Wenn eine Band nur drei „Solo“-Konzerte gibt, also Konzerte wo sie der Hauptact ist, so ist das leider etwas dünne, weil ja alle Regionen nach gutem Rock lechzen. Aber irgendwie ist die Tourplanung dann doch ganz geschickt gewählt. Hannover deckt den nördlichen Einzugsbereich ab, Leipzig den Osten der Republik und Münster den Westen des Landes.
Und was ist mit den Bayern, die kriegen doch gefühlt sonst jeden Act. Gemach, gemach! Rise Against sind auch noch beim Rock am Ring (Nürburgring), beim Rock im Park (Nürnberg) beim Hurricane in Scheeßel, beim Southside Festival in Neuhausen ob Eck (nahe Freiburg) und beim Nova Rock in Nickelsdorf (Österreich) zu sehen. Rise Against sind überall. Aber das heute hier ist ein…
Fest außerhalb der Festivals
Doch auch heute ist die Band aus Chicago nicht allein am Start. Bei solchen Gelegenheiten wird (zum Glück) Newcomer-Bands die Chance gegeben, sich zu zeigen, Aufmerksamkeit zu erzeugen, Hallo zu sagen. Hallo, wir sind auch da. Hallo, wir können auch was. Hallo, hört euch das mal an. Die 5000 Fans auf der ausverkauften Gilde Parkbühne sind gespannt. Wer ist Still Talk?

Still Talk ist eine fünfköpfige Emo-Pop Band aus Köln, bestehend aus Ben, Lucas, Kevin, Micha und Tanja. Die Band machte erstmals mit Shows an der Seite von William Ryan Key (Yellowcard) und Pale Waves auf sich aufmerksam. 2022 veröffentlichten sie ihre Debüt-EP A Short Collection of Songs About How Easily I’m Distracted, die deutschlandweit im Radio gespielt wurde, darunter bei 1LIVE, MDR Sputnik, BR Puls und Deutschlandfunk. Soweit die Vita mit den Einstiegsdaten. Aber was können die? Nun ja, die Mischung machts. Elemente aus Emo, Pop-Punk, Post-Hardcore und Nu-Metal. Manche sagen die klingen wie Paramore. Könnte passen. Auf jeden Fall passt der Einstieg in dem Abend mit Songs wie „Headcheck“ und „Talk to Myself“. Eine gelungene Talk-Show.

Punk ist immer dann besonders notwendig, wenn die Welt Kopf steht, Unzufriedenheit herrscht, zig Probleme auf einmal hochkochen. Dann lassen die von ganz unten ihre Wut, ihren Frust an denen da ganz oben raus und ballern es Ihnen um die Ohren. Punk passiert sehr oft regional aber immer öfter auch global. Und Punk hat leider gerade Hochkonjunktur.
Was hