Review: Ray Wilson und Band – nicht mehr lang bis zum Frühling (04.03.2017, Celle)

Er selber weiß, dass er von seiner Zeit bei Genesis eigentlich erst profitert hat, als die Zusammenarbeit beendet war. Lediglich ein Album , „Calling all stations“ aus dem Jahr 1997, brachte die Band mit Wilson als Sänger auf den Markt.

Aber der Schotte, der inzwischen seinen Lebensmittelpunkt in Polen hat, hat sich von der kurzen Zeit als Sänger der ProgRock-Legende längst emanzipiert. Davon konnten sich die rund 400 BesucherInnen in der Celler CD-Kaserne überzeugen. Okay – seine Tour heißt „Genesis Classics“. Und auf der Setlist stehen auch viele Genesis-Songs und Werke von den Solo-Alben von Peter Gabriel oder Mike & the Mechanics. Aber eben auch seine eigenen Songs. Die sind sicherlich noch nicht solche Klassiker wie die Band-Lieder. Aber das Potenzial haben sie allemal.

Es ist aber vor allen Dingen ein Abend, der nicht nur eingefleischten Genesis-Fans die Tränen in die Augen getrieben hat: Ray Wilson und seine Band präsentieren ein echtes musikalisches Highlight.

Ray Wilson und Band (Foto: Torsten Volkmer bs! 2017)

Er hatte einige Überraschungen parat. Das zeigte sich schon bei den ersten Tönen. Denn er eröffnete den Abend mit „Another Cup of Coffee“ von Mike & the Mechanics, der Band von Genesis-Bassist und -Gitarrist Mike Rutherford. Und neben „Solsbury Hill“ von Ex-Genesis-Sänger Peter Gabriel hatte er auch dessen „In Your Eyes“ im Programm, was eines der besten Stücke von Gabriel ist. Dazu folgte auch noch „Biko“, die Reminiszenz an den farbigen Freiheitskämpder Stephen Biko.

Ray Wilson und Band (Foto: Torsten Volkmer bs! 2017)

Mit zahlreichen Genesis-Klassikern brachte er den Saal schnell zum Kochen. „Carpet Crawlers“ vom legendären Album „The Lamb Lies Down on Broadway“ – ein Song für die alten Leute im Publikum, wie Wilson betonte – war natürlich dabei. Aber auch „Mama“, „That‘s All“, „Jesus He Knows Me“, „No Son of Mine“, „Home by the Sea“ oder „Follow You, Follow Me“ aus der Phil Collins-Ära hatten ihren Platz. Von „seinem“ Genesis-Album spielte er allerdings lediglich den Hit „Congo“.

Wilson bewies aber auch, dass sein Solo-Opus mehr als nur Beiwerk ist. In seinen eigenen Songs geht es ruhiger zu, melancholischer. Den Schwerpunkt setzte er dabei auf seine beiden im vergangenen Jahr veröffentlichten Alben: „Song for a Friend“, „Not Long till Springtime“, „Calvin and Hobbes“ und das unglaublich schöne „Makes Me Think of Home“ bewiesen, dass er längst aus dem Schatten der großen Band herausgetreten ist. Beim letzten Stück durfte Saxofonist Marcin Kajper beweisen, was er konnte. Er wechselte zwischendurch auch zum Bass oder zur Querflöte. Schlagzeuger Mario Koszel, Keyboarder Kool Lyczek, Stefanie Hoelk an der Violine und als Gitarrist Rays Bruder Stephen komplettierten die Band in Celle.

Ray Wilson und Band (Foto: Torsten Volkmer bs! 2017)

„Wir haben keine feste Setliste“, erklärt Ray Wilson nach dem Konzert. „Wenn man jeden Tag auf der Bühne stehst, muss man schon mal variieren, damit es nicht langweilig wird.“ Was man verstehen kann. Ist der Bursche doch eigentlich auf Dauertour. „Das ist es, was ich kann und was mir Spaß macht.

Ich bin Musiker, das ist meine Welt.“

Natürlich fehlt im Programm auch nicht „Inside“, der Hit der ersten Wilson-Band „Stiltskin“ aus der Jeans-Werbung. Die Celler Fans waren mit der Song-Auswahl des 47-Jährigen jedenfalls hörbar zufrieden.

Wenn man denn etwas zu kritisieren finden wollte, dann ist es der Sound. Es kommt doch die Violine ist manchmal gar nicht zu hören. Und es fehlte, bei allem Respekt vor Stephen Wilson, ein Leadgitarrist. Sicher müht sich der Bruder des Sängers redlich. Aber letztlich ist er in der Band mit der „großen“ Besetzung der Rhythmus-Gitarrist. Das ist ein wenig schade.

Dennoch bleibt unter dem Strich ein Abend, wie er in der Celler Musikszene so häufig nicht zu erleben ist. Dazu muss man sonst in die nahe Landeshauptstadt Hannover fahren.

Galerien (by Torsten Volkmer):

Ray Wilson und Band (Foto: Torsten Volkmer bs! 2017)

Setlist (aus Magdeburg):

  1. Another Cup of Coffee (Mike + The Mechanics cover)
  2. Wait for Better Days
  3. That’s All (Genesis song)
  4. Home by the Sea (Genesis song)
  5. Take It Slow
  6. Another Day in Paradise (Phil Collins cover)
  7. The Carpet Crawlers (Genesis song)
  8. Alone
  9. Song for a Friend
  10. No Son of Mine (Genesis song)
  11. Follow You Follow Me (Genesis song)
  12. Change
  13. Solsbury Hill (Peter Gabriel cover)
  14. Entangled (Genesis song)
  15. Ripples… (Genesis song)
  16. Calvin And Hobbes
  17. In Your Eyes (Peter Gabriel cover)
  18. Biko (Peter Gabriel cover)
  19. High Hopes (Pink Floyd cover)
  20. Makes Me Think of Home
  21. Mama (Genesis song)
    Encore:
  22. Jesus He Knows Me (Genesis song)
  23. One (U2 cover)
  24. Knockin‘ on Heaven’s Door (Bob Dylan cover)

Links:
www.raywilson.net
www.genesisclassic.com

Jürgen Wilde
Jürgen Wildehttps://www.be-subjective.de/
… die wilde Hilde, den hat noch nie einer in der Redaktion gesehen. Man sagt, er fährt mit einer Limo vor, trägt Schlangenlederboots zu zwei brünetten Blondinen, hat zum Ausgleich eine Baumpatenschaft und ein Komposttoilette, um irgendwie seine CO2 Bilanz in den Griff zu bekommen und bastelt leidenschaftlich gern Kastanientiere.

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