Review: 10 Jahre Metal Hammer Paradise (2023)

Es ist wieder November und der Norden lockt erneut mit harten Riffs an der Ostsee. Der Weissenhäuser Strand öffnet wieder seine Pforten zum 10. Metal Hammer Paradise und viele hartgesottene Fans reisen an, um dieses Spektakel mitzuerleben.

Impressionen (Foto: Olaf Räwel bs! 2023)

Auch in diesem Jahr ist das mit dem Parken so eine Sache. Gefühlt wird es von Jahr zu Jahr schlimmer. Hinzu kommt, dass viele Apartments und Bungalows noch nicht fertig sind. Liegt wahrscheinlich am Personalmangel der Reinigungsfachkräfte. So wurde zumindest berichtet.

Dieses hat zur Folge, außerhalb auf den Wiesen zu parken und sich mit seinen Habseligkeiten den Weg durch das Ferienresort zu Bahnen. Entsprechend kommt es schon vor die eine oder andere Band zu verpassen. Aber das ist auf einem Festival ja nicht unüblich.

Dog Eat Dog (Foto: Olaf Räwel bs! 2023)

Während Screamer noch mit ihrem 80er Jahre Metal diese Zeit im Ballroom hochleben lassen, sind Dog Eat Dog auf der Maximum Metal Stage schon 10 Jahre weiter. Wie im letzten Jahr schon Clawfinger, bringen die Jungs von der US-Ostküste den Crossover zurück in die Metal-Landschaft. So geht es mit fettem Sound, gekonnten Saxophonklängen und Klassikern wie No Fronts und Who´s The King? los. Ein gelungener Einstieg in das Wochenende.

Nun steht schon die erste Entscheidung an. Brunhilde in der Riff Alm oder Nervosa im Ballroom. Hier muss dann der Musikgeschmack entscheiden. Alternativ Punk-Metal oder knallharter Thrash. Nervosa, jedenfalls, zerlegen den Ballroom in Schutt und Asche. Aber das war auch nicht anders zu erwarten. Im Zelt erklimmen inzwischen die Power-Metaller Orden Ogan die Bühne. Der Sound sehr gut ausgesteuert, so haben die Veranstalter aus den vorigen Jahren gelernt. Hoffentlich bleibt es so.

Amorphis (Foto: Olaf Räwel bs! 2023)

Leider müssen Death Angel für dieses Jahr ganz kurzfristig aus Gesundheitsgründen absagen. Dementsprechend ist die Zeit zu knapp eine Alternative zu schaffen. Es mag zwar etwas gemein klingen aber dadurch profitieren die nachfolgenden Akts. Sowohl Amorphis auf der Maximum Metal Stage wie auch Erik Cohen dürfen sich über volle Hütten freuen. Amorphis im blauen Licht gehüllt und Nebel unterspült. Es wirkt wie ein japanisches Schattenspiel vor gleisenden LED-Leinwänden. Unterstreicht aber die musikalische Songauswahl. Wem dieser Folkmetal zu sphärisch klingen mag, geht in die Riff Alm um sich etwas groovigeren Metal bei Lost Society einzuverleiben.

Zum Thema Einverleiben darf man bei dem ganzen Treiben auch das Essen nicht vergessen. Der Hopfen füllt zwar auch den Magen, aber es gibt auch viele Köstlichkeiten auf dieser Veranstaltung. Zudem das Bier inzwischen utopische Preise angenommen hat!

6,50 EUR + 2,00 EUR Pfand sind eigentlich schon einen Frechheit

Aber nun sind die Highlights des Abends dran. Sólstafir im Ballroom überzeugen nicht nur durch ihre ganz eigene Art Post Metal zu interpretieren, sie werden auch mit einem brillanten Klang begleitet. Hier mal ein ganz dickes Lob an die Soundtechniker. Den Abschluss machen Kreator die es tatsächlich geschafft haben das Verbot von offenem Feuer im Zelt zu umgehen. Wie groß mag der Einfluss sein dieses durchzusetzen?

Sólstafir (Foto: Olaf Räwel bs! 2023)

Auf jeden Fall auch hier ein fetter Sound und so fällt es Mille auch nicht schwer, die begeisterte Menge zum Croudsurfen, Circlepit und sogar einer Wall of Death zu animieren. Über die einzelnen Songs von Kreator brauch man eigentlich keine Worte verlieren, aber hier ist sie, die Horde des Chaos!!!

