Review: Mera Luna Festival 2012 (11.-12.08.2012, Hildesheim)

Foto: Torsten Volkmer
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Dieser Sommer war wohl der undankbarste seit jeher für alle Festivalfans und -besucher. So gut wie jedes Festival in Deutschland ging im Regen unter und wurde von Blitzattacken heimgesucht. Schlammseen, zerstörte Zeltstädte und steigende Umsätze in der Gummistiefelbranche, die wahrscheinlich die einzigen waren, die von dem Ganzen überhaupt profitierten. Doch pünktlich wie die Uhr kam am zweiten Wochenende im August die Sonne aus ihrem Versteck und läutete noch das letzte bißchen Sommer ein. Und zwar genau zum Zeitpunkt des Festivals, bei dem – so mag man meinen – die Sonne am wenigsten willkommen sei. Doch die rund 25.000 Gothik-Anhänger, die das diesjährige Mera Luna besuchten hießen die Sonne freudig willkommen – allen Vorurteilen zum Trotz. Es wurden nur die schönsten Outfits ausgepackt, ausgedehnte Schminksessions in der Sonne gehalten und man lachte sich gegenseitig aus, weil so gut wie jede dritte Person ein lustiges Sonnenbrandmuster von Netzstrümpfen oder Bondages zur Schau trug.

Der Freitag begann mit einer entspannten Anreise und dem Aufbau der überschaulichen Zeltstadt. Alles schön relaxt und voller Vorfreude auf das Festival und die einmalige Atmosphäre. Danach wurde in der Sonne ein Kaltgetränk genossen und wer Lust hatte konnte sich Lesungen von Mahet, Christian von Aster und Gesa Schwartz anhören. Später wurde der Sound hochgefahren und bei der jährlichen Warm-Up Party im Discohangar der Tanz eröffnet. Die DJs Ronny Moorings (Clan Of Xymox) und Honey (Welle:Erdball) sorgten mit vielen Szene-Hits für die richtige Stimmung und der Hangar blieb bis in die Morgenstunden mit Tanzwütigen gefüllt.

Doch trotz nächtlicher Feierei hieß es am nächsten Tag früh aufstehen. Nicht nur die Sonne machte das Ausschlafen im Zelt zu einem Ding der Unmöglichkeit, auch klopften die ersten Bands bereits an die Zelttüre. So eröffneten die Gewinner des diesjährigen Bandcontests Symbiotic Systems die Main Stage. Hier konnte man gemütlich in den Tag starten, aber auch der Mittelaltermarkt lockte mit Ständen voll Essen, Kleidung & Accessoires und andern unterhaltsamen Dingen. Natürlich war auch schon die Shoppingmeile auf dem Festivalgelände eröffnet, auf der das ganze Wochenende nach herzenslust eingekauft und flaniert werden konnte. Den Hangar eröffneten derweil Noyce TM mit entspannendem Electro Pop und obwohl es einige Soundprobleme gab, war der Hangar doch gut gefüllt und die Laune war nicht unterzukriegen. Apropos: die Soundprobleme häuften sich in diesem Jahr leider wieder im Hangar – im vergangenen Jahr schienen diese Probleme fast ausgemerzt zu sein (oder wir hatten einfach immer die „richtigen“ Bands angesehen was die Abmischung betrifft). Schade denn gerade im Hangar herrscht für Electro Pop und EBM Band u. Ä. eine perfekte Atmosphäre, aber natürlich hat so eine große Halle einige Tücken für den Soundtechniker. Unermüdlich zogen sich die Probleme durch den Tag – doch das Publikum ließ sich nicht beirren und weiter ging es mit treibendem Electro-Rock von den Officers. Trotz teilweise schwammigem Sound und ausarbeitungsfähigen Vocals war der Unterhaltungsfaktor hoch.

Foto: Torsten Volkmer
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Unter freiem Himmel und einem Sonne-Wolken-Mix wussten Bands wie Grüssaugust, Roterfeld und Megaherz die Messlatte hoch zu halten. Hier war für jeden etwas dabei. Diary Of Dreams und Fields Of The Nephilim gehören quasi schon zum Inventar der Szene. Subway To Sally sorgten für ein wenig mittelalterlichen Charme und hatten wie immer ihr Publikum fest im Griff. Die weltbekannte Band Placebo, die an diesem Abend als letzte die der Mainstage beglückten, sagt auch jedem Nicht-Szene-Anhänger etwas. Brian Molko und seine Jungs legten ein professionelles und qualitativ hochwertiges Set hin und Molko ließ auch ein wenig seiner Deutschkenntnisse durchscheinen. Allesamt schufen sie eine wunderbar abwechslungsreiche Atmosphäre auf dem Festivalgelände. Und im Hangar konnte man sich bei Acts wie Jäger90, Noisuf-X, Faderhead oder Leatherstrip abkühlen… die Abkühlung galt jedoch nur für die Sonnenstrahlen, denn drinnen wurde teilweise getanzt bis die Körper glühten. Zum letzten Act des Hangars am Samstag hatte sich der Sound auch gefangen und Suicide Commando boten eine fantastische Show.

Natürlich standen auch in dieser Nacht die Tore des Discohangar offen und viele scheuten sich nicht den Eintritt zu zahlen, obwohl es unlogisch erscheint als Festivalbesucher im Besitz eines Festivaltickets,  die festivaleigene Disco zusätzlich zu bezahlen. Aber so ist es und so wird es sicher auch bleiben, immerhin erschienen 4 euro nicht allzu überteuert und wer für Faderhead und Martin Sprissler (Gothic Magazine) am Mischpult nicht zahlen wollte, der hatte immer noch genug Gelegenheit die Nacht auf dem Zeltplatz ausklingen zu lassen und kam hier auch sicher alles andere als zu kurz.

Auch der Sonntag startete mit bombastischem Festivalwetter und sehenswerten Bands wie Les Jupes, The Juggernauts, Absolute Body Control und Lacrimas Profundere. Tanzen, träumen, abgehen, versinken und schwitzen sind nur ein paar Stichworte des Tages. Erneut gab es mit einem Programm von Goth-Rock über Elctro bis hin zu mittelalterlichen Klängen alle

Foto: Torsten Volkmer
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s was das schwarze Herz begehrt. Auch Welle:Erdball waren dieses Jahr wieder mit von der Partie. Bei dieser Band, die nun schon seit über 20 Jahren im Geschäft ist, wird der Unterhaltungsfaktor stets groß geschrieben. Und auch dieses Mal enttäuschten sie ihre Fans nicht. Seifenblasenattacken, Glitzerkanonen und Riesen-Wasserbälle, die über das Publikum hüpften erläutern nur einen Ansatz dessen was geboten wurde. Sogar ein Commodore C64 wurde an den verschenkt, der die Leere Umverpackung auffing. Da der erste Versuch gleich im Securitygraben landete, musste ein neuer gestartet werden und diesmal ging der C64 auch an eine glückliche Person aus dem Publikum.

Als Kontrastprogramm zu dem locker-leichten Welle:Erdball Sound folgte im Hangar Amduscia. Diesmal begleiteten (fast wie bei Welle:Erdball) Frontmann Polo Acevedo zwei reizende Mädels an den Keyboards. Der Aggrotech der Band kam gut an und auch die Abmischung funktionierte diesmal ganz gut. Spätestens jetzt war der Dancefloor für diesen Tag eröffnet.

Die darauf folgenden Rotersand wurden von ihren Fans sehnlichst erwartet. Der Jubel war groß, als die Band nach langer Abstinenz auf die Bühnen des Hangars zurückkehrte. Auch wenn die später erscheinende Showeinlage durch ein weibliches Ballett-Trio die Meinungen spaltete, lieferten Rotersand eine gute Show mit überwiegend guter Qualität.

Auch draußen vor der Hauptbühne gelangte die Stimmung zu ihrem vorläufigen Höhepunkt als Eisbrecher – unterhaltsam wie immer – die Menge in Schach hielten. Alexx, auch der Checker genannt, machte seinem Ruf als Entertainer alle Ehre – von Jodelei bis Rap blieb auch genug Raum für den Goth-Rock der Jungs.

Foto: Torsten Volkmer
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Weiter gings mit New Model Army – trotz ein paar technischer Probleme überzeugten die alten Hasen in voller Länge. Relaxt im Gras sitzend genossen viele Fans der Musik ihrer Vorbilder – viel zu drückend war die Sonne an diesem Tag. Für den Hangar sollten in diesem Jahr Hocico das Festival ausklingen lassen. Und das taten sie auch gebührlich. Hier konnte nochmal richtig schön das Tanzbein zu harten elektronischen Sounds geschwungen werden. Ein perfektes Outro für das diesjährige Festival.

Während im Hangar das Electrofieber um sich griff, ließen es draußen die Mittelalter-Rocker von In Extremo noch einmal krachen, bevor sich das Mera Luna 2012 leider endgültig seinem Ende zuneigte. Das Mera Luna bot auch dieses Jahr – wie nicht anders zu erwarten – einiges fürs Auge und für die Ohren. Vor allem aber eine entspannte Festival- und Partyatmosphäre, in der man sich stets sicher und unter seinesgleichen fühlen konnte. Wie immer war es das entspannteste, freundlichste und stimmungsvollste Festival des Jahres. Es ist immer wieder schön an den Flugplatz Drispenstedt zurückzukehren. Wir freuen uns auf 2013 mit den ersten bekannten Headlinern ASP, Front 242 und Crüxshadows.

Fotos:
 


 

Link:
www.meraluna.de

Torsten Volkmer
Torsten Volkmerhttp://www.torsten-volkmer.de
Volkmr, der Gründer des ehemaligen Goth-Zine.de, verdingt sich „selbst und ständig“ als Linsenputzer bei volkmr fotografie ihm seine Knipsklitsche, hat sich als Chefredakteur 2.0 selbst recycelt, die Metalfriese abgeschüttelt und kämpft mit be subjective! erfolgreich gegen hausgemachte Langeweile, Schubladendenken und seine Profilneurose an. Manchmal darf er auch die RedakteurInnen rumfahren oder Wassereis abstauben.

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