Review: Regen macht albern – M’Era Luna 2017 (12. – 13.08.2017, Hildesheim)

Der Sommer 2017 hatte im Norden ein schwarzes Jahr. Wettertechnisch gesehen erwies er sich als katastrophal. Doch auf ein Festival war in den vergangenen Jahren immer Verlass: das M’era Luna in Hildesheim. Doch dieses Mal war leider nicht nur das Motto des Gothic-Festivals schwarz, sondern auch meteorologisch wurde es düster.

Wer die Nachrichten verfolgt hatte, konnte sich schon auf ein nasses Wochenende einstellen. Bereits Wochen vor dem Festival waren Hildesheim und Umgebung von ungewöhnlichen Wassermassen heimgesucht worden. Für das Wetter kurz vor und am Festivalwochenende waren die Prognosen ebenfalls schlecht.

Bereits Freitag früh warnte die M’era Luna App vor früher Anreise um dem Wasser die Möglichkeit zu geben abzufließen. Als der Campingplatz dann doch Punkt 11 Uhr geöffnet wurde war dies doch ein wenig erstaunlich. Wahrscheinlich war die enorme Stau-Situation um und in Hildesheim der Auslöser. Doch es folgte relativ bald eine Nachricht, dass diverse Parkplätze aufgrund der aufgeweichten Böden nicht mehr angefahren werden konnten und nach Ausweichmöglichkeiten gesucht wurde. Eigentlich sollte man meinen die Veranstalter würden auch den Wetterbericht verfolgen und hätten einen Plan B in petto. Schließlich kann man nicht immer von besten Verhältnissen ausgehen, zumal sich die Wetterlage im Norden sich in den letzten Jahren angespannt und viele andere Festivals regelmäßig „absaufen“.

Impressionen vom Mera Luna (Foto: Torsten Volkmer bs! 2017)

Nichts desto Trotz wurden recht schnell alternative Flächen gefunden und Shuttle Busse eingerichtet. Die etwas später anreisenden Wohnmobil Ost Besucher hatten sogar das riesige Glück mitten auf dem Asphalt der Landebahn parken zu dürfen. Dies verlief vollkommen problem- und unfalllos und sorgte für eine kuschelige Atmosphäre. Die WoMo Besucher, die viel zu spät kamen, mussten leider – wie die PKW Anreisenden – auf Ausweichflächen rücken. Im Großen und Ganzen hätte alles vielleicht etwas vorausschauender geplant sein können, doch dafür ging der Spontan-Ablauf friedlich und unproblematisch von Statten, wie so vieles beim M’era Luna.

Impressionen vom Mera Luna (Foto: Torsten Volkmer bs! 2017)

Wer es dann geschafft hatte konnte sich zwischen ein paar kleineren Schauern auf dem Mittelaltermarkt vergnügen, sich auf der Shoppingmeile die letzten Ergänzungen zum Outfit besorgen oder Lesungen lauschen. Natürlich durfte die Eröffnungsparty im Hangar nicht fehlen, bei der in diesem Jahr trotz oder vielleicht genau wegen der erschwerten Anreise gut gefeiert wurde. Die Partybereitschaft schien auch auf dem Zelt-Wohnmobil-Hybrid-Platz ungebremst. Laute Musik, umherirrende redselige Menschen und entspannte Laune waren überall anzutreffen.

Impressionen vom Mera Luna (Foto: Torsten Volkmer bs! 2017)

Der Samstag startete glücklicherweise etwas trockener. Das ausgelegte Stroh im Infield machte die Wege immerhin etwas dauerhafter begehbar, doch Gummistiefel waren trotzdem ratsam. Aber es wäre ja nicht das Festival der Eitelkeiten, wenn die Leute hier mit tollen Outfits und unpassendem Schuhwerk aufwarten würden. Das kam gar nicht in Frage. Darum sagten sich viele „Fuck it“ und trugen ihre schönen Schuhe auch im langsam stärker werdenden Matsch. Ein hart zu ertragendes Bild von immer dreckiger werdenden High Heels, New Rock Boots und Lack-Overknees. Respekt dafür – auch ich konnte meine Schuhe nach diesem Wochenende erst einmal ordentlich schrubben.

Ost+Front (Foto: Torsten Volkmer bs! 2017)

Das erste Highlight des Tages startete mit Ost+Front die jedes Mal einen optischen Augenschmaus darstellen. Dieses Jahr wurde ihre Show durch eine Dame bereichert, die sich im Dita von Teese Stil im überdimensionalen Cocktailglas räkelte. Ein noch besserer Eindruck wäre nur entstanden, wenn die rote Flüssigkeit im Glas nicht so dünn sondern blut-dick-flüssig gewesen. Aber wir sind ja froh, dass an diesem Festival noch Flüssigkeiten on stage erlaubt sind. Fast schien sie mit Eva Edelweiß zu konkurrieren, der im Dirndl erschien und später die Menge mit seinem Urinbeutel abfüllte. Doch die beiden wussten sich gut abzuwechseln und als die unbekannte Dame im schwarzen Ganzkörper-Nieten-Outfit erschien waren es die schwarzen in die Luft schwebenden Ballons, die von ihr ablenkten.

Ost+Front (Foto: Torsten Volkmer bs! 2017)
White Lies (Foto: Torsten Volkmer bs! 2017)

Von schwarzen Ballons zu White Lies. Hier leerte sich der Platz vor der Hauptbühne leider ein wenig obwohl die Band tolle musikalische Leistung erbrachten und für 80er Flair sorgten.

Der Sound bei Project Pitchfork war nicht so einwandfrei wie bei den Österreichern. Viel zu basslastig dröhnte es aus den Lautsprechern, so dass man manchen Song nur erraten konnte. Gleich zu Beginn fiel zu allem Überfluss auch noch das Mikro aus und Project Pitchfork starteten ihr Set spontan instrumental. Sobald die Technik wieder in Schuss war begrüßte Sänger Peter Spilles die Hörer und weiter ging es mit „Conjure“ und „Time Killer“. Erst gaaaanz weit hinten wurde der Sound hör- und erkennbar. Sehen und Hören zeitgleich war somit schwer vereinbar und die ungünstige Abmischung verdarb auch den Hit „Rain“. Nach einem tollen Intro schlug die Bassdröhnung wieder gnadenlos zu und obwohl die Menge vor der Hauptbühne tobte ging ich meinerseits etwas unbefriedigt zu Solar Fake in den Hangar. Obwohl der Hangar oft Probleme mit dem Sound hatte war es zu dieser Show brillant und die erlebte Restshow entschädigte das Project Pitchfork Missgeschick ein wenig.

Impressionen vom Mera Luna (Foto: Torsten Volkmer bs! 2017)

Feuerfontäne zu ASP doch dann ging die Leinwand aus. Was zuerst wie ein gewollter Effekt wirkte wurde schnell als technischer Fehler entlarvt, als alles aufiel. Kein Ton, kein Bild, nichts erklang mehr von der Bühne. 10 Minuten war die Bühne tot und keiner wusste was los war. Erst um 21.33 kam eine kurze Durchsage, die ein Stromproblem bekannt gab und versprach dass das Programm bald ungekürzt weitergehen würde. Gesagt, getan. Nachdem das Problem behoben war zogen ASP ihre energiegeladene und mitreißende Show gnadenlos durch obwohl sie von einem erneuten starken Regenguss überrascht wurden und der Auftritt erneut unterbrochen werden musste.

Impressionen vom Mera Luna (Foto: Torsten Volkmer bs! 2017)

Für die Leute im Hangar ging die Party derweil ungebremst mit Covenant weiter. Auch wenn Sänger Eskil Simonsson zwischenzeitlich desorientiert und verstrahlt wirkte, überzeugte der Sound und der Hangar kochte. Von alten bis neuen Hits hielt kein Bein still.

Korn (Foto: Torsten Volkmer bs! 2017)

Das Positive an den vielen Unterbrechungen war, dass man direkt aus dem Hangar zum Auftrittsbeginn von KoRn stolperte. Nach einem wackligen Sound zum Beginn entwickelte sich dieser Auftritt zu einem wahren Highlight des Tages. Trotz wetterbedingter Verspätung von einer geschlagenen Stunde zeigten sich die Bandmitglieder in Bestform und guter Laune und konnten die Menge mühelos zum Mitmachen motivieren. Der Matsch wurde zu Brei getreten während KoRn eine perfekte Mischung ihrer gesammelten Werke runterrockte. Selten hat man sie in der Vergangenheit so gut erlebt (ich zumindest nicht).
Völlig angestachelt von diesem grandiosen Konzertausklang ging die Party auf Zeltplatz und im Hangar weiter. Trotz Wetterbedingungen ein vollends gelungener erster Festivaltag.

Korn (Foto: Torsten Volkmer bs! 2017)

Der Sonntag begann mit einer großen Überraschung: die Sonne. NEIN, nicht die Sonne. Diese schaute zwar auch vorbei aber das echte Geschenk des Tages war ein Gastauftritt der elektronitschen Bühnenwurst aus Berlin auf der Zeltplatz Landebahn. Radio Vox Noctem hatte keine Kosten und Mühen gescheut um einen speziellen Geheimgig zu organisieren. Schon 15 Minuten vor der angekündigten Zeit fanden sich die Fans an dem pinkfarbenen Pavillon ein. Zum Glück war der Hauptgast ein paar Minuten zu spät, denn der Dixie-Reinigungstrupp musste noch kurz die Örtlichkeiten vor der Auftrittsplattform säubern. Danke dafür, Jungs!

Impressionen vom Mera Luna (Foto: Torsten Volkmer bs! 2017)

Und dann war es endlich soweit. Mit Hornbrille, Shorts, Hemd, Sandalen und dem Keyboard unter dem Arm erschien unter großem Jubel Tomas Tulpe. Über eine Stunde wurden die Lachmuskeln und Stimmbänder strapaziert. Tomas sorgte für gute Stimmung, die Zuschauer rasteten vollkommen aus! Sämtliche Hits wie „Disco!“, „Ich happa Hunger“ oder „Schmier mir eine Schnitte“ heizten die Leute immer mehr auf. Natürlich durfte auch der passende Hit „Ich bin ein Grufti“ nicht fehlen. Es war eine Wonne die schwarz gekleideten Menschen so ausgelassen zu diesem Unsinn feiern zu sehen (und mit zu machen). Somit war mein persönliches Sonntagshighlight bereits kurz nach 14 Uhr zu Ende. Ein herzliches Dankeschön dafür an Vox Noctem!

The Cruexshadows (Foto: Torsten Volkmer bs! 2017)
The Cruexshadows (Foto: Torsten Volkmer bs! 2017)

Tomas Tulpe Fans kamen dann noch rechtzeitig zu The Crüxshadows. Von einer Sause in die nächste ist um einiges besser als vom Regen in die Traufe. Frontmann Rogues Gesangeskünste waren wie immer mehr oder weniger durchschnittlich, doch er wusste die Menge mit seiner Ausstrahlung und Selbstsicherheit zu überzeugen. Man konnte fühlen, dass er seine Musik liebt und lebt. Auch das Töchterchen schaute bei den ersten Songs vom Bühnenrand aus zu. Musikalisch boten The Crüxshadows ein tolles Programm, und stellten eine gute Einstimmung auf die später folgenden Blutengel dar.

Mit Feuerfackeln und schwarzen Kapuzenkutten sorgten Blutengel bei der Eröffnung ihrer Show für Atmosphäre. Auch Mark Benecke gehörte zu einem der Fackelträger on stage. Musikalisch mag man Freund oder Feind der Band sein, doch visuell sorgten die Berliner einmal mehr für Aufsehen.