Wer dennoch den Hals nicht vollbekommen hat geht, schwankt oder ggf. kriecht noch ins Motörhütt zur Aftershowparty. Hier spielen die DJs vom Ballroom Hamburg noch die Bestseller of Hard & Heavy auf.

Kreator (Foto: Olaf Räwel bs! 2023)

Der nächste Morgen gestaltet sich abwechslungsreich. Nicht nur vom Wetter her. Auf dem Weg zum Brötchenholen kommen einem die verschiedensten Gestalten entgegen. Die einen mit großen Brötchentüten und was man noch so zum Frühstück braucht, die anderen die kaum noch die Bierdose in der Hand halten können. Bei denen man sich fragt, ob sie noch unterwegs sind oder schon wieder. Wer es noch schafft, genießt die spärlichen Sonnenstrahlen und pilgert zum Strand, um die neu gestaltete Seebrücke zu bewundern. Denn, sein wir mal ehrlich, die Ostsee ist doch der eigentliche Headliner bei diesem Event. Auch wenn die Seebrücke noch Baustelle ist, wurden die Bauzäune für die Festivalbesucher/innen geöffnet. Und so strömen sie um diese schöne Natur zu bewundern. Zum Aufwärmen gibt es dann Kaffee, Kakao und einiges mehr auf dem Vorplatz der Galerie.

Impressionen (Foto: Olaf Räwel bs! 2023)

Gegen Mittag gibt es zuerst mal den Veranstaltertalk. Hier erklärt Stephan Tannscheidt, Geschäftsführer von FKP Scorpio, seine nicht enden wollenen Diskussion mit der Stadt Wangels bzgl. der Pyrotechnik bei dem Kreator-Konzert. Auch Sebastian Kessler ist mit dabei und sammelt Wünsche für die Bands 2024. Des Weiteren in dem gesteckten Rahmenprogramm gibt Britta Görtz (Hiraes) einen Vocal-Workshop, Wind Rose Gitarrist Claudio Falconi erklärt seine Riffs und der Spiegel Bestsellerautor Dr. Nico Rose liest aus seinem aktuellem Buch.

Und schon geht es weiter. Die Band Erdling sind mittags die ersten im Ballroom. Die Formation um Sänger Neil Devin zeigen gleich in Perfektion wie man den Tag mit Darkrock beginnt. Ebenso auf der Maximum Metal Stage, auf der Freedom Call ihren selbsternannten Happy Metal zum Besten geben. Irgendwie scheint nun tatsächlich in den Lokationen Einklang im Sound zu herrschen. 10 Jahre sind ja nun auch eine lange Zeit des Lernprozesses.

Mob Rules (Foto: Olaf Räwel bs! 2023)

Nun spielen Mob Rules im Ballroom. Inzwischen machen sich, an diesem frühen Nachmittag, schon bei manchen Gästen gewisse Defizite im Bewegungsapparat bemerkbar. Diese werden, netterweise, von der Security sorgsam nach draußen begleitet. Mit All For Metal gibt es was fürs Auge. Die beiden gut gebauten Sänger Tetzel und Calanna geben auf der Bühne ihr Bestes und liefern eine grandiose Show. Mit den zwei Tänzerinnen bekommt auch die männliche Bevölkerung was zu sehen. Musikalisch gesehen erinnert es doch sehr an eine Band, die mal behauptet hat, die lauteste der Welt zu sein.

Wolfheart (Foto: Olaf Räwel bs! 2023)

Die Finnen von Wolfheart, mit ihren interessanten Mikroständern, walzen mit ihrem Death Metal Folk den Ballroom nieder. Hier gibt es kein Nacken, der nicht in Bewegung ist und am Abend schmerzen dürfte. Dasselbe gilt für das Zelt bei Destruction. Hier gibt es vom ersten Riff an voll eins zwischen die Hörner. Hier gibt es keine Gefangenen und auch keine Gnade. Derber Thrash der einem gehörig den Hintern versohlt.

