Review: Ohne Konsequenzen – The Notwist in der Kulturetage (18.04.2024, Oldenburg)

Es ist eines dieser Konzerte, bei dem Jede*r im eigenen Bekanntenkreis sagt: Klar, da geh ich hin. Wenn The Notwist in die Stadt kommen, dann gehört es einfach zum guten Ton, sich das anzuschauen bzw. anzuhören. Ziemlich genau vor 5 Jahren waren The Notwist zuletzt in der Kulturetage – auch damals war es rappelvoll, auch damals gab es keinen Support-Act, auch damals kam die Band 20 Minuten zu spät auf die Bühne.

The Notwist (Foto: Thea Drexhage bs! 2024)

Kratzt zum Glück niemanden, im Publikum kennt man sich schließlich untereinander. So bleibt genügend Zeit für ein kurzes Pläuschchen hier und da. Leider scheinen einige dieser Gespräche so spannend zu sein, dass sie sich durch das gesamte Set der Band ziehen. Je lauter diese werden, desto lauter wird gequasselt. Vielleicht lag es daran, dass The Notwist, die nie um große Worte bemüht sind, einfach auf die Bühne stiefelten und ohne Begrüßung anfingen – wie soll man da auch merken, dass es losgeht?

The Notwist (Foto: Thea Drexhage bs! 2024)

Wenn man sich von den redenden Menschentrauben entfernen konnte, bot sich auf der Bühne ein Spektakel, wie man es von der Band aus Oberbayern gewohnt ist. Analoge und Digitale Instrumente gepaart mit analogen Platten und Gesang – dicke Soundwände, gehüllt in blaues und rotes Licht und all die Songs, die man über die vergangenen 34 Jahre Bandgeschichte lieben gelernt hat – außer Consequence, der fehlt zum Leidwesen einiger. Das Set der aktuellen Tour wird beherrscht von der jüngsten Veröffentlichung Vertigo Days und wird eröffnet mit Into Love/Stars & Exit Strategy To Myself bevor es fließend mit Kong in ein etwas älteres Stück übergeht.

Generell sind die Konzerte von The Notwist als Fluss zu betrachten. Alles geht ineinander über, es gibt nur wenige Pausen für Applaus und Ansagen schon gar keine. Wer es schafft, sich komplett darauf einzulassen kann sich in einem wunderbar gestalteten Set verlieren. Leise Töne, wirklich, wirklich lauter Indie-Rock, hier und da ein kurzer Rave, dazu die beruhigende Stimme von Markus Aacher. Dabei ist längst nicht jeder Ton ein Wohlklang, hier und da ecken The Notwist gern an. Kaum ein Song klingt, wie man ihn von der jeweiligen Platte kennt, genau das macht die Shows der Band jedes Mal so besonders. Umso trauriger ist’s, dass so viele Gäste scheinbar nicht ganz bei der Sache sind.

The Notwist (Foto: Thea Drexhage bs! 2024)

Nach 16 Songs werden die Loose Ends zusammengeknüpft und enden in einem fulminanten Finale. Ein kurzes Danke wird ins Mikro gesäuselt und die sechs-köpfige Band geht das erste Mal ab. Genug hat in Oldenburg noch niemand. Die Zugaberufe sind laut.

But I know I’m not alone
On a planet that you call home

Mit dem verträumten Sans Soleil wird das Publikum auf das große Finale eingestimmt, denn natürlich darf der wohl größte Hit Pilot nicht fehlen, dieser wird, wie immer, scheinbar endlos mit einem langen elektronischen Part zelebriert, bevor es mit Gravity nochmal klassisch rockig wird. Aber das ist längst nicht genug. Nach einer weiteren kurzen Pause schütteln The Notwist noch zwei Songs aus dem Ärmel und verabschieden sich endgültig mit 0-4. Zurück bleiben viele strahlende Gesichter, entweder, weil sie ein grandioses Konzert gesehen, oder, weil sie das Gespräch ihres Lebens geführt haben.

The Notwist (Foto: Thea Drexhage bs! 2024)

Galerien (by Thea Drexhage bs! 2024):

Setlist The Notwist:

The Notwist (Foto: Thea Drexhage bs! 2024)
  1. Into Love/ Stars
  2. Exit Strategy To Myself
  3. Kong
  4. Pick Up The Phone
  5. Where You Find Me
  6. Ship
  7. Another Planet
  8. Into The Ice Age
  9. Who We Used To Be
  10. One WIth The Freaks
  11. This Room
  12. Puzzle
  13. Agenda
  14. Night’s Too Dark
  15. Into Another Tune
  16. Loose Ends
    Encore 1
  17. Sans Soleil
  18. Pilot
  19. Gravity
    Encore 2
  20. My Fault
  21. 0-4

Links:
The Notwist
Kulturetage Oldenburg

Thea Drexhage
Thea Drexhagehttps://www.be-subjective.de
Thea Drexhage hat Salma Hayek einiges voraus! 10 mm. Wie die meisten Frauen der Redaktion, Duffy, Beth Ditto, Joan Rivers oder Angus Young kann sie die MusikerInnen aus dem Bühnengraben also völlig problemlos sehen, wenn jemand ihren Hocker trägt, wird aber - das hat sie mit Salma dann doch wieder gemein - dennoch viel zu oft auf Ihre Körpergröße, ihre Mähne und ihre leicht misanthropischen Anflüge reduziert. Damit sie also nicht im nächstbesten Titty Twister von Sonnenunter- bis Sonnenaufgang Menschenmengen und Bläser mätzelt, halten wir “Aggro-Thea”, die zuvor ganze Landstriche in Mecklenburg Vorpommern ausgerottet hat, halbtags im spießbürgerlichen Oldenburger Exil an der langen Leine. Seither legt sich die scheißpünktliche existentialistische Besserwisserin analog mit Sartre, Camus & Kodak an und ja, auch wir müssen neidlos zugestehen, dass der Instagram-Account ihrer beiden Katzen “Salma” und “Hayek” mehr Follower pro Tag hat, als unser webzine im ganzen Jahr.

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