Der Typ ist schon ein Phänomen. In einem Spielfilm über sein Leben lässt er sich nicht durch einen Schauspieler darstellen, sondern durch einen von einem per Motion-Capture-Verfahren animierten Schimpansen. Das muss man erstmal bringen, das ist britischer Humor in Reinform. Die Erklärung für diesen Einfall ist typisch Robbie: „Ich weiß, ich weiß: Was soll die Sache mit dem Schimpansen? Na ja, ich hielt mich einfach immer für etwas … primitiver als andere.“ Robbie ist ein prima Primat. So weit so lustig, so lustig. Aber lustig war das Leben von Robbie Williams nicht immer. Rauswurf bei Take That, Exzesse und Drogenprobleme und das ständige Problem mit der Psyche, Stichwort Selbstzweifel. Wenn ein Künstler in dieser Liga spielt, dann ist es fast schon „normal“ und sogar nachvollziehbar, sich diese Frage zu stellen: „Öööh, kann ich das überhaupt noch? Wollen die Leute mich noch sehen?“ Das ist so wie bei einem Sternekoch, der sich seine Sterne erkocht hat und jetzt fürchtet, dass es keinem mehr schmeckt. Da möchte man ihm eigentlich nur zurufen. „Alter, du bist der Inbegriff von Entertainment. Lass es raus“. Hat er gehört. Die Show des „Primaten“ wird…
Affengeil
Doch bevor die Hauptspeise aufgetischt wird, gibt es Appetithappen von den Lottery Winners, einer britischen Indie-Rock-Band aus Leigh bei Manchester. Eigentlich ein geiler Name, positiv besetzt, das will doch jeder. Leider, leider ist Sänger Thomas Jack Rylance eine Labertasche und irgendwie auch nicht lustig. Der Sprechanteil, ist größer als der Musikanteil. So heizt man kein Publikum an. Lottery Winners haben den großen Lotteriegewinn gemacht, weil sie bei Robbie Williams Vorband sind, das hier ist aber nur ein „Dreier“, ohne Zusatzzahl.

Das wahre, das echte Leben von Robbie Williams hat wahrscheinlich erst mit seiner Familiengründung begonnen. Ehefrau und vier Kinder, das gibt Halt, das erdet. Mit einer Erdung fängt dieses Konzert allerdings nicht an, ganz im Gegenteil. Robbie Williams im Astronautenanzug betritt seine „Rakete“ und mit Rocket vom neuen Album „Britpop“ geht’s rockig ab in den Williamschen Orbit. Von Null auf Tausend in Schallgeschwindigkeit. Und der Schall in der ausverkauften Heinz von Heiden Arena ist formidabel. Sein Ensemble (Band und Sängerinnen ist 18-köpfig) liefert einen perfekten Soundteppich, menschliche Showeffekte als auch Animationen und Livebilder über riesige Leinwände. Michael Jackson, sagt er, habe irgendwann beschlossen, sich „King of Pop” zu nennen. Mister Williams arbeitet an seinem Titel als „King of Entertainment”. Bereits das zweite Lied bringt das Stadion zum Kochen. „Let Me Entertain You“ war, ist und wird immer der Dosenöffner für dieses Megaevent sein und bleiben. Die Menge tobt jetzt schon. Kann man das Steigern? Na sicher. Robbie Williams ist in Topform.

Neidlos muss man erkennen, der Typ sieht gut aus, schelmisches Lächeln, er kann tanzen und natürlich singen. Und ja, er ist ein Narzisst, aber er kann auch mit Menschen. Mit einer Marching Band macht er sich ganz nah an den Fans vorbei mit „Road to Mandalay“ auf zur C-Bühne. Coldplay hatte sowas, wollte er auch, hat er bekommen. Jetzt ist er Mittelpunkt in der Mitte des Stadions. Und hier dürfen auch noch mal Herr Rylance und Katie Lloyd mit Robbie performen „Relight my Fire“. Schon besser, dafür gibt’s die Zusatzzahl. Zurück auf der A-Bühne dann die ganz große Nummer. „New York, New York“ im pinken Anzug. Kann er tragen, passt sehr gut zu den in Gold gewandeten Sängerinnen. Sintara ist sein Vorbild.

I just wanna feel real love
Feel the home that I live in
′Cause I got too much life running through my veins
Going to waste
Die Kapelle hat jetzt einen fetten Bigband-Sound. „Love my life” ist eine Liebeserklärung an seine Frau Ayda Field und die vier Kinder. Sie sind sein sicherer Hafen. Irgendwann bedankt er sich bei seinem Publikum: „Thank you. You allowed me to be me”. Junge bleib so, alles gut. Und Humor hat er auch. Er unterhält sich mit einer jugendlichen Version seiner selbst auf den Leinwänden. Der junge Williams ist frech wie Bolle: „Alter Mann, du hast dich gut gehalten. Du siehst gut aus – für 60.“ „Hast du immer noch so einen kleinen Penis?“ Der wahre Williams schaltet ihn ab und grinst breit. Bei den Fans geht das Grinsen gar nicht mehr aus dem Gesicht. Die Hits kommen wie an einer Perlenkette: „ Rock DJ“, „Supreme“, „Something Beautiful“, “Millennium”, “Come Undone”. Die Fans singen lauthals mit.

Höhepunkt eines jeden Konzerts ist „She’s the One“. Ein Lied für eine einzige Frau im Publikum. And the winner is… Jessie aus Münster. „Du hast aber kräftige Hände“ sagt er zu ihr. „Machst du was mit Tieren?“ „Ja, ich habe 10 Pferde“. Grins. Die Frau ist sichtbar glücklich, ob des Ständchens. Sie busselt ihn mehrmals und will gar nicht wieder loslassen. Ob sie will oder nicht, sie muss. Denn jetzt kommt Sinatra 2.0. „My Way“ ist wie gemacht für Williams. Danach dürfen alle im Stadion nochmal alles geben. Erst „Feel“ und dann singt das handyhell erleuchtete Stadion zum Abschluss „Angels“. Gänsehaut. Das war ein geiler Abend mit dem King of Entertainment. Affengeil.

Galerien (by Torsten Volkmer bs! 2025):
Setlist Robbie Williams:

- Rocket
- Let Me Entertain You
- All My Life / Song 2 / Seven Nation Army / Rim Tim Tagi Dim / Livin‘ on a Prayer
- Minnie the Moocher (The Ho De Ho Song) / Land of 1000 Dances / Boom Boom Boom
- Rock DJ
- Love My Life
- Strong
- The Road to Mandalay
- Supreme
- Let Love Be Your Energy
- Sexed Up
- Candy (with The Lottery Winners)
- Relight My Fire (Dan Hartman cover) (with The Lottery Winners)
- Something Beautiful
- Millennium
- Come Undone
- Theme From New York, New York (John Kander cover)
- Kids
- Band Interlude / Satisfaction / Another One Bites The Dust / We Will Rock You / 99 Red Balloons / You Can Leave Your Hat On
- She’s the One
- My Way (Claude François cover)
- Feel
- Angels