Deine Lakaien: Indicator (2010) Book Cover Deine Lakaien: Indicator (2010)
Melanie Siegert
Chrom Records
16.09.2010
www.deine-lakaien.com

Tracklist:

  1. One Night
  2. Who`ll Save Your World
  3. Gone
  4. Immigrant
  5. Blue Heart
  6. Europe
  7. Along Our Road
  8. Withour Your Words
  9. Six O'Clock
  10. Go Away Bad Dreams
  11. On Your Stage Again
  12. The Old Man Is Dead

Es ist schon erstaunlich, wie mehrere Epochen, die Zukunft, Traumwelten, Realitäten, musikalische Charaktere und sämtliche menschliche Emotionen in so ein kleines Ding passen. Das neue Album von Deine Lakaien hätte keinen passenderen Titel als „Indicator“ bekommen können. Die beiden Dark-Wave-Avantgardisten Alexander Veljanov und Ernst Horn haben im September 2010 nach fünf Jahren Pause ein sehr beeindruckendes und schillerndes Zeichen mit diesem Werk gesetzt.

In diesen fünf Jahren ist viel passiert – zum 20-jährigen Jubiläum 2007 schenkten Deine Lakaien sich und den Fans eine große Orchester-Tour mit der Philharmonie Frankfurt, mit der Ernst Horn zu seinen musikalischen Wurzeln zurückkehrte. Nach dieser größten bisherigen Liveumsetzung entschied man sich 2009 dann für die kleinstmögliche Variante und ging auf Akustiktour mit einem präparierten Flügel - mit Flaschen, Stöcken und Schrauben. Kreatives Kontrastprogramm.

Beide widmeten sich vor allem aber auch intensiv ihren Solo-Projekten. Veljanov verbrachte viel Zeit in seiner zweiten Heimat Mazedonien und brachte 2008 sein drittes „Veljanov“-Album „Porta Macedonia“ mit. Ernst Horn arbeitete mit seiner Band „Helium Vola“ und brachte 2009 das Album „Für euch, die ihr liebt“ heraus. "Das ist so wichtig für mich, und ich denke auch für Alexander. Das sind andere Leute die man sieht, ein anderer Musikstil, eine andere Art zu arbeiten. Da hat man dann die Katharsis, die man braucht. Eine Beschränkung auf eine einzige Sache wäre mir viel zu wenig." erzählt Horn.

Sie verwirklichten Ideen und legten dadurch eine positive persönliche und musikalische Entwicklung hin, die nicht nur hör-, sondern auch fühl- und sichtbar ist. Das neue Album ist anders. Noch immer unverkennbar Deine Lakaien, aber genau wie Veljanov in „On our road“ singt – „Older, wiser, but still we are these fighters.“

Musikalisch wie textlich bedeutet das: Mehr Stärke durch Gelassenheit. Kompakte, ästhetische Klangteppiche und mutige Offenheit in den Themen. Kein verstecken, kein umschreiben. „Die starke Metaphernwelt, die frühere Alben dominiert hat, weicht einer poetischen und politischen Direktheit, die in diesem Maße nie bei uns stattfand“, bestätigt Veljanov.

Deine Lakaien entführen mit ihrem neuen Album hinaus in ihre Welt und Sie teilen ihre persönlichen Eindrücke und Empfindungen gewohnt tiefgründig und ungewöhnlich klar mit. In diesem Album geht es neben der Liebe um ganz aktuelle politische und menschliche Themen. So wird auf humorvolle Weise bei „Who'll save your world“ die Frage nach Eigenverantwortung und Ebenbürtigkeit gestellt.

Aber nicht nur, dass sich an ganz neue Themen herangewagt wurde – sogar unabhängig voneinander haben sich Veljanov und Horn mit dem Thema Immigration beschäftigt: „Immigrant“ von Horn beschreibt die Geschichte eines afrikanischen Immigranten, der nach Europa kommt, um seinen Clan zuhause zu ernähren, dann aber nur auf Ablehnung trifft.

Verschwimmende Grenzen durch ein multikulturelles Europa werden deutlich und zukunftsweisend in Veljanov's französisch-und englischsprachigen „Europe“.

Natürlich kommt auch die Liebe nicht zu kurz, das Thema das Deine Lakaien schon immer am liebsten und am tiefgehendsten umgesetzt haben. Mit viel Wärme, vielen Klangfarben, versponnener Melancholie und tröstlich klaren Abhandlungen erzählen Veljanov und Horn von Verlust, Loslassen und sehnsuchtsvoller Einsamkeit. Das sehr gefühlvolle und facettenreiche „Without your words“ zeigt auf süße poetische Weise die erschaffende Abhängigkeit einer Verbindung auf - Without notes, no more chords...

Auf seine ganz besondere Art und mit unverwechselbarer Stimme verleiht Alexander Veljanov allen Stücken eine schon fast unerträgliche, weil wunderbare Tiefe und Leidenschaft. Das Gesangsinstrument hat sich weiterentwickelt und erreicht auf „Indicator“ außergewöhnliche Dynamik und Harmonie. Zusammen mit barocken und folkloren Einflüssen, wuchtigen Drums, lebendigen und emotionalen Instrumenten, treibenden Beats, sorgfältig ausgeklügelten und fantasievoll verknüpften elektronischen Effekten sind hier viele Erlebnisse genannt, jedoch noch längst nicht alle, die man auf diesem Album finden kann.

Ein wahrhaft avantgardistisches Kunst- und Kulturwerk, wie ich finde.

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Torsten Volkmer
Volkmr, der Gründer des ehemaligen Goth-Zine.de, verdingt sich „selbst und ständig“ als Linsenputzer bei volkmr fotografie ihm seine Knipsklitsche, hat sich als Chefredakteur 2.0 selbst recycelt, die Metalfriese abgeschüttelt und kämpft mit be subjective! erfolgreich gegen hausgemachte Langeweile, Schubladendenken und seine Profilneurose an. Manchmal darf er auch die RedakteurInnen rumfahren oder Wassereis abstauben.