Review: Asaf Avidan spielt für sich, für dich. Die Solotour. (10.04.2018, Zürich)

Dienstag Abend, Zürich: ein bunt gemischtes, eher älteres Publikum drängt ins ausverkaufte Kaufleuten. Über der Menge schwirrt ein internationales Stimmengewirr, auf den Gesichtern spiegelt sich freudige Erwartung. Grund dafür ist die Solotour des Israeli Asaf Avidan anlässlich seines neuen Albums „The Study on Falling“. Und natürlich die Vorfreude noch eines der begehrten Tickets für das einzige Konzert in der Schweiz ergattert zu haben.

Asaf Avidan (Foto: Silke Kemnitz bs! 2018)

Pünktlich, unauffällig, unaufgeregt und ein wenig verschüchtert betritt Asaf Avidan die Bühne. Ein freundliches Lächeln für das Publikum, ein Hallo und dann geht es auch schon los. Bereits mit dem ersten Song hat Asaf Avidan das Publikum komplett in seinen Bann gezogen. Und hält sich nicht groß mit Ansagen auf. Song folgt auf Song. Und das Publikum liebt es.

 

echt jetzt

Asaf Avidan (Foto: Silke Kemnitz bs! 2018)

Dabei ist es ein kleines Wunder, dass wir alle heute in den Genuss dieses Konzertes kommen. So sieht es zumindest Asaf Avidan. Nüchterner betrachtet hat da vielleicht auch die Heilkunst des 21. Jahrhunderts ihren Anteil zu beigetragen. Während das Konzert in Dole krankheitsbedingt ausfallen musste und das gestrige Konzert in Belfort verkürzt und mit Hustenanfällen stattfand, ist an dem heutigen Abend fast nichts mehr von der Erkältung zu spüren. Im Gegenteil: Asaf Avidan spielt seine Songs mit Herzblut, voller Emotionen und mit einer in dieser Form selten anzutreffenden Authentizität. Auf der Bühne steht ein Künstler, der es liebt, seine Songs vor Publikum zu performen, der durch, mit und in seinen Songs lebt. Diese Songs sind gleichsam ein Teil von Asaf Avidan, seine Art, mit sich und seinen Emotionen in Kontakt zu treten, sie zu verbalisieren, zu musikalisieren, sie plastisch und vermittelbar zu machen. Aber gleichzeitig auch, um mit sich selbst in Kontakt zu treten. Und so entsteht mit jedem Song ein wenig mehr eine berührende, sanfte, zerbrechliche und intime Stimmung im Kaufleuten.

Asaf Avidan (Foto: Silke Kemnitz bs! 2018)

setz dich, fühl dich wohl

Unterstrichen wird diese filigrane Stimmung durch das Bühnenbild: schlicht und zweckmäßig, ausgeleuchtet von einzelnen großen Lampen, die von der Decke hängen. Meist ist die Beleuchtung einfarbig: rot, blau, türkis, grünlich. Dazu das altehrwürdige, stilvolle und plüschige Kaufleuten. Und so entsteht in der Gesamtheit ein sehr vertrautes Gefühl. Trotz des ausverkauften Hauses bleibt das Gefühl eines Wohnzimmerkonzertes, eines familiären und privaten Ereignisses immer präsent.

Asaf Avidan (Foto: Silke Kemnitz bs! 2018)
Asaf Avidan (Foto: Silke Kemnitz bs! 2018)

Dieser Eindruck wird noch zusätzlich genährt von der ruhigen und gefühlvollen Weise, in der Asaf Avidan seine Songs vorträgt. Er scheint komplett in seinen Songs zu verschwinden, nur um mit seiner markanten Stimme und den so entstehenden Emotionen wieder vorsichtig aufzutauchen.

Und das Publikum? Das genießt und lässt sich auf diese musikalisch-emotionale Reise entführen. Vorbei an neueren und älteren Songs, garniert mit dem Klassiker wie dem „Reckoning Song“, bei dem das Publikum begeistert mitsingt. Weiter über Balladen, vorbei an etwas fröhlichen Songs leitet uns Asaf Avidan in elektronisch-experimentielle Gefilde und wieder zurück zu gitarrenlastigen Songs. Eine improvisierte Reise durch und entlang Asaf Avidans Stimmung und seiner bisherigen Diskografie. Auch ein Grund, warum Asaf Avidans Konzerte einzigartig und so emotional besonders sind.

nur für mich

Asaf Avidan (Foto: Silke Kemnitz bs! 2018)

Nach knapp zwei Stunden und einer Zugabe verabschiedet sich Asaf Avidan mit einem großen Dankeschön an das Publikum, das ihn auf dieser Reise begleitet hat und ihn letztendlich auch zu dem Künstler macht, der er heute ist. Oder wie Asaf Avidan es ausdrückt: er würde seine Songs auch nur für sich selber spielen, aber mit einem Publikurm, das seine Songs und Emotionen aufnimmt, verarbeitet und spiegelt, gewinnt der Abend eine ganz eigene Nuance und Sinnhaftigkeit. Geteilte Freude ist halt doppelte Freude.

In diesem Sinne: Danke Asaf Avidan für das Teilhaben lassen!

 

Galerien (by Silke Kemnitz bs! 2018):

Links:
www.asafavidanmusic.com

Judith Sander
Judith Sanderhttps://www.be-subjective.de
Es gibt Sucht-Charaktere, die entsagen und es gibt andere, die setzen sich ins Epizentrum ihres Verlangens. Nein, Judith ist keine Schweizer Taschenmesserwerferin, sie ist bekennend schokoladensüchtig und metzelt ohne zu zucken für ‘ne Toblerone oder Eiscreme oder Tobleroneeiscreme oder.. na jedenfalls: Die Frau ist echt Zucker, echt hart drauf, hat ein feines Näschen, legt sich für die richtigen Dinge ins Zeug, in die Kurve und nascht am allerliebsten an kleinen, unbekannten Bands in ruhiger Atmosphäre. Wer die olle Genießerin dennoch ans Messer liefern will, sperrt sie – in einen rosa Rüschen-Alptraum gehüllt – mit stinkenden Dränglern ins Musikantenstadl und nimmt ihr das letzte Milkyway weg.

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