Man erlebt doch immer wieder sein blaues Wunder, macht also Bekanntschaft mit einer für ihn unliebsamen Überraschung. Das gilt auch für die Band tiefblau aus Hannover. Da steht am Freitag in der Zeitung unter Veranstaltungstipps ein kurzer aber ansprechender Text mit dem Hinweis auf das Konzert der Band. Sehr geil. Und jetzt die Überraschung: leider wurde statt Samstag, 18.10.2025 der 17.10.2025 angegeben. Supergau. Wahrscheinlich standen Tausende von Fans am Freitag vorm Musikzentrum und mussten unverrichteter Dinge wieder gehen. Und das tief enttäuscht und fluchenderweise. „tiefblau?, nie wieder, morgen gehen wir zum Gabalier“. Oh Gott, alles nur das nicht, denn sie verpassen was…
Das blaue Wunder ist blond

Wenn man sich so auf einen Konzertabend vorbereitet, hört man auch mal rein was die Vorband so im Repertoire hat. Und hey, ja , Leon Ladwig und die Space Boys kommen aus Hannover und spielen Country und der Song „Alles Scheiße außer Country“ und auch einige andere Lieder sind durchaus ansprechend. Die Nummer kommt auch gleich als erstes, doch der Song kommt live gar nicht gut. Zu langsam, ohne Druck. Schnarch. Das Publikum is not amused. Auch die folgenden Songs sind rein musikalisch gesehen (Texte sind ansprechend), mit Verlaub erotisch wie Fußpilz, Stimmung kommt da nicht auf. Aufhören, bevor es peinlich wird, das denkt wohl auch der Godfather of German Country Gunter Gabriel (möge er in Frieden ruhen), und schickt ein Zeichen, anders kann man das nicht erklären. Ping. Gitarrensaite gerissen. Ruhe im Saal. Oh oh. „Hallo, ihr Menschen von tiefblau, habt ihr vielleicht noch eine Gitarre“ bittet Ladwig. Und ratzfatz wird aus dem reichhaltigen tiefblau-Fundus eine Gitarre gezaubert, eingestöpselt, gestimmt und siehe da, der Sound ist gleich viel, viel besser. Jetzt kann Ladwig doch noch ein paar seiner Trucker-Lieder, aber ohne Truck (sein Running Gag), zum Besten geben. Das Beste kommt dann zum Schluss: „Ich werd gesucht in Bremerhaven“. Von wem ist wohl dieses Lied? Na? Der Gunter macht alle wieder munter.

Ich werd′ gesucht in Bremerhaven, ich werd‘ gesucht in Wuppertal.
Ich kann nachts nicht ruhig schlafen, denn man sucht mich überall.

Jetzt muss aber schnell mal was richtig Feines auf die Ohren und das ist zum Glück schnell gemacht. tiefblau aus Hannover, 11 Menschen, 1 Leidenschaft, Hannover Soul. Die Aufstellung ist wie immer: links die Bläserfraktion, davor am Keyboard Tobi, dann hinten mittig das Schlagzeug, daneben Bass und etwas weiter vorne rechts die Gitarre. Daneben die Ladies vom Background und im Vordergrund Sänger Dirk Nerschbach. Was als erstes auffällt? Alle in Beige gekleidet. Oha, droht da etwa eine Umbenennung von tiefblau in tiefbeige? Beige ist ja rein modisch gesehen, sehr angesagt. Aber halt nur eine Mode, also irgendwie was Temporäres. tiefblau hingegen ist etwas forever, direkt auf dem Weg zum Kult und heute führt sie dieser zum Jahreshöhepunkt ins Musikzentrum Hannover. Heimspiel. Und der Saal ist voll, man sollte halt nur nicht nach oben zum Balkon schauen. So ungefähr zirka 200 Fans sind vor Ort und bereuen nichts, wie immer halt. Hier spielt die Musik, die richtig gute Musik. Altes, ganz Altes und auch Einiges an neuem Material hat tiefblau auf Tasche. Taschen gibts beim Merch-Mann Rob Robson übrigens auch zu kaufen. Alles Unikate und mit Liebe gebügelt.

Mr. Robson ist kaum wiederzuerkennen. Ohne Bart, ohne Bademantel dafür mit Hut und Jackett hat er seinen Stand im Griff. So auch Sänger und Frontmann Dirk Nerschbach das Publikum und seine Band. Souverän führt er durch den Abend, ist trotzdem immer nur Teil des Ganzen. Los geht´s mit „Hätte, Könnte, Würde“, „Aus dem Herzen“ und „Marzipan“. Wie immer sehr süß. Vor neuen Songs hebt Keyboarder Tobi immer einen Zettel hoch. „Achtung, jetzt kommt was Neues, habt etwas Nachsicht“, wünscht sich Sänger Nerschbach (das ist ihr Running Gag des Abends). Alles kein Problem, die Songs sitzen genauso wie die Klassiker. Erste neue Nummer ist „Tauben in der Hand“, auch Titel des neuen Albums, das bald veröffentlicht wird und auf das sich Fans schon jetzt freuen können. Warum? Na, weil „Warum und deshalb“, auch ein neuer Song. Oder „Blender“. Das Spannende an allen Songtiteln ist, der Titel lässt nicht immer erahnen, was dann im Text kommt. Das ist auch bei „Golfplatz“, einer Uralt-Nummer aus vergangenen Zeiten so, als man noch in einer WG wohnte. Wer damals so dumm war und die CD nicht gekauft hat, kann nicht mitsingen. Es geht um Liebe, es geht um eine Frau, eine blonde Frau. Blond? Das blonde Wunder. Na klar. Da haben wir es: das blaue Wunder ist blond und steht wahrscheinlich gerade neben einem und gibt ein Bier aus.

„Mit geschlossenen Augen“ wird heute Ute gewidmet, die leider nicht mehr Gast auf unserer Erde ist. Einige haben Tränen in den Augen. Fröhlicher wird es erst wieder beim Nena-Cover „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“ und natürlich bei „Beifahrer“. Es geht langsam auf die Zielgrade und Dirk Nerschbach stellt die alles entscheidende Frage: „Wie soll man ein Konzert beenden? Mit Krawumm oder eher mit einer ruhigen Nummer?“ Die Frage ist eigentlich rhetorisch. tiefblau haben mit „Im Soll“ die ultimative und ewig beste Abschlussnummer in ruhig. Man soll aufhören , wenn´s am Schönsten. Ganz genau. Tosender Applaus. Bleiben jetzt nur noch zwei Fragen zu klären: War das blonde Wunder heute Abend blau? Und wer ist eigentlich dieser Gabalier?
Galerien (by Michael Lange bs! 2025):

Setlist Leon Dawig und die Space Boys:
- Alles Scheiße außer Country
- In Andalusien gibts keine Sterne mehr
- Am Ende meiner Zeit
- Ich fahre niemals LKW
- Geister
- Das Leben, das du gewählt
- Flying Elbow
- Drahteseltrucker
- Viele Meilen
- Daddy Trucker
- Ich werd gesucht in Bremerhaven
Setlist tiefblau:

- Intro Love is in the Air
- Hätte, Könnte, Würde
- Aus dem Herzen
- Marzipan
- Vorläufiges Ende
- Vom Einen in die Andere
- Hinter dem Burnout
- 4 Uhr morgens
- Gegen Wind gesät
- Tauben in der Hand
- Im Schnee
- TV Mann
- Puddingessen & Fahrradfahren
- Fallobst
- Warum und deshalb
- Jahre mit dir
- Mit geschlossenen Augen
- Blender
- Ohne Lampe
- Golfplatz
- Alle Wege führen zu dir
- Irgendwie , irgendwo, irgendwann (Nena Cover)
- Beifahrer
- Und warte nicht
- Du gehst mir aufs Gemüt
- Jetzt steh ich hier
- Im Soll
Links:
www.tiefblau-musik.de


