Review: Voll abgefuckt – Thees Uhlmann live (27.08.2020, Hannover)

Juchhuuuu, ich darf auf der Expo-Plaza spielen. 25.000 Fans, ausverkaufte Hütte. Dazu schönes Wetter, tolle Atmosphäre. Hauptgewinn! Ach nee, da war ja was. Wir haben ja gerade besondere Zeiten. Na gut, also Expo Plaza, Biergarten. So 500 Leute, was zu trinken, nette Gespräche und Musik. Das passt. Und findet statt. Das ist nicht selbstverständlich. Auf den Veranstaltungsseiten liest Mensch im Moment nur noch: verlegt, verschoben, abgesagt. Ganz bitter für alle Beteiligten. Aber das Konzert heute findet statt. Nicht abgesagt, nicht verschoben, aber dann doch verlegt. Aber nur bei der Location. Irgendwas ist immer. Aber es ist ein Glücksfall. Der Biergarten auf der Expo Plaza wäre dann doch irgendwie zu künstlich, irgendwie zu trabantig gewesen. Da ist der Biergarten auf dem Vereinsgelände von Hannover 78 doch sehr viel geeigneter. Große, historisch gewachsene Sportanlage, viel Grün drum herum, ausreichend Platz und doch sehr familiär und heimelig. Während die 350 Fans (Achtung: AUSVERKAUFT!) es sich bei Gegrilltem und Gezapftem gut gehen lassen, sitzt Thees Uhlmann mit seinen Jungs noch auf der Vereinsterrasse von Acht & Siebzig bei einem Gläschen Schaumwein. Gehört zum zeremoniellen Ablauf, wie er später erklärt.

Thees Uhlmann: (Foto: Michael Lange bs! 2020)

Aber pünktlich um 20:00 Uhr geht der Abend dann auch los. Die Jungs kommen auf die Bühne, Instrumente bereit und los geht’s. Das Besondere, das unglaublich Faszinierende an Thees Uhlmann ist: der Kerl braucht nur knackige handgestoppte 12,74 Sekunden, da hat der Berliner das Publikum am Haken. Der Mann ist ein Menschenfänger im positiven Sinne. 350 Leute hängen an seinen Lippen und doppelt so viele Ohren lauschen seinen Geschichten und Liedern, wobei die Geschichten länger sind als die Lieder. Er macht Stimmung, er liebt Hannover, die Stadt der deutschen „Greta Garbo“ und des Finanzmoguls. Die Stadt von Mousse T. und den Scorpions. Er hätte sich gefreut, wenn sie da gewesen wären. Wie war das nochmal mit Hannover? Ach nee Bielefeld spielt Bundesliga. Spaß muss sein, rumfrotzeln hebt die Stimmung.

„Das wird richtig abgefuckt heute, habe ich zu viel versprochen?!“ sagt er irgendwann zu seinem Keyboarder. Der Mann hält Wort, ganz viele Wörter.

Simon Frontzek und Rudi Maier – zuständig für Keyboards, E-Gitarre und Schlagzeug – sind an diesem Abend die Band. Kleine Besetzung, große Wirkung. Reicht. Vollkommen.

Es gibt für alles eine Antwort
Es gibt für alles eine Zahl
Aber ich frage mich heute Abend
Wie oft und habe ich eine Wahl?

Bevor die Veranstaltung in Comedy umschlägt, streut Thees Uhlmann das eine oder andere Lied ein. „Fünf Jahre nicht gesungen“ ist auf Jahre hinaus der perfekte Opener

„Danke für die Angst“ (Hommage an Stephen King) und „& Jay-Z singt uns ein Lied“ folgen. Immer wieder eingestreute Geschichten. Von seiner Tochter, die natürlich Casper viel cooler findet als ihren Paps oder von der Frau an Kasse 2, die immer T-Shirts bekannter Rock-Bands trägt oder die Frau, die neben Glücks-Bärchi-Tattoos auch politisch orientierte Tätowierungen hat. Uhlmann hält natürlich ständig Kontakt zum Publikum. Einen Fan, der nebenbei an seinem Essen knabbert, findet er absolut cool: „Schaut, der futtert hier an seinem Burger, während ich singe und sagt dann zu seiner Maus, Lecker, Schmatz, Schmatz, geiles Lied. Schmatz“ Sowas findet Thees völlig geil. „Digga, du kriegst fürs nächste Mal zwei Freikarten.

Thees Uhlmann: (Foto: Michael Lange bs! 2020)

Vom Ablauf ist das Konzert geplant in drei Abschnitte: Lieder, Labern, Lesung. Auf Lesung hat Uhlmann allerdings an diesem Abend keinen Bock. Zu oft, zu viel. Heute nicht. Besser noch mehr Geschichten. Von Erlebnissen mit den Toten Hosen in Liverpool, wie er mal betrunken eine E-Mail an das Management von Bruce Springsteen geschrieben hat („Manche Leute sagen, ich bin der Bruce Springsteen von Nord-Nord-West Niedersachsen“). Oder aber wie Tomte als Vorband von Element of Crime musikalisch voll versagt haben, Uhlmann aber beim Stimmen der Gitarre den Arsch in der Hose hatte zu sagen: „Für Euch reichts“. Mal eben die Fans der Hauptband etwas hochfahren. Sven Regner hats gefallen.

Thees Uhlmann: (Foto: Michael Lange bs! 2020)

Den Fans bei Acht & Siebzig gefällts auch. Hin und wieder sieht man Hockey- oder Tennispieler/innen auf dem Weg nach Hause oder hört die Rugby-Mannschaft beim Training. Digga, was für Kerle. Im letzten Drittel kommen die Hits. Von den Hosen das „Liebeslied“, „Ich sang die ganze Zeit von dir“ (Tomte) oder auch Kettcar´s „48 Stunden“.

„Was wird aus Hannover, wenn die Scorpions nicht mehr sind?“ Ein Highlight des Abends. Genauso wie „Avicii“, sein Lied an den verstorbenen schwedischen Musiker, fast ganz am Ende des Abends. Die zweite Zugabe ist dann „Ein Satellit sendet leise“. Besser kann man den Abend nicht abschließen. Sein Schlusswort ist dann relativ kurz: „Durchhalten“. Danke an alle Beteiligten und diesmal und ausdrücklich besonderen Dank an den Veranstalter Living Concerts. Konzerte sind selten geworden in dieser besonderen Zeit.

Thees Uhlmann: (Foto: Michael Lange bs! 2020)

Setlist:

  1. Fünf Jahre nicht gesungen
  2. Danke für die Angst
  3. & Jay-Z singt uns ein Lied
  4. Ich bin der Fahrer, der die Frauen nach HipHop Videodrehs nach Hause fährt
  5. Junkies und Scientologen
  6. Was wird aus Hannover
  7. Ich sang die ganze Zeit von dir (Tomte song)
  8. Liebeslied (Die Toten Hosen cover)
  9. Das Mädchen von Kasse 2
  10. Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf
    Encore:
  11. 48 Stunden (Kettcar cover
  12. Die Schönheit der Chance (Tomte song)
    Encore 2:
  13. Ein Satellit sendet leise

Links:
www.ghvc.de/index.php?id=theesuhlmann
www.thees-uhlmann.de

Veranstalter:
www.livingconcerts.de

Michael Lange
Michael Langehttps://www.be-subjective.de
Michael Lange. MichaL ist der Methusalix in unserem Team. Ein Original, ein Sympath, ein Genießer von A wie Abba bis Z wie Zabba und im realen Leben ein Stepptänzer. »Jawohl, das mit dem KlackerdiKlack.« MichaL hat schon Rock’n’Roll gehört, da waren die Little Boy Blue and the Blue Boys noch grün hinter den Ohren. Man munkelt er konnte schon einparken, da gab es noch nicht mal Rückspiegel, geschweige denn Einparkhilfen. Dennoch ist die MichaL noch lange kein Oldy oder darauf fokussiert. The big L war plötzlich da. Zeitlos. Unerwartet und doch völlig freiwillig tauchte er in unserem Universum auf und bereichert es. KlackerdiKlack.

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