Review: Dickes Miteinander bei Laura Jane Grace and the Devouring Mothers (08.09.2019, Hamburg)

Endlich bringt Against Me Frontsau Laura Jane Grace ihr Zweitprojekt Laura Jane Grace and the Devouring Mothers live nach Deutschland. Zwar sind die Töne, die auf dem ersten Album “Born to Rot“ angeschlagen werden deutlich seichter und weniger politisch, dennoch unterscheidet sich das Publikum am Abend in Hamburg nicht sehr zu dem, welches man auch bei Against Me! vorfinden würde.

Mobina Galore (Foto: Thea Drexhage bs! 2019)
Mobina Galore (Foto: Thea Drexhage bs! 2019)

Jung, bunt und dynamisch erscheinen die Leute, die bereits zum ersten Act Mobina Galore ordentlich Stimmung verbreiten. Das, bei uns eher unbekannte, kanadische Duo überzeugt durch eine ordentliche Portion Rotzigkeit und frischen Sound. Dieser ist so voll, dass man, würde man die Augen schließen, definitiv mehr als zwei Musikerinnen erwarten würde. Aber dafür wäre an dieser Stelle gar keinen Platz, denn die überschaubare Bühne des Knust ist vollgestopft mit allen Instrumenten der drei Bands des Abends, das ermöglicht einerseits einen schnellen Wechsel zwischen den Bands, andererseits grenzen drei Schlagzeuge den Bewegungsfreiraum für Mobina Galore stark ein.

Frank Iero and the Future Violents (Foto: Thea Drexhage bs! 2019)

Bei Frank Iero and the Future Violents bietet dieBühne nach dem Abbau von Schlagzeug 1 etwas mehr Raum. Der Platz im Publikum hingegen wird immer weniger. Vor der Bühne entsteht wahnsinniges Gedränge und Gekreische nach dem Ex- My Chemical Romance Musiker. Betrachtet man das Publikum kommt man jedoch nicht umher sich zu fragen, ob die überwiegend extatischen Mädels* nicht zu jung sind, um den Hype um My Chemical Romance miterlebt zu haben. Option B wäre natürlich, dass unsere Autorin einfach zu alt ist und den neuen Hype um Frank Iero and the future Violents verschlafen hat. Allen brennenden Fragen zum Trotz lässt es sich nicht leugnen, dass die Band auf der Bühne einiges auf dem Kasten hat und die Menge im Knust zurecht völlig durchdreht. Crowdsurfer*Innen erreichen gegen Ende des Sets im Minutentakt die Bühne, die Moshpits sind wild, blutende Körperstellen werden von den Beteiligten schulterzuckend inspiziert, bevor sie sich wieder ins Getümmel werfen. All das geschieht an diesem Abend mit einer Selbstverständlichkeit, die es so auf Konzerten nicht mehr oft zu finden gibt, ist es doch mittlerweile üblich, Crowdsurfer*Innen Platz- und Hausverbote zu erteilen.

Frank Iero and the Future Violents (Foto: Thea Drexhage bs! 2019)

„I couldn’t give a shit about the (Smashing) Pumpkins, Slint or Wilco
Learn to make a pizza you fucking jack-offs
Say hello back when someone says hello, you asshole
I hate O’Hare, I hate Midway, I can’t stand Chicago”

Laura Jane Grace and the Devouring Mothers (Foto: Thea Drexhage bs! 2019)
Laura Jane Grace and the Devouring Mothers (Foto: Thea Drexhage bs! 2019)

Nach dieser schweißtreibenden Nummer leert sich das Knust während der Umbaupause drastisch. Gans eindeutig war Frank Iero an diesem Abend der ziehende Punkt. Als Laura Jane Grace and the Devouring Mothers beginnen, fühlt sich der Club zwar wieder voll an, aber nicht so brechend voll wie zuvor. Der folkige Sound ihrer Stücke lädt auch nicht wirklich zu Moshpits ein, dennoch ist die Stimmung ausgesprochen gut. Laura Jane Grace ist in Plauderlaune, erklärt ihre Songs, die ihre Sicht auf das Leben an sich und das Leben als Musikerin auf Tour schildern und punktet vor allem mit dem ein oder anderen Witz. Musikalisch sitzt jeder Ton, nicht zuletzt dank der Unterstützung von Against Me! Drummer Atom Willard an den Drums, dessen Schlagzeugspiel hypnotisch ist. Mit dem Album „Bought to Rot“ hat sich Laura Jane Grace ein Ventil erschaffen, um sich textlich und musikalisch vom eingespielten Against Me! Sound und den, seit den letzten Alben vorherrschenden LGBTIQ+ Themen zu lösen, die natürlich unendlich wichtig sind, trotzdem ist es nachvollziehbar, sich als Künstlerin von der eigenen Vergangenheit ein Stück weit lösen zu wollen, um auch neue kreative Wege beschreiten zu können. Als großes Finale gibt es für alle sehnsüchtig Wartenden trotzdem noch die Against Me! Hymne „True Trans Soul Rebel“, welche euphorisch aufgenommen wird und den Abend zu einem perfekten Abschluss bringt.

Laura Jane Grace and the Devouring Mothers (Foto: Thea Drexhage bs! 2019)

Setlist Laura Jane Grace and the Devouring Mothers:

  1. China Beach
  2. Born in Black
  3. Apocalypse Now (& Later)
  4. The Friendship Song
  5. Dilaudid
  6. The Hotel Song
  7. Conceptual Paths
  8. Amsterdam Hotel Room
  9. I hate Chicago
  10. Amputations
  11. Reality Bites
  12. The Apology Song
  13. The Acid Test Song
  14. The Airplane Song
  15. Screamy Dreamy
  16. Valeria Golina
  17. Manic Depression
  18. True Trans Soul Rebel

Links:

www.laurajanegraceandthedevouringmothers.com
www.mobinagalore.com
www.frank-iero.com

Thea Drexhage
Thea Drexhagehttps://www.be-subjective.de
Thea Drexhage hat Salma Hayek einiges voraus! 10 mm. Wie die meisten Frauen der Redaktion, Duffy, Beth Ditto, Joan Rivers oder Angus Young kann sie die MusikerInnen aus dem Bühnengraben also völlig problemlos sehen, wenn jemand ihren Hocker trägt, wird aber - das hat sie mit Salma dann doch wieder gemein - dennoch viel zu oft auf Ihre Körpergröße, ihre Mähne und ihre leicht misanthropischen Anflüge reduziert. Damit sie also nicht im nächstbesten Titty Twister von Sonnenunter- bis Sonnenaufgang Menschenmengen und Bläser mätzelt, halten wir “Aggro-Thea”, die zuvor ganze Landstriche in Mecklenburg Vorpommern ausgerottet hat, halbtags im spießbürgerlichen Oldenburger Exil an der langen Leine. Seither legt sich die scheißpünktliche existentialistische Besserwisserin analog mit Sartre, Camus & Kodak an und ja, auch wir müssen neidlos zugestehen, dass der Instagram-Account ihrer beiden Katzen “Salma” und “Hayek” mehr Follower pro Tag hat, als unser webzine im ganzen Jahr.

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