Review: Talking to Turtles + Jakob Hummel (12.02.2015, Hannover)

Foto: Isabelle Hannemann
Foto: Isabelle Hannemann

Verabredung für eine goldene Nacht.
Talking to Turtles im Béi Chéz Heinz Hannover

Donnerstag, das weiß man in Hannover Linden, ist der Tag, an dem der Stadtteil zum Mekka vorglühender Halbstarker wird, die allwöchentlich versuchen mit dem eigenen Promillewert die Creditpoints wegzufeiern.

Fehlanzeige. Dieser Donnerstag verspricht eine goldene Nacht zu werden. Komplex7, die sich für zahlreiche, gemütlich genossene Konzertpralinen in der einstigen Kumpanei verantwortlich rühmen dürfen, haben den Hummel und die Turtles in den Keller Deines Vertrauens – das Béi Chéz Heinz Hannover – geholt und mit einfachsten Mitteln eine Atmosphäre geschaffen, in der sich zarte Melodien in wattebäuschiger Behaglichkeit einknistertern und sich bei gemütlichem Licht zuckrig über den Abend legen.

Foto: Isabelle Hannemann
Foto: Isabelle Hannemann

Neider spöttelt hinter vorgehaltener Hand ‚Muschikonzert’, und drücken damit ihr Unverständnis darüber aus, warum es junge schöne Menschen mit durchkomponiertem Erscheinungsbild, hippen Frisuren, leuchtenden Gesichtern, offenen Augen und Ohren so zahlreich an den Bühnenrand treibt, wenn Singer Songwriter wie der Leipziger Jakob Hummel bescheiden in die Klampfe greifen und ein zartes Lied mit warmen Tönen und ohne jegliches Tamtam in den Raum pflanzen.

Hummel klingt nicht wie der Ossi, als der er sich vorstellt, er klingt bescheiden, redet nicht ein unnötiges Wort. Ganz groß taumeln diese Melodien und Lyrics daher. Im Gepäck hat er keinerlei Akzent und ganz viel Potential. Keine Überraschung, sagt der Kenner. Die hübschen Menschen summen mit ihm, seiner Gitarre und Jörg Blumenstein an der Violine.

Könnte der Abend noch zarter werden?

Rhetorische Frage.

Schildkröten flüstern

aus niedlichen Nüstern

und diese die singen

von goldigen Dingen.

Florian Sievers und Claudia Göhler also known as „Talking to Turtles“ erscheinen als Schatten. Ins Dunkel der Bühne gehüllt wagen sich TtT – Song für Song – nicht nur visuell in immer hellere und wärme Areale vor. Von tiefster Melancholie zu goldenen Klangfarben spielen sie mit überraschenden Arrangements und schrägen Details, bis alles schwebt.

Finn-Ole Heinrich, der gewiss niemals zu Katzenjammer aus der Schublade tanzen würde, würde TtT sicherlich in keine Kommode packen, denn ihre Lieder, so weiß der Poet, seinen wie Einladungen, die dazu anhielten, „in ihnen Platz zu nehmen, darin zu tanzen, sich auszustrecken, hinzulegen. Solche Lieder: kitzelnde, lächelnde Lieder. Klare Lieder, leicht und licht und immer ernst. Lieder, die hüpfen und Spiele spielen. Funkeln, Leuchten, Feuerwerk.“

Aus zwei mach drei, mach vier gewinnt die Herzen Hannovers. TtT, Hummel und Blumenstein, Violine und Viola, ein Song im Quartett, eigentlich ist alles zu perfekt.

Foto: Isabelle Hannemann
Foto: Isabelle Hannemann

„I hope we won’t forget

to spend some days with only

sex, coffee & cigarettes“

Das Bonmot des Abends: Wer den Genuss dieses Konzerts mit fernen Freunden teilen will, kann vor Ort einen Gästelistenplatz für die noch anstehenden Städte der Tour erstehen und den/m so bedachten lieben Menschen eine persönliche Nachricht über die Band zukommen lassen. Der Turtle steckt eben im Detail.

Links:
www.talkingtoturtles.de
www.komplex7.de

Isabelle Hannemann
Isabelle Hannemannhttp://www.isabellehannemann.net
Die missratene Hypotaktikerin wird als Redakteurin Schrägstrich Fotografin bei be subjective! geduldet, hat versucht sich als freie Autorin und Herausgeberin verschiedener Artikel und Bände im Bereich der kritischen Sozialwissenschaft für Suchmaschinen selbst zu optimieren und will – wenn sie groß ist – mal sehen. Künstlerisch als Autorin und Fotografin mit diversen Bands und AutorInnen zusammenarbeitend, Texte zu Papier, Gehör und auf die Bühne bringend. Na dann Prost Mahlzeit!

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