Blutengel (Foto: Torsten Volkmer bs! 2017)

Eine ästhetische Show mit lasziven Nonnen, Kunstblut und Mädchen in Uniformen ließen den Fantasien freien Lauf. Im Vordergrund animierten ein wie immer verstrahlt wirkender Chris Pohl (er ist einfach kein Redner) und Ulrike Goldmann mit ihrer unglaublichen Stimme. Doch nicht nur die Damen von Blutengel zogen das Augenmerk auf sich.

Denn trotz – ja man wird es nicht müde zu erwähnen – schlammigen Umständen scheuten die Besucher nicht vor langen Gewändern und ausgefallenem Schuhwerk zurück. Auch am Sonntag blieb Freude am Stylen, der Liebe zum Detail und der Möglichkeit all dies unter Gleichgesinnten zu erleben ungebremst und machte das M’era Luna wie jedes Jahr zu einem familiären und liebevollen Event.

Blutengel (Foto: Torsten Volkmer bs! 2017)

Als Headliner des Sonntags betraten And One die Bühne. Steve Naghavi in Höchstform, konnte kaum still halten im Rampenlicht und sorgte mit seinem eigenen Humor für mehr Verwirrung als Lacher. Doch das Publikum tanzt, dass der hartnäckige Matsch spritzt und somit sorgen And One für eine stimmungsvollen Ausklang des Festivals.

And One (Foto: Torsten Volkmer bs! 2017)

Am Ende muss man noch einmal erwähnen, dass es im Voraus einen riesen Tumult um die neue Taschenreglung gab. Eine richtig nervtötende Klausel, die jetzt ein Festival nach dem anderen durchsetzt. Es gab eine große Revolte auf Facebook vorab, doch am Ende kam man gut mit einer kleinen Tasche klar. Die Schlangen vor dem Einlass waren allerdings gleich kurz und die Securities entspannt wie immer. Allerdings sollte man auch erwähnen, dass die WC-Schlangen so lang wie immer waren, ich hoffe dass sich daran mal etwas ändern wird. Und auch die Händewaschmöglichkeiten auf dem Infield waren begrenzt.

Impressionen vom Mera Luna (Foto: Torsten Volkmer bs! 2017)

Wenn schon Tascheneinschränkungen, dann bitte mit besseren hygienischen Bedingungen von Seiten des Veranstalters. Wie heißt es doch gleich: Zuckerbrot und Peitsche!
Doch außer dem Gejaule vorab verlief das M’era Luna einmal mehr äußerst friedlich und harmonisch trotz angespannter Wetterbedingungen mit allem was dazu gehört.

Manchmal muss man Regen einfach Regen sein und an sich abperlen lassen. Und immerhin macht Regen albern… oder war das die Sonne…? Völlig egal denn wie man an diesem Wochenende erkennen konnte ist das Wetter am M’era Luna zweitrangig.

Dem Vorverkaufsstart für 2018 tat dies keinen Abbruch, obwohl noch keine einzige Band angekündigt wurde. Mal sehen welche neue Regelungen nächstes Jahr für einen Facebook-Aufruhr sorgen werden, denn ohne wäre es ja langweilig.

Unsere komplette Galerie (inkl. der anderen Jahre bis 2004):

Links:
www.meraluna.de

Melanie Schupp
Melanie Schupphttps://www.be-subjective.de/
Melanie – the fucking awesome face from outer space – Schupp, ist Freizeitzombie, der Alptraum jedes Metalldetektoren, HardcoreBraut und schippert von Hamburch auch mal über den Musicheadquarter. Als kleine Schwester Edward Scissorhands, hat sie das zweite Gesicht, schreibt ihre Texte mit Kunstblut und Kajal und bringt Farbe in jeden Fotograben.

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