Review: Le Butcherettes bringen den Punk auf den Punkt (18.03.2018, Dresden)

Es gibt auf ARTE seit über 20 Jahren eine sehr bekannte Sendung für alternative Popkultur mit dem Namen „Tracks“. Wie etliche andere Bands zuvor habe ich in einem Beitrag 2016 Le Butcherettes entdeckt, als sie ihr drittes und immer noch aktuelles Album „A Raw Youth“ in Europa vorgestellt haben, auf dem neben John Frusciante auch ein gewisser Iggy Pop einen Gastauftritt hat. Schon damals quasi ein Ritterschlag vom „Mr. Punk“ himself.

KEIN GEHEIMTIPP MEHR

Schon auf der Platte zuvor, „Cry Is For The Flies“, konnte die Band mit Shirley Manson und Henry Rollins zwei prominente Features für die Aufnahmen gewinnen. Zudem haben Le Butcherettes für einige bekannte Bands wie zum Beispiel The Dead Weather, Queens Of The Stone Age, Faith No More, The Stogges, The Mars Volta oder gerade erst kürzlich für At The Drive-In Shows eröffnet. Was allerdings nicht weiter verwundert, schließlich ist Omar Alfredo Rodríguez-López als Produzent aller drei LPs von Le Butcherettes, bei den etlichen Wechseln im Line-Up der noch jungen Bandgeschichte, die einzige Konstante. Jetzt mal abgesehen von Frontfrau und Sängerin Teresa Suárez Cosío aka Teri Gender Bender. Sie wiederum hat schon bei Bands von Rodríguez-López (Bosnian Rainbows, Omar Rodriguez Lopez Group) mitgewirkt. Ebenso aktuell bei der sogenannten Super-Group Crystal Fairy, deren anderen beiden Mitglieder sind Buzz Osborne und Dale Crover von den Melvins. Mit Melvins haben Le Butcherettes die Split-EP „Chaos As Usual“ auf deren gemeinsamen Label Ipecac Recordings (mitgegründet von Mike Patton) 2015 veröffentlicht.

Nun eigentlich kein Geheimtipp mehr und eigentlich ebenso schon genügend Gründe zum Reinhören in die Musik von Le Butcherettes. Außerdem wird die Live-Performance von Bandchefin Teri Gender Bender mit Shows von Björk, PJ Harvey, The Kills, Yeah Yeah Yeahs bzw. früheren Auftritten von Patti Smith, L7 oder auch Bikini Kill verglichen. Und die spielen nun hier vor Ort in Dresden?! Tatsache und zudem noch in meiner favorisierten Lieblingsloklität, also auf geht’s…

BEATPOL – THE PLACE TO BE

Hier angekommen, kurz nach neun Uhr am Abend, spielt der Support-Act The Noisy Blacks schon ihren ersten Song. Aber, ähmm, es stehen kaum Leute vor der Bühne, einige sitzen links bzw. rechts am Rand, dafür in der Mitte ziemliche Leere. Im Treppenhaus war nicht mehr viel los und draußen stand auch keiner mehr zum Rauchen (welch Wunder bei Minus fünf Grad kurz vor kalendarischem Frühlingsanfang).

Wo sind all die Freundinnen und Freunde des alternativen Musikgeschmacks von Dresden samt Umland!?? Veranstaltung in anderer Lokalität, egal und vor allem f*** off Tatort – here’s the place to be!

The Noisy Blacks (Foto: Kristin Hofmann bs! 2018)

Die Vorband aus Hannover stellt ihre Songs, u.a. vor der selbst betitelten und kürzlich wieder veröffentlichten EP „The Noisy Blacks“, als Akustik-Duo vor. Normaler Weise sind die Alternative Rocker zu viert unterwegs und beim vorherigen Anhören zu Hause stach besonders die Sängerin mit ihrer markanten Stimme hervor. Ich war also gespannt auf die Live-Umsetzung, nun also unplugged und ohne Drums. Ich persönlich bin nicht wirklich ein Fan solcher Geschichten, vor allem nicht in Steh-Spielstätten. Aber okay, musikalisch ist das natürlich was anderes und als Support tritt man damit nicht in Konkurrenz zum Main-Act.

The Noisy Blacks (Foto: Kristin Hofmann bs! 2018)

Aber das Aufwärmen und Stimmung anheizen des Publikum als Vorband funktioniert damit nicht wirklich, was meiner Meinung nach nicht an den Songs an sich liegt, sondern an der gewählten Darstellungsform. Viel umzubauen gibt es dadurch nicht. Alle Instrumente und Gerätschaften von Le Butcherettes stehen schon bereit. Einige im wiederentdeckten bzw. wiederhergestellten Orange-Farbton und andere mit Tüchern verziert, in leuchtenden, bandtypischen Rot.

„DRESS OFF“

Es dauert dann doch noch eine gute halbe Stunde bis es los geht und Le Butcherettes aus dem Backstage, einmal quer durch den Saal, zum Bühnenaufgang kommen. Angeführt von Teri Gender Bender mit ihrer aktuellen Bandbesetzung Alejandra Robles Luna (Drums) und Riko Rodríguez-López (Bass/Gitarre, Sampler).

Le Butcherettes (Foto: Kristin Hofmann bs! 2018)
Le Butcherettes (Foto: Kristin Hofmann bs! 2018)

Schon der erste Song „Witchless C Spot“ knallt richtig rein und legt die Messlatte für alles noch Kommende fest. Wenn der Bandname Le Butcherettes nicht schon für sich spricht, dann vielleicht solche Titel wie „Demon Stuck in Your Eye“ und „The Devil Lived“ oder „They Fuck You Over“ bzw. „I’m Getting Sick Of You“. Riko hält sich mit seinem Gitarrenspiel am rechten Rand der Bühne, eingegrenzt von Sampler und Verstärkern, dezent zurück und überlässt den beiden Damen den restlichen Platz. Alejandra holt mit ihren Sticks zwar alles aus dem Trommeln und Blechen heraus, kann ja aber nicht vom Schlagzeug weg und somit hat Teri quasi den Hauptteil der Bühne für sich. Den braucht sie auch, wechselt ständig zwischen den beiden Mikros am Keyboard bzw. dem Standmikrophon in der Mitte hin und her. Oder gestikuliert sehr theateresk um sich, wenn sie nicht gerade wie wild die Saiten ihres Instruments bearbeitet – der Begriff Werkzeug oder Arbeitsgerät beschreibt dies noch besser.

Sie singt und spielt jedenfalls nicht nur jeden ihrer Songs, sondern spürt, lebt und atmet jeden Einzelnen auf der Bühne.

Le Butcherettes (Foto: Kristin Hofmann bs! 2018)

Passend dazu in einem Handwerkereinteiler gekleidet und einen roten Querstreifen auf Augenhöhe geschminckt – klare Kampfansage. Die Anwesenden im zum Drittel gefüllten Saal vom Beatpol feiern Le Butcherettes und applaudieren kräftig nach jedem Song. Bei „Dress Off“, intoniert nur mit einem Drum-Solo, reicht Teri Gender Bender dann nicht mal mehr der Platz auf der Bühne und sie steigt runter ins Publikum, tanzt wild umher und zieht den Arbeitsanzug aus. Zum Vorschein kommt das für sie typische, als Wiedererkennungsmerkmal gewordene Kleid in Feuerrot und weiter geht die Punk-Rock-Show. Hier ist nicht das typische 3-Akkorde-3-Minuten-Punk-Klischee gemeint, sondern Punk als Haltung und Standpunkt. Ganz gleich ob kurze rockige Nummern wie „Bang!“ und „Boulders Love Over Layers Of Rock“ oder die längeren, mit Orgeltönen angereicherten Tracks wie „Spider Waves“ bzw. „The Leibniz Language“. Leider sind alle Ansagen zwischendurch auf spanisch, wovon – zumindest ich – kaum ein Wort verstehe, no lo entiendo.

UND WO WART IHR HEUTE ABEND

Nach einer einer guten dreiviertel Stunde verabschieden sich die Musiker vom Publikum und gehen wieder quer durch den Saal und den begeisternd klatschenden Anwesenden. Aber dann geht auch noch das Licht an und es ist Schluß, anscheinend ganz Schluß, keine Zugabe! Puhh, krass – keine Ahnung ob das so geplant ist, schließlich haben die LPs von Le Butcherettes auch nur eine Gesamtspielzeit von 40, 45 Minuten. Auf der Setlist steht stehen ebenso keine Encore-Songs drauf. Oder lag es doch am eher schlecht besuchten Konzert an sich!?

Le Butcherettes (Foto: Kristin Hofmann bs! 2018)

Also liebe DresdnerInnen, wo seid ihr alle heute Abend gewesen – das geht besonders an die über 10000, die Ende Juni dieses Jahr am Elbufer bei Queens Of The Stone Age vor der Bühne stehen werden. Die hatten auch mal den Spirit, den Le Butcherettes gerade eben auf der Bühne zelebriert haben. Hier gab es jedenfalls, das sogenannte „The Next Big Thing“ zu sehen. Ganz gleich ob als Support-Act oder Le Butcherettes als Hauptband – unbedingt hingehen und ansehen. Es wird großartig werden, dies können Alle bestätigen, welche heute Abend im Beatpol waren und dank der Veranstalter dieser Lokalität hat der altehrwürdige Saal eine weitere tolle Band in Szene setzen können und ebenso einen weiteren Eintrag der eigenen „Hall Of Fame“.

Galerien (by Kristin Hofmann bs! 2018):

Le Butcherettes (Foto: Kristin Hofmann bs! 2018)

Setlist:

 

  1. Witchless C Spot
  2. Burn The Scab
  3. Demon Stuck In Your Eye
  4. The Devil Lived
  5. Boulders Love Over Layers of Rock
  6. They Fuck You Over
  7. I’m Getting Sick Of You
  8. Stab My Back
  9. Dress Off
  10. The Leibniz Language
  11. Bang!
  12. Your Weakness Gives Me Life
  13. Spider Waves
  14. La Uva
  15. Henry Don’t Got Love

Weiterhören:

  • Le Butcherettes
    „A Raw Youth“; „Cry Is For The Flies“; “ Sin Sin Sin“ & „Kiss & Kill“ (EP)
  • The Noisy Blacks
    „The Noisy Blacks“ (EP)

Links:
www.lebutcherettes.net
www.thenoisyblacks.com
www.beatpol.de

Veranstalter:
Karsten Jahnke Konzertdirektion GmbH

Tobias Richter
Tobias Richterhttps://www.facebook.com/mischband/
Jeder sollte einen Tobi haben. Keiner von uns hat ihn je gesehen, der Typ ist einfach zu groß und artig, der schmeißt aufgeblasene orange Dinger in Einkaufsnetze und - wie man so hört - muss sich der Ü190 Hüne dafür bücken. Eat Sleep Ball Repeat. Ansonsten ist ein Tobi einer, der Kassetten professionell aufwickeln kann, "der immer Ärger macht, der Streiche spielende Anstifter, der, der süchtig nach Furcht ist, ein Sinnbild für Gefahr." Jeder sollte einen Tobi haben. Und eine B-Seite.

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