Review: „Tanz mit mir, Schweinehund“ – Candy Trip Down, Deamon’s Child und Komplize (16.01.2016, Hannover)

Hannovers Underground ist Stoner Grunge Punk Alternative, hart wie Flokati. Hannovers Flokati, das ist die Familie, die man sich weder sucht, noch ausgesucht hat. Hannovers gefundene Behaglichkeit ist wie dieses Familientreffen der besonderen Art, im Keller des Vertrauens, eine irgendwie zur Institution gewordene Nicht-Verpflichtung. Zum fünften Mal – keiner will’s so recht wahr haben, da das hieße über’s eigene Alter nachzudenken – haben Candy Trip Down zum Jahresauftakt-Konzert geladen und mit Hilfe von Stryker´s Booking und Zygmatron Music – supported by BUM an be subjective! – den Klangteppich zwischen den Säulen des BCH ausgerollt. 170 FreundInnen des Flokati räkeln sich in Vorfreude auf’s Gitarrenbrett in diesem benahe surreal weißen, vom Winter angefrosteten, heimeligen Abend. Orange-Topteil? Check. Paddleboards so bunt wie Bonbontüten? Check. Muckerpolizei? Check.

Komplize (Foto: Isabelle Hannemann)
Komplize (Foto: Isabelle Hannemann)

Mensch trifft hier wirklich, wen es zu treffen lohnt, SzenemusikerInnen, Bild- und Ton-KünstkerInnen, zarte Giganten, doch niemand profiliert sich hier oder hätte das nötig. Man genießt einfach wie Komplize den Flokati, der das Publikum zunächst rein akustisch einwebt, mal eben geschmeidig abfackeln. „Schön sind se ja nich ne“, aber hammerhart.

Mit Komplize würde man sofort den Aufstand proben, die machen Spaß, reißen mit, da will man gar kein zu genaues Phantombild zeichnen, da will man Komplize sein, die meisten sind’s hier, mancher nickt exaltiert oder rastet mit dem großen Zeh aus. Familie eben.

Deamons Child (Foto: Isabelle Hannemann)
Deamons Child (Foto: Isabelle Hannemann)

Deamon’s Child, hach die Autorin ist verliebt, von Anfang an. Neil Young „out on the weekend“ ist so sanft und sexy, wie die Melodien unter den harten Sticks, den rauen Basssaiten. Mensch konnte nicht besser aus der Umbaupause abgeholt werden. The psychedelic heaven… und da bricht es schon ab. Welch Intro. Mittenrein knallen Deamon’s Child ihren „Lutscher“ und etwas „Zucker“. Irgendwo aus dem brennenden Flokati steigt das angekokelte Dämonenkind und polarisiert, räumt alle Schubladen aus, schubst Gevatter Alternative rum und singt dann so sehr, so gar nicht passend dada, so – hashtag missraten –, schreit lieblich „komm tanz mit mir, Schweinehund“. Romantisch geht die Welt zugrunde und Familie Flokati ist froh, die Comfortzone verlassen zu haben.

Candy Trip Down (Foto: Isabelle Hannemann)
Candy Trip Down (Foto: Isabelle Hannemann)

Ob man nach solch einem diabolischen Zuckerschock noch mehr Süßkram verträgt. Wer danach fragt, dem ist die gepuderte Nacht wohl nicht zu Kopfe gestiegen!?! Der Nirvana Drops ist längst noch nicht gelutscht. Candy Trip Down sind wie immer zum Anbeißen, haben es sich aber an diesem Abend mit diesen Supportacts mitnichten leicht gemacht. Neuer Drummer, erster Gig seit einer gefühlten Ewigkeit, Heimspiel. Manuel Neuer hätte sich längst die Komfortzone ruriniert. Die Nervosität steht ihnen, der Keller frisst zuviel Gesang, aber wenn die Lästermäuler sich an den Knopfleisten aufhängen, den „Smells like Teen Spirit“ look alike karierten Herrenausstatter verspotten, dann gab’s wohl sonst nix zu meckern. Candy Trip Down. Die Nacht ist gezuckerpudert, gepuderverzückt, alles irgendwie entrückt und der Flokati splittert Glück.

Setlist Komplize:

  1. Tage im Off (neu),
  2. Brücken brennen hinter mir (neu),
  3. Frust (CD Komplize),
  4. Untertan (neu)
  5. Götzendienst (CD Komplize),
  6. Kois (CD Komplize)

Setlist Deamon’s Child

  1. Lutscher
  2. Zucker
  3. Geld
  4. Venus
  5. Schweinehund, komm tanz mit mir
  6. Äffchen fährt Fahrrad
  7. Monster
  8. Delfine
  9. Alles Bio, immer Bio
    Encore:
  10. Gedichte

Setlist Candy Trip Down

  1. Strawberry Sadshake
  2. Kiss Kiss
  3. Soap Grinder
  4. Grey
  5. Lucky
  6. Paralysed
  7. Dream Off
  8. Magnolia
  9. Sell me down the river
  10. Three Kings
  11. Stuck State
    Encore:
  12. Candy Flash
  13. Milk

Fotogalerien:

Links:
www.zygmatron.de
www.strykersbooking.de
www.deamonshome.de
www.candytripdown.de
www.komplize-musik.de

Isabelle Hannemann
Isabelle Hannemannhttp://www.isabellehannemann.net
Die missratene Hypotaktikerin wird als Redakteurin Schrägstrich Fotografin bei be subjective! geduldet, hat versucht sich als freie Autorin und Herausgeberin verschiedener Artikel und Bände im Bereich der kritischen Sozialwissenschaft für Suchmaschinen selbst zu optimieren und will – wenn sie groß ist – mal sehen. Künstlerisch als Autorin und Fotografin mit diversen Bands und AutorInnen zusammenarbeitend, Texte zu Papier, Gehör und auf die Bühne bringend. Na dann Prost Mahlzeit!

Weitere Artikel

Ähnliche Beiträge

Preview: Ein letztes Mal Rod´n´Roll?! – Rod Stewart live (2024)

Endlich, endlich geht dieser Typ mal wieder auf Tour....

Preview: Nie wirklich weg – Marius Müller-Westernhagen live (2024)

Der Mann hat eine irre Entwicklung genommen. Mit 18,...

Review: Aufhören, wenn´s am schönsten ist?! – Kapelle Petra live (02.03.2024, Hannover)

Das Minimalprinzip ist eines der drei Grundprinzipien des ökonomischen...

Review: Die neue Liebe erkennt man mit geschlossenen Augen – Tiefblau (17.02.2024, Hannover)

Wenn jemand frisch verliebt ist, kommt irgendwann der Zeitpunkt,...