Review: In love with… Rock Meets Silence Vol. 3 (03.12.2016, Berlin)

Kulturelle Veranstaltungen verschiedenster Art gibt es in Hülle und Fülle. Da sind die aktuellen Chartbreaker ohne Seele, die mal schnell auf Tour gehen und genauso schnell wieder verschwinden, der Nullachtfünfzehnrock im hippen Club in der Innenstadt, die gigantisch posierende Metalband in der ausverkauften Arena. Und dann gibt es noch diese kleinen, aber feinen und äußerst erlesenen Veranstaltungen, die für Herz und Seele gemacht sind. Solche, an die man sich auch gerne noch Jahre später erinnert und in sehnsüchtigen Erinnerungen schwelgt. Solche, die so selten sind und damit so unglaublich kostbar. Solche, die zum Beispiel in kleinen Kunstgalerien in Berlin mitten in einem Wohnviertel stattfinden. Da, wo man es manchmal gar nicht vermutet.

So zieht die Veranstaltung, wo Rock auf Ruhe trifft, bereits in der dritten Runde wieder in die TheARTerGalerie mitten im Berliner Nibelungenviertel. Wieder mit dabei sind Rob und Clea von Lacrimas Profundere und Florian Grey. Neu an Board auf dem kleinen Boot ins verträumte Meer sind die Finnen Sammy und Ilari von Private Line. Zeit für: Rock Meets Silence Volume Drei. Zieht die Ärmel nach unten, es gibt Gänsehaut. Uaaaaaah.

Freundlich begrüßt wird man, wenn man durch den Eingang der Hagenstraße 56  hinein in die TheARTerGalerie tritt. Die kleine, aber sehr gemütliche Galerie bietet etwa Platz für 50 Personen. Mexikaner gibt es hier in umsonst, wenn er den Kampf gegen den Vanilla Kiss gewonnen hat. An den schwarzen Wänden des Berliner Altbaus hängen Werke von Inhaber Carsten Schmidt. Clan-Mitglieder genießen extra ausgewiesene Sitzplätze, der Katzenbesitzer kichert verschmiezt über die Tüte Katzenstreu auf der Menschentoilette.

So machen mann und frau es sich mit einem Getränk zu fairen Preisen auf den Bänken und Stühlen bequem. Die kleine Bühne erleuchtet im gleichen Anmut wie das Jahr zuvor. Unendlich viele Kerzen und Leuchter sorgen für besinnliche und schummrig-schöne Atmosphäre. Das Kabelwirrwarr scheint verworren, aber durchaus lösbar.

Private Line (Foto: Kristin Hofmann bs!)
Private Line (Foto: Kristin Hofmann bs!)

Zur zwanzigsten Stunde rücken die Finnen auf die Bühne ein. Sammy und Ilari von Private Line erkennt der Insider für finnische Rockmusik tatsächlich sofort als Finnen, auch wenn er mit der Band selbst vielleicht noch keine Bekanntschaft gemacht hat.  So landen die Zwei  just in diesem Moment auf der Bühne der TheARTerGalerie in Berlin.

 

Private Line (Foto: Kristin Hofmann bs!)
Private Line (Foto: Kristin Hofmann bs!)

Zwar scheinen sie etwas irritiert über eine sitzende Zuschauerschaft an einem Samstagabend, aber das Sitzen gehört heute einfach dazu. Sammy und Ilari kommen mit zwei Gitarren daher und singen mit Herz und Seele. Mit finnischen Wortwitz und vielen “Kiitos” verfinnen die beiden im Sitzen und auch im Stehen das gespannte Publikum. Runde Eins mit Private Line vergeht wie im Fluge. Leider.

I can see through their illusions
All for one and none for all
The strongest whisper; revolution
Their religion is a loaded gun

Florian Grey (Foto: Kristin Hofmann bs!)
Florian Grey (Foto: Kristin Hofmann bs!)

Nach einer kurzen Pause ist es Zeit für die “teuerste Band der Welt”. Galerieinhaber Carsten Schmidt kündigt mit einem “yeah evil” Lächeln Florian Grey an. Mit seinem Gitarristen, der manchmal schneller spielt als er überhaupt darf und einem grundentspannten Bassisten übernimmt Florian Grey für die nächste Stunde die Bühnenregie. Auch wenn das verschwundene Gitarrenplättchen anfangs versucht, den Startschuss zu verhindern, findet Gitarrenmann Von Marengo doch noch den fehlenden Übeltäter. Los geht es. Florian fängt an zu singen und so mancher Mund bleibt vor wohlwollenden Erstaunen offen stehen.

It’s a strange way
A strange way to come
Just one word
One word to harm

Florian Grey (Foto: Kristin Hofmann bs!)

Herr Grey singt mühelos von unten nach oben und wieder runter, witzelt, ist charmant und gestikuliert viel mit seinen Händen. Auch ohne Mikrofon ist er mühelos in vollem Glanze zu hören. Mit seiner offenen und sympathischen Art hat er genau wie letztes Jahr die gespannten Zuschauer schnell auf seiner Seite. Zum lauten oder auch leisen Mitsingen gab es viele Stücke vom aktuellen Album “Gone” zu hören. Alle Ohren lauschen gespannt und sinnlich gestimmt. Florian Grey und seine Mitmusiker verlassen nach reichlich 45 Minuten die Bühne und hinterlassen zufriedene Gesichter. Dann heißt es “Rauchen und ein Bier gebrauchen” (F.G.).

Setlist Florian Grey

  1. In Control
  2. Frozen Heart Philosophy
  3. My Fear
  4. Laudanum
  5. Serpent Eyes
  6. Strange Ways
  7. Blurry
  8. The End
  9. A Black Symphony
  10. Gone
Lacrimas Profundere (Foto: Kristin Hofmann bs!)

Als krönenden Abschluss verzaubern Rob Vitacca und Clemens Schepperle von Lacrimas Profundere das unendlich gespannte Publikum der schönsten kleinen Kunstgalerie im Lande. Da sitzen die beiden auf einmal und schon geht es los. Dass sie zu Tränen rühren und immer wieder zu dieser Gänsehaut führen, wissen sie vielleicht. Dass sie für einige wahre Helden sind, ahnen sie vielleicht gar nicht. Und dass ihre Musik einfach nur hilft und gut tut. Rob und Clea bringen es in Sekunden fertig, ihr interessiertes Publikum A Million Miles Away zu entführen. Wieder geht es mit den beiden auf die Reise ins Traumland. Wieder da hin, wo es so unglaublich schön ist und man eigentlich nie wieder weg will.

I don’t feel now, where I belong
I don’t see how I am alive
I cannot find a place
I cannot finde my place
To stay

Lacrimas Profundere (Foto: Kristin Hofmann bs!)
Lacrimas Profundere (Foto: Kristin Hofmann bs!)
Lacrimas Profundere (Foto: Kristin Hofmann bs!)
Lacrimas Profundere (Foto: Kristin Hofmann bs!)

So verzaubern Rob & Clea nicht nur mit ihrem sagenhaften Können an Gesang, Gitarre und Bass. Sondern auch mit ihrem unglaublich sympathischen Charme und ihrer Hingebung und Leidenschaft in ihre Musik. Jedes Lied, jede Strophe und jede Zeile wird so in einer Art und Weise zum Leben erweckt, die man nur selten findet. So wechseln sich zerbrechliche Hingebung wie bei “Hope Is Here” oder “Timbre” ab mit rotzig-frech-groovigen Stücken (“Dear Amy”, “A Pearl”) und emotionsgeladenen Ausbrüchen beim Erklingen des persönlichen Lieblingsliedes. So führt “No Matter Where You Shoot Me Down” wie schon im Vorjahr zu einem weiblichen Freudenschrei. Oder “Head Held High” lässt ein paar Tränchen über das Gesicht kullern. Die Gefühle kommen hier hoch, sie breiten sich aus. Du kannst absolut nichts dagegen tun außer Dasitzen, Hören, Genießen, Einatmen, Ausatmen.

Blank those lies and keep your head held high
They didn’t know you at all
They didn’t know that you feel left alone

Lacrimas Profundere (Foto: Kristin Hofmann bs!)
Lacrimas Profundere (Foto: Kristin Hofmann bs!)

Alle lauschen äußerst gespannt, verinnerlichen was sie hören, genießen es. Trauen sich kein störendes Nebengeräusch zu fabrizieren an Stellen, wo Nebengeräusche unangebracht wären. Publikum und Band genießen die sehr private Atmosphäre, die Nähe, die Nacktheit.

Ach könnte dieses schöne Gefühl doch ewig dauern …

Lacrimas Profundere (Foto: Kristin Hofmann bs!)
Lacrimas Profundere (Foto: Kristin Hofmann bs!)

 

Doch die Zeit sieht das leider anders. So vergeht sie zum Leidwesen aller Beteiligten mal wieder viel zu schnell. Als Obendrauf-Sahnehäubchen gibt es noch “Pageant”, ein Lied vom aktuellen Album “Hope Is Here”, das live noch frecher daher kommt als man es sich vorstellen kann. Beim “Blackbird Song” erwischt man sich dann noch einmal selber beim Wegträumen … doch dann leider: zu Ende. Das Genießerpublikum läuft zu Hochtouren auf und gibt dem Superduo einen wohlverdienten und lauten Applaus bis das umliegende Wohngebiet zittert.

Where’s the light that saves our lives?
Roots alone
Guide us home

Lacrimas Profundere (Foto: Kristin Hofmann bs!)
Lacrimas Profundere (Foto: Kristin Hofmann bs!)

Rock Meets Silence Vol. 3 endet so mit dem außergewöhnlich schönen und erfüllenden Gefühl, gerade an etwas ganz Besonderem teilgenommen zu haben. Glücklich und auch irgendwie etwas high stürzen sich so die Ersten in die eisige Kälte der Nacht oder halten noch einen gemütlichen Galerie-Plausch.

Sollte es 2017 eine vierte Auflage von Rock Meets Silence geben, gibt es nur eine wichtige Bemerkung: Unbedingt hingehen. Ihr verpasst sonst etwas, ihr werdet euch ärgern, ihr werdet es bereuen, ihr verfallt in nie endende „Ach wäre ich damals nur gegangen … .

Vielen Dank an Music Lights Berlin für diese unglaublich schöne und kleine Konzertreise, an Private Line und Florian Grey und natürlich an meine ganz persönlichen Helden – Lacrimas Profundere.

Setlist Lacrimas Profundere

  1. A Million Miles
  2. Hope Is Here
  3. Lonely Road
  4. Head Held High
  5. Dear Amy
  6. No Matter Where You Shoot Me Down
  7. My Release In Pain
  8. A Pearl
  9. Black Moon
  10. Timbre
  11. Pageant
  12. Black Bird Song

 

Galerien:

Links:

Zitate:
Broken Promise Land“ – Private Line, „Strange Ways“ – Florian Grey, „A Million Miles„, „Head Held High„, „Timbre“ – Lacrimas Profundere

Kristin Hofmann
Kristin Hofmannhttp://www.fotokatz.de/
Kristin Hofmann, das schnurrende Fotokatzl, ist uns von den Elbwiesen zwischen Nightwish und Lacrimas Profundere im Fotograben irgendwie zugelaufen. Das „Spätzchen“ fährt in der Regel nicht die Krallen aus, voll auf weißblaue Vierräder ab und hat die anderen sechs Nerdzwerge zwischen Datenkraken, Mediendschungel und Hexadezimal im Blinzelwettbewerb längst platt gemacht. Schnurrbart steht ihr übrigens nicht so gut wie DocMartens, aber irgendwas is’ ja immer. Bitte nicht füttern!

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