Train: A Girl A Bottle A Boat (2017) Book Cover Train: A Girl A Bottle A Boat (2017)
Pop
Columbia Records
27.01.2017
www.savemesanfrancisco.com

Tracklist:

1. Drink Up
2. Play That Song
3. The News
4. Lottery
5. Working Girl
6. Silver Dollar
7. Valentine
8. What Good Is Saturday
9. Loverman (ft. Priscilla Renea)
10. Lost And Found
11. You Better Believe
12. Ziplock Full Of Sunshine
13. Crazy Queen

Nachdem ich beim Durchhören des zehnten Albums von Train etwas erschrocken bin, wie erfolgsorientiert die Gruppe aus California inzwischen klingt, musste ich mich erstmal auf musikalische Spurensuche begeben.

1998 erschien das mit 25.000 Dollar selbstproduzierte Debutalbum „Train“. Songs wie „I Am“, „Free“ oder „Meet Virginia“ liefen auf allen Rocksendern und schlugen gold- und platinveredelt in der Indie-Rock-Welt ein wie eine Bombe. Unfassbar tolle Songs, die bis heute nichts an ihrer Kraft und Eindringlichkeit eingebüßt haben.

2001 folgte das Zweitwerk „Drops Of Jupiter“. Die Songs darauf darf man durchaus noch als Alternative Rock bezeichnen. Der Titeltrack, der mit einem Grammy für den besten Rocksong ausgezeichnet wurde, lappte allerdings schon ordentlich in den Mainstream.

Bei „My Private Nation“ (2003) konnte man dann bereits erahnen, wo die weitere Reise hingeht. Nämlich weg vom gitarrenlastigen, akustischen Indie-Rock – hin zur radiotauglichen Popschiene mit Keyboardflächen und Streichern aus Samt und Seide.

Cool At The Pool With A Piña Colada!

Mit Hits wie „Hey, Soul Sister“ generierten die Poptitanen knapp 120 Millionen Aufrufe bei YouTube, mit „Drive By“ erreichten sie sogar 136 Millionen Klicks. Ihre Fangemeinde besteht aus mehr Menschen, als Deutschland, Österreich und die Schweiz zusammen Einwohner hat.

Wenn du die Massen begeistern kannst, dann hast du eben auch großen Erfolg. Zehn Millionen Alben und dreißig Millionen verkaufte Singles bestätigen das sehr eindrucksvoll.

Was sich bis heute nicht verändert hat, ist das Logo von Train – eine stilisierte dreizackige Königskrone, wie sie Kinder auf Geburtstagsparties gerne tragen. Ein Symbol für Spielfreude und Lust am Sich-Austoben und Neues-Entdecken-Wollen.

Und die Spielfreude hat sich die Truppe um Sänger und Gründungsmitglied Pat Monahan bis heute bewahrt. Die Songs des neuen Albums strotzen nur so von musikalischen Einfällen und die Musiker surfen sportlich-elegant durch die verschiedensten Genres.

Der erste Track „Drink Up“ ist eine schnelle Gute-Laune-Nummer mit Boy-Group-Attitude und „Play That Song“, die erste Single-Auskopplung hat die Grundausstattung um ein absoluter Superhit zu werden.

Einzige Vollentgleisung des Albums ist „Loverman“ mit den Textzeilen: „All Night Long I Wait For My Loverman, Wait For My Loverman, Wait For My Loverman, All Night Long I Wait For My Loverman, Cause Only My Loverman Can“. Das kann leider auch nicht der Duettgesang mit der zauberhaften Priscilla Renea retten. Notbremse!

Yeah! California! Here I Come!

Die Uptempo-Nummer „Lost And Found“ macht aber mit ihrem Summer-Life-Beach-Feeling alles wieder wett und die Ballade „You Better Believe“ kann sogar muskelstrotzende Freizeit-Body-Shaper in eine melancholische Stimmung versetzen, obwohl sie ein wenig klingt wie der Werbesong einer Großbrauerei.

Es ist halt wie auf Parties. Stehst du am Rand und schaust nur zu, kommst du schnell an deinen Point-Of-Frust und findest alles oberflächlich. Stürzt du dich aber ins Getümmel und legst deinen Intellectual-Code ab, kannst du Fun-All-Night-Long haben.

Kann gut sein, dass man sich irgendwann völlig verschwitzt auf einer Tanzfläche wiederfindet und lauthals bei „Crazy Queen“ mitsingt: Come On, Come On, Come On, Come On, Come On, Come On. (Sechs Mal hintereinander!)

Ist dieser Zug abgefahren? Wer weiß, vielleicht nimmt er ja nur Fahrt auf. Möglicherweise rattert er auch nach Nirgendwo. Aber das wäre ja dann schon wieder Indie. Oder wie?

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Axel Ganguin
Axel Ganguin hat ungeduldig die Alchemie der Worte studiert. In alten Büchern, in farblosen Flamingos, in einem Traumzauberbaum. Er hat sie in den Wolken gesucht. In Italien. Im Rotwein. Im Regen. Und manchmal geht er barfuß ins Bett. Er hat die Farbe der Vokale ausgespuckt wie eine tote Auster. Er schrieb ein Schweigen in die Glut und hat sich als Grafik-Designer erfunden. Axel trägt die Klamotten von Nick Drake auf und küsst die Nacht, bis der Spannungsbogen albern knistert. Axel lässt sein Vokabular für uns „mit unversehrtem, bösartigem Herzen, mit einer tyrannischen Unschuld“ zur Ader.