Review: Farbenrausch in Supercolor – Von Wegen Lisbeth live (08.10.2025, Hannover)

Heutzutage ist ja alles digital und High-End. Der Sound ist glasklar durch Dolby Atmos oder DTS:X, das Bild ist 3D und Full HD. Früher, da gab es PAL Color, ein Verfahren zur Farbübertragung beim analogen Fernsehen. Analog? Das war gestern. Und heute ist hier der Neustart dieser Band nach langer Zeit der Abstinenz. Heute ist hier sehr viel Farbe im Einsatz. Aber nicht PAL. Es gibt einen…

Farbenrausch in Supercolor

Laura Lee & The Jettes (Foto: Michael Lange bs! 2025)

Bevor Von Wegen Lisbeth im Capitol Hannover die Bühne übernehmen, sorgen Laura Lee & The Jettes für einen kraftvollen Auftakt. Ihr Set ist energiegeladen, ehrlich und deutlich mehr als bloßes „Warmspielen“: Die Berliner Band um Frontfrau Laura Lee liefern einen krachend charmanten Auftritt.

Rauer Sound mit Gefühl

Laura Lee & The Jettes (Foto: Michael Lange bs! 2025)

Laura Lee & The Jettes mischen Grunge-Attitüde, Dream-Pop-Melancholie und eine ordentliche Portion Selbstbewusstsein. Die Gitarren knurren, der Bass drückt, das Schlagzeug treibt voran – und mittendrin Laura mit ihrer markanten, leicht kratzigen Stimme, die live noch intensiver wirkt als auf Platte.

Das Set im Capitol kombiniert Songs vom Debüt Wasteland (2021) mit Stücken aus dem frisch erschienenen Album Tough Love Paradigm (2025). Egal ob in deutscher oder englischer Sprache gesungen: Die Songs klingen direkt, reif und persönlich.

Unsolicited Advice“ – ein Song mit Message

Ein besonderer Moment des Abends war der Song „Unsolicited Advice“. Laura kündigt ihn mit einem kurzen Lächeln an – und einem kleinen Seitenhieb auf all die ungefragten Tipps, die man bekommt, wenn man Mutter wird. Der Song ist ein Kommentar auf Übergriffigkeit, verpackt in eingängigen Indie-Rock. Für den Refrain fordert Laura das Publikum auf, im Chor die Zeile „I know it better“ mitzusingen – und Hannover ließ sich nicht zweimal bitten. Innerhalb weniger Sekunden wird der Saal zu „Besserwissern“ und zum Call-and-Response-Chor. Diese Mischung aus Ironie und Empowerment zieht das Publikum spürbar mit.

Laura Lee & The Jettes (Foto: Michael Lange bs! 2025)

Starke Präsenz, klare Haltung

Laura Lee steht mit einer Selbstverständlichkeit auf der Bühne, die man nicht lernen kann. Keine Show, kein Klamauk – stattdessen ehrliche Energie und klare Haltung. Sie kommuniziert sehr charmant mit dem Publikum und macht sich Sorgen, dass die Raucher hinter der Glasscheibe auch einen guten Sound haben. Die Band ist tight eingespielt, das Zusammenspiel wirkt organisch, der Klang kompakt und druckvoll. Nur in den lautesten Momenten geht Lauras Gesang im Mix kurz unter – ein kleiner technischer Wermutstropfen in einem sonst sehr souveränen Auftritt.

Fazit:
Laura Lee & The Jettes haben als Support-Act mehr als überzeugt. Sie lieferten ein kurzes, intensives Set, das zeigte, dass moderner Indie-Rock Haltung und Tiefgang haben kann. Zwischen kantigen Riffs, klugen Texten und echter Bühnenpräsenz blieb kein Zweifel: Diese Band spielt nicht, um zu gefallen – sie spielt, um etwas zu sagen. Ein starker Einstieg in den Abend und ein Support, der Lust auf mehr machte – vor allem auf eine eigene Headliner-Tour.

Schließt die Schulen dieser Stadt, weil es keinen Sinn mehr hat
Noch ein Weltbild zu vermitteln, das schon durch das kleinste Schütteln
Deines linken Schulterblatts einfach so zusammenkracht
Und nur Schutt und Asche ist, wenn du dann am Tanzen bist

Von Wegen Lisbeth (Foto: Michael Lange bs! 2025)

Und jetzt kommt endlich Farbe ins Spiel. Von Wegen Lisbeth haben richtig aufgefahren. Die Bühne ist zugestellt von hier bis Meppen. Viel hilft viel? Die Berliner sind nach eigenen Worten mächtig nervös. Merkt man. Tourstart halt. Können sie es noch? Na sicher. Gelernt ist gelernt, aber sie müssen erstmal reinkommen. Geht aber ganz schnell. Bunte Lichter, klare Klänge, vertraute Gesichter: Von Wegen Lisbeth haben im Capitol Hannover den Auftakt ihrer SUPERCOLOR TOUR gefeiert – und das Publikum in eine andere Welt versetzt.

Passend zum Tour-Titel ist das Konzert ein Fest für Augen und Ohren. Leuchtende Stelen flackern und pulsieren in allen Farben, eine riesige silberne Kugel spiegelt das Licht in den Saal. Die Band selbst bleibt meist im Halbdunkel (also nichts mit HD) – kein Spot auf die Musiker, kein Bühnenpathos. Der Fokus liegt eher auf dem Sound, (dieser dann in Dolby-Qualität), auf dem Gesamtgefühl. Nur bei den Ansagen dreht sich das Saallicht kurz nach oben, damit Frontmann Matze Rohde seinen Lausbubencharme ausspielen kann. „Ein paar neue Songs, aber auch gaaaanz viele alte“, verspricht er augenzwinkernd – und das Publikum feierte die unbeschwerten Indie-Pop-Klassiker „Westkreuz“, „Sushi“ und „Meine Kneipe“. Am eindrucksvollsten gerät dabei eine opulente Version von „30 Segways, ein Ferrari“ mit ganz starken, drängenden Synths. Hier spürt man besonders, dass die Band nicht nur das Bewährte liefern will, sondern sich weiterentwickelt.

Von Wegen Lisbeth (Foto: Michael Lange bs! 2025)

Neues ausprobiert – und sofort gezündet

Die fünf Jungs aus Berlin nutzen den Tourstart, um neue, noch unveröffentlichte Songs live zu testen. Und die zünden sofort. Besonders der Song mit der Zeile „Widersprüche aushalten“ wird vom Publikum gefeiert, als wäre er längst ein Klassiker. Der Bass sorgt für ordentlich Druck, die Arrangements sitzen, der typische Mix aus Pop, Indie und feiner Ironie funktioniert bei den neuen Stücken perfekt. Meine Prognose: Die aktuelle Single „Madame Tussauds” wird ein fester Bestandteil im Live-Set der Band.

Publikum mit Chorgesang und Gänsehaut

Von Wegen Lisbeth (Foto: Michael Lange bs! 2025)

Das Capitol ist rappelvoll, die Stimmung ausgelassen. Und da ist es fast egal, dass der Gesang im Mix hinter den Instrumenten verschwimmt. Die Fans kennen jedes Wort, jede Pause, jedes Augenzwinkern der Band. Spätestens bei den Zugaben wird klar, warum Von Wegen Lisbeth live so beliebt sind: Beim Song „Elon“ verwandelt sich der ganze Saal in einen einzigen Chor – 1.200 Stimmen, die gemeinsam singen, tanzen, lachen. Ein Moment, der hängen bleibt.

Zum Abschluss kommt dann, natürlich, „Wenn du tanzt“ – der Song, der längst Hymnenstatus hat. Knapp zehn Jahre alt, aber noch immer so zeitlos wie beim ersten Hören.

„Dass diese Welt nicht zusammenfällt, liegt nur an deinen Beinen.“

Galeiren (by Michael Lange bs! 2025):

Text: Thomas Tietze

Setlist Laura Lee & The Jettes:

  1. Caterpillar
  2. Zu viel
  3. Tough love paradigm
  4. Absolut
  5. Daylight
  6. Unsolicited advice
  7. Craiglist boy

Setlist Von Wegen Lisbeth:

  1. Westkreuz
  2. Chérie
  3. Das Zimmer
  4. Auf Eis
  5. Gleichgewicht
  6. Mars
  7. L.OST
  8. US-Studie
  9. Portugal (Autoteile auf der Fahrbahn)
  10. Drüben bei Penny
  11. Widersprüche
  12. Opti
  13. 30 Segways, ein Ferrari
  14. EZ Aquarii
  15. Meine Kneipe
  16. Wieso
  17. Bitch
  18. Sushi
  19. Madame Tussauds
  20. Meerschwein
  21. Elon
  22. Wenn du tanzt

Links:
www.lauraleeandthejettes.com
www.vonwegenlisbeth.de

be subjective!
be subjective!https://www.be-subjective.de
be subjective! music webzine est. 2001 Live-Berichte und Konzertfotos stehen bei uns im Fokus. Die richtigen Wort für neue Töne, musikalische Experimente, Stimmungen in Bildern gebannt, Mega Shows in neuen Farben. Der Atem in deinem Nacken, die Gänsehaut auf Deiner Haut, der Schweiß durchtanzter Nächte zum Miterleben und Nachbeben. Interviews mit Bands und MusikerInnen.  be subjective! aus der Musikszene für mehr Musikkultur. 

Weitere Artikel

Ähnliche Beiträge

Review: Big Fuckin‘ Bang – Battle Beast im Capitol (04.11.2025, Hannover)

Es gibt sie ja schon seit Urzeiten, die ewige...

Review: Liebe, Lust und Leidenschaft – Uriah Heep im Capitol (03.11.2025, Hannover)

So ein Konzertabend und dann noch ein Abend mit...

Preview: Unaufhaltsam – Massive Wagons live (2025)

Warum nennt sich eine Band massive Wagen? Hier will...

Preview: Von Allem was – New Model Army live (2025)

Wenn man sich nicht festlegen kann oder will, was...