Review: Die Spitze des Dreiecks – Montreal live (02.07.2020, Hannover)

Wenn man zwischen den Hauptstädten des (Fun-)Punkrock Düsseldorf (Tote Hosen) und Berlin (Die Ärzte) eine Linie zieht und dann beide Städte noch mit Hamburg verbindet, ergibt sich ein schönes Dreieck. Montreal steht für Hamburg. Was sich zunächst etwas komisch anhört, macht durchaus Sinn. Die Band Montreal aus Hamburg gibt es seit 2003. Und wer solange und auch solange schon erfolgreich im Musik-Business tätig ist, gehört definitiv zu diesem Dreieck.

Montreal ist die Spitze des Dreiecks

So weit, so gut. Aber es sind besondere Zeiten. Corona-Zeiten. Heißt: Abstand halten. Bei einem Punk-Konzert, wo sonst Pogo, Schweiß und Vollkontakt herrschen, ist das mit Verlaub, nicht so einfach. Aber Autokonzert geht.

Wenn man Autokenner zur Qualität von Autos befragt, kommt oft folgende Antwort: Hubraum ist durch nichts zu ersetzen, außer durch noch mehr Hubraum. Jetzt geht es bei Autokonzerten nicht direkt um Hubraum, sondern eher um Hup-Raum. Der Schützenplatz in Hannover ist ausgerichtet für viel Hup-Raum. 1000 Autos könnten bei einem Konzert im Rahmen der Autokultur Raum zum Hupen haben. Tausend Autos, das ist ganz schön viel. An diesem Abend sind es „nur“ 220 Fahrzeuge. Blöd nur für die, die heute Abend nicht da sind. Die verpassen was.

Grundhass (Foto: Michael Lange bs! 2020)

Grundhass ist schon öfter mit den Hamburgern unterwegs gewesen. Er macht heute den Support und wird so umschrieben: „Grundhass, ein Typ, aufgewachsen im Sauerland, die Dorfpunkattitüde mit in die große Stadt nach Berlin genommen und mittlerweile im gesamten deutschsprachigen Raum unterwegs. „Grundhass“ ist Akustikgitarre, lustige bis absurde Texte und Gelaber zwischen den Songs, bei denen manche Menschen lachen. Oder weinen. Manchmal auch beides gleichzeitig. Vom Provinzpunk bis zum Großstadtyuppie kriegt jeder sein Fett weg, inklusive des Musikers (wenn man das denn so nennen mag) selbst“. Was soll mensch sagen, so isser, der Grundhass. Und blaue Haare hat er auch.

Montreal haben weder bunte Haare, noch Punkfrisuren, noch Lederklamotten, noch Tattoos oder anderen Körperschmuck. Ganz normale Kerle in ganz normalen Klamotten. Gitarre, Schlagzeug, Bass, gefühlte drei Akkorde und Texte über dies und das und jenes . Hirsch (Bass), Jonas (Gitarre) und Max Power an den Drums haben Spaß. Mehr braucht es nicht zum Glücklichsein. Radio an, auf die großen Bildschirme (insgesamt vier Stück) geschaut und schon geht der Punk ab. Hirsch und Jonas sind Vollblutentertainer. Den ganzen Abend machen Sie Witze, versprühen eine dermaßen gute Laune, die vergessen lässt, das man tatsächlich in einem Auto sitzt.

Montreal (Foto: Michael Lange bs! 2020)

Nur „freundlich guckende Autos“ , aber auch ein Porsche. Den dulden sie heute mal. Mit „Kino?!“ gehts los. Was sonst?! Es gibt mächtig was auf die Ohren. Der Sound ist top, und die Lautstärke ist ja für jeden individuell einstellbar. Und wo die Fans alle herkommen ? Für was steht nochmal HK? Ach ja. Heidekreis. Und aus Wolfsburg, Dresden und sogar Wien sind auch Fans da. In einem vollbesetzten Golf II sitzen Hardcore-Fans. Ob sie alle Gigs der Band erlebt haben, bleibt ungeklärt, aber dieses denkwürdige Corona-Konzert ist das tatsächlich das 800te. Respekt. Die Jungs liegen nicht „Auf der faulen Haut“, covern die NDW-Nummer „Katharine, Katharine“ und irgendwann ist auch „Schon wieder zweiter Februar“.

Es ist so laut hier, man versteht sein eignes Wort nicht,
Durch den Nebel flackert hell das Stroboskoplicht.
Wir geh’n zum DJ hoch und wünschen uns’re Lieder,
Er spielt sie nie, doch wir versuchen’s immer wieder.

Max Power ist der Einzige, der an diesem Abend nicht zu Wort kommt, dafür hat er aber ein eigens nach ihm benanntes Lied. Als das gespielt wird, darf er die Bühne verlassen und sich die Fans aus der Nähe ansehen. Hirsch und Jonas quatschen sich durch den Abend. Für „120 Sekunden“ dürfen zwei Fans (Vater und Tochter) auf die Bühne. Mit Abstand und einer Countdown-Uhr in der Hand. Und wie lange geht der Countdown? Natürlich zwei Minuten. „Sommer 96“ kommt von der brandneuen Covertitel-EP. Applaus ist bei solchen Konzerten Hupen, Autowackeln oder Hände, die aus Fenstern klatschen. Für die Fans ist „Endlich wieder Discozeit“. Langsam wird es dunkel auf dem Schützenplatz. Montreal haben den „Tag zur Nacht“ gemacht. Tosender Applaus oder besser Huup, Huup, Huuuuuup. Im Februar 2021 spielen sie im Musikzentrum Hannover. „Nächstes Jahr dann mit Anfassen!“ Hört sich gut. Wir freuen uns drauf.

Galerien (by Michael Lange bs! 2020):

Montreal (Foto: Michael Lange bs! 2020)

Setlist:

  1. Kino?!
  2. Schlechter bester Freund
  3. Auf der faulen Haut
  4. Richtig falsch
  5. Was wir hatten
  6. Katharine, Katharine (Steinwolke cover)
  7. Schon wieder zweiter Februar
  8. Dreieck und Auge
  9. Max Power
  10. Walkman Revolution
  11. Musik in meinen Ohren
  12. Malaria und Heimweh
  13. 120 Sekunden
  14. Endlich wieder Discozeit
  15. Sommer 96 (Live Premiere)
  16. Hässlicher Pullover
  17. Zucker für die Affen
  18. Allein mit mir
  19. 15 Jahre für die Punchline
  20. Tag zur Nacht

Links:
www.montrealmusic.de

Michael Lange
Michael Langehttps://www.be-subjective.de
Michael Lange. MichaL ist der Methusalix in unserem Team. Ein Original, ein Sympath, ein Genießer von A wie Abba bis Z wie Zabba und im realen Leben ein Stepptänzer. »Jawohl, das mit dem KlackerdiKlack.« MichaL hat schon Rock’n’Roll gehört, da waren die Little Boy Blue and the Blue Boys noch grün hinter den Ohren. Man munkelt er konnte schon einparken, da gab es noch nicht mal Rückspiegel, geschweige denn Einparkhilfen. Dennoch ist die MichaL noch lange kein Oldy oder darauf fokussiert. The big L war plötzlich da. Zeitlos. Unerwartet und doch völlig freiwillig tauchte er in unserem Universum auf und bereichert es. KlackerdiKlack.

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