo, hüpft, ist crowdsurfen, jault energisch mit. Einmal Bühnengraben und zurück. Und gleich nochmal, weil es so schön war.

 

Woho, woho, woho

Besucher bei den Broilers (Foto: Kristin Hofmann bs! 2017)
Broilers (Foto: Kristin Hofmann bs! 2017)

Mit 666 % Energie spielen sich Broilers über zwei Stunden extrem gut gelaunt die Seele aus dem Leib und in die Punkrock-Herzen ihres Publikums. Orgel, Saxophon und Trompeten fetzen was das Zeug hält. Das gesamte Elbufer ist eine riesige Hüpfburg. Des Wahnsinns! Die Lieder sind eingängig und gehen sofort in die Extremitäten. Wer die Texte (noch) nicht kennt, bekommt sie verlässlich von seinen Umgebenden ins Ohr gebrüllt. Die Stimmung ist so ansteckend, dass am Ende der schwärzeste Miesepeter gute Laune bekommt und seitdem ganz im Broilersfieber ist. Broilers spielen und singen vom Leben, Problemen, Liebe und Welt(politik). Dabei treffen sie für jeden verständlich den Nagel auf den Kopf. Gerade aus, extrem scharf und ohne Umwege.

Schließ auch die Beine Mädchen, öffne ein Buch

Dann irgend etwas vom Leben und Lieben und wie Straßenkatzen auf die Füße fallen.

Besucher bei den Broilers (Foto: Kristin Hofmann bs! 2017)

Bei den Broilers findet sich heute Abend jeder irgendwo  wieder. Ob man gerade einen harten Weg beschreitet, sich nicht sicher ist, ob man Fleisch ist oder Fisch, oder jemandem besonderen die Frage stellt, ob er oder sie noch einmal tanzen will. Die Fünf holen dich ab und ehe du dich versiehst, bist du im “Woho, woho, woho” Fieber.

 

Tanzt du noch einmal mit mir?

Wenn nicht jetzt, wann dann? Tanzt du noch einmal mit mir

Broilers (Foto: Kristin Hofmann bs! 2017)

Broilers geben heute einen ausgiebigen und spannenden Einblick in ihre bisherige Musikgeschichte. Mit Liedern vom neuen Album (sic!) wie “Die Beste (aller Zeiten)”, “Bitteres Manifest”, “Meine Familie” oder “Ihr da oben” überzeugen sie genauso mit ihrer Authentizität wie mit älteren Stücken („Schwarz, Grau, Weiß„) oder auch Perlen der Vergangenheit („Blume„). Nicht ohne Grund wurde die Band schon mit der 1LIVE Krone als “Bester Live Act” ausgezeichnet.

 

Und wenn du fällst bin ich bei dir. Hey hey hey hey

Die 10.500 Zuschauer sind fanatisch und begeistert. Keine Minute Broilers ist zu viel oder nicht wert gehört und auch gesehen zu haben – erlebt zu haben. Die Ansage von Sänger Sammy ist klar formuliert

Wir fackeln hier die verflixte

Hütte ab!!!

Auf Ansage folgt die Exekutive. Wer denkt, dass Publikum und Band nicht noch einen drauf setzen können, der irrt.

Ganz egal ob ich Blut schwitz, bittere Tränen wein,

alles erträglich, es muss nur immer Musik da sein

 

Broilers (Foto: Kristin Hofmann bs! 2017)

Broilers sind authentisch, ergreifend, ehrlich, pointiert, überzeugend, swingend. Ob nun Nebelsäulen mitten aus dem Publikum in den unendlich wirkenden Sternenhimmel sprießen oder die Pyrotechnik von der Bühne wedelt: es passt. Es zieht dich mit.

 

 

Wir wollten dieses Palmending

Wir wollten unsere Anti Islands

Broilers (Foto: Kristin Hofmann bs! 2017)

Nach einem Auftritt, der mehr als sensationelle 120 Minuten dauert, schlendert die durchgerockte Meute, äußerst zufrieden, glücklich und auch etwas taub, aber hat sich gelohnt, in die mittlerweile kalt gewordene Nacht. Mit einem bestimmten Lied und ganz vielen Woho-woho-wohos findet man den Weg nach Hause oder zum Auto. Ein überaus gelungener Abend mit den Broilers und tollen Menschen.  

In diesem Sinne:

Wir verschütten das Bier und den Wein auf dem Boden

Stoßen auf uns an, die da unten und oben

Galerien (by Kristin Hofmann bs! 2017):

Setlist:

  1. Preludio: Vanitas
  2. Zurück zum Beton
  3. Paul der Hooligan
  4. Bitteres Manifest
  5. Wo es hingeht
  6. Cigarettes & Whiskey
  7. In ein paar Jahren…
  8. Meine Familie
  9. Nur die Nacht weiß
  10. Die Beste aller Zeiten
  11. Wie weit wir gehen
  12. Vom Scheitern
  13. Ihr da oben
  14. Held in unserer Mitte
  15. 33 rpm
  16. Nur ein Land
  17. Keine Hymnen heute
  18. Ich brenn‘
  19. Eine Nation
  20. Zurück in schwarz
  21. Lofi
  22. Irgendwas in mir
  23. Die Letzten (an der Bar)
  24. Ruby Light & Dark
  25. Harter Weg (Go!)
  26. Nur nach vorne gehen
    Encore
  27. Tanzt du noch einmal mit mir?
  28. Zusammen (Slime cover)
  29. Meine Sache
    Encore 2
  30. Ist da jemand?
  31. Blume
  32. Don’t Stop Believin‘ (Journey song)

Links:

Kristin Hofmann
Kristin Hofmannhttp://www.fotokatz.de/
Kristin Hofmann, das schnurrende Fotokatzl, ist uns von den Elbwiesen zwischen Nightwish und Lacrimas Profundere im Fotograben irgendwie zugelaufen. Das „Spätzchen“ fährt in der Regel nicht die Krallen aus, voll auf weißblaue Vierräder ab und hat die anderen sechs Nerdzwerge zwischen Datenkraken, Mediendschungel und Hexadezimal im Blinzelwettbewerb längst platt gemacht. Schnurrbart steht ihr übrigens nicht so gut wie DocMartens, aber irgendwas is’ ja immer. Bitte nicht füttern!

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