Etwas mehr Pop-Attitüden kommen jetzt im Ballroom zum Einsatz. Mit Ad Infinitum betritt Melissa Bonny eher die seichteren Bereiche dieses Genres. Die spärlich eingesetzten Growls können zwar Kontraste setzen, nur täuscht es nicht über den gesamten Musikstil hinweg. Trotzdem ein schöner Auftritt mit einer klasse Frontfrau.

Es ist halt der Mensch gewordene Wahnsinn, wenn Stumpen mit seinen Mannen die Bühne betritt. Zuerst noch in einer Art Pyjama gekleidet, aber man weiß, dass eigentlich seine Tattoos sein Outfit sind. Wie ein Derwisch tobt er über die Bühne und zieht gleich das Publikum in seinen Bann. Aber bei Deutschlands meiste Band der Welt war das ja auch klar. Ist halt Knorkator!

Knorkator (Foto: Olaf Räwel bs! 2023)

Im Anschluss warten die italienischen Zwerge auf. Ganz in Tolkiens Manier berichten Wind Rose musikalisch über Kriege mit Elfen und Zwergen und weitere Geschichten aus den Fantasiewelten.

Phil Campbell And The Bastard Sons (Foto: Olaf Räwel bs! 2023)

Aber nun kommt worauf sich jede/r insgeheim gefreut hat. Phil Campell And The Bastard Sons spielen die alten Motörhead Klassiker. Das Zelt ist zum Zerbersten voll und leider muss die Security aufgrund von illegal mitgebrachten Getränken doch mal wieder eingreifen. Mögen diese Getränkeüberschreitungen wohl an den Bierpreisen liegen? Trotz allem ein absolut genialer Auftritt inklusive ein paar Coversongs, wie God Save The Queen und Heroes.

Highlight Im Ballroom an diese Abend sind wohl Rage. In gekonnter Tradition schmettern sie ein volles Brett in das Publikum und haben noch Spaß dabei. Mit fettem Sound, einer Menge Energie und viel Spirit neigt sich der Abend hier im eigentlichen Konferenzraum dem Ende.

Der letzte Gig an diesem Abend sind Epica. Die Bühnenpräsenz von Sängerin Simone bedarf wohl keiner Worte. Sie wird nur übertroffen von dem beleuchteten Logos in den Mikrofonsockeln. Aber dennoch ist nach wie vor die Musik ausschlaggebend. Dennoch muss Coen Janssen erwähnt werden, der anfangs, wenn auch nur im Hintergrund, mit seinem Keyboard (auf Rollen) von der einen Bühnenseite zur anderen läuft und es zeitweilig auch dreht wie ein Brummkreisel. Für einen Keyboarder mal etwas anderes. Zusätzlich kommt er mit einem tragbaren, halbrunden Instrument nach unten und scheint mit Simone so einen Dialog zu führen. In Zeiten wo Sänger/innen und Gitarrist/innen immer die Aufmerksamkeit an sich ziehen, ist es so mal ein neues Bild. Chapeau!

Epica (Foto: Olaf Räwel bs! 2023)

Auch an diesem Abend gibt es wieder eine Aftershowparty, die aber für die Fahrer nicht so ausschweifend sein sollte. Denn bis 12:00 Uhr muss man die Zimmer verlassen haben. Und bei der Menge an Fahrzeugen, die das Gelände verlassen und die Autobahnen bevölkern sollte man sich dieser Verantwortung bewusst sein. Es war trotzdem wieder ein schönes Festival zum Abschluss des Jahres und das nächste Jahr wird kommen.

Galerien (by Olaf Räwel bs! 2023):
Metal Hammer Paradise 2023

Links:
Metal Hammer Paradise

Olaf Räwel
Olaf Räwelhttps://www.be-subjective.de/
Olaf ist ein mediterran Scharfmacher sondergleichen. Seine Texte sind gewürzt mit den Tränen derer, die auf seiner heimischen, eigenhändig veredelten Chili-Plantage, den Mund zu voll genommen haben. Wenn er sich nicht gerade Live- oder Gaumenerlebnisse scharfzüngig zergehen lässt, jongliert Olaf mit sündhaft teuren Designmöbeln, erfindet die daoistische Harmonielehre neu und verbindet seine ästhetischen Leidenschaften mit Spaß. Olaf, so vermuten wir, ist eigentlich ein Akronym für Ordinary Lover of Art and Flavouring. Genug Rumgeräwelt. Das Spicegirl is(s)t scharf.

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