Im Hinterhof der Oldenburger Bahnhofsstraße 19 gibt es jetzt heißen Scheiß. Nicht was ihr denkt! Kultur. „Einfach Kultur“ um genau zu sein. Coronabedingt wurde kurzerhand eine Open Air Konzertreihe aus dem Boden gestampft, die bestuhlt und mit begrenzter Teilnehmerzahl Konzerte ermöglicht, die mensch sich nicht aus dem Auto anschauen muss. Während sich auf dem Gelände nur mit Mund-Nasen-Bedeckung bewegt werden darf, ist auf den Sitzplätzen, die mit ausreichend Abstand zueinander stehen, ein Tragen dieser nicht mehr notwendig. Mit einer Einlasszeit von zwei Stunden und einem vielfältigen Speise-, Kaffee- und Getränkeangebot stellen solche Veranstaltungen die ehesten Gelegenheiten dar, bei denen tatsächlich soetwas wie Sommer-Festival-Feeling aufkommen kann. Und dann ist da ja noch die Künstlerauswahl…man könnte fast meinen, dass das sonst schläfrige Oldenburg erst eine Pandemie braucht, um spannende Musiker*innen in dieser Dichte in die Stadt zu holen.
„Wir sind ja neidisch was hier in Oldenburg so alles geht“
Moe
Am Freitagabend gibt es mit Jesper Munk und Moe & Joschka Brings experimentellen Blues und Soul sowie traurigen Folk auf die Ohren. Moe & Joschka Brings, eigentlich zwei eigenständige Folkmusiker eröffnen den Abend mit einem gemeinsamen Set und Songs aus dem Repertoire beider. Dabei ergänze sich ihre Stimmen und Harmonien ganz wunderbar und machen das Ganze zu einem runden Erlebnis. Und egal wie traurig die Folk-Songs der beiden sind – die Stimmung der Gäste trübt es an diesem schönen Sommerabend nicht.
„Wenn ich wenigstens nen Bassisten hätte, der irgend nen Scheiß baut“
Jesper Munk
Jesper Munk hingegen verbreitet vor allem zwischen seinen Songs gute Laune, durch klägliche Versuche, die stillen Pausen zum Instrumente stimmen und wechseln so smooth wie möglich zu gestalten – ist halt schwierig als Alleinunterhalter ohne Mitmusiker*innen. Das Lachen über die charmante Verplantheit des Künstlers vergeht den Gästen jedoch schnell wieder, sobald Munk mit seinen Songs beginnt.
Das Publikum ist ruhig und hört gespannt zu. Nur mit Gitarre oder Keyboard und seiner Stimme, transportiert von zwei Mikrofonen mit verschiedenen Effekten, zieht der junge Musiker alle in seinen Bann. Dabei ist es egal, ob er eigene Stücke wie das selten gespielte „Ya don’t have to say goodbye“, Songs seines Vaters oder von Tom Waits oder schwere Stücke wie „Death don’t have no mercy“ von Reverend Gary Davis performt, Munk beherrscht sein Handwerk.
Auch wenn es für viele Musiker 5 vor 12 ist, wie es die Uhr im Bühnenhintergrund anzeigt, findet Jesper Munk nur wenige klagende Worte für die vergangenen Monate, sondern konzentriert seine Ansagen auf das Hier und Jetzt und schafft so eine enge Verbindung zu den Gästen. Damit sorgt er neben der Musik dafür, dass Gedanken an die Pandemie wenigstens ein paar Stunden in den Hintergrund rücken. Und was gibt es im Moment schöneres als das?
Galerien (by Thea Drexhage bs! 2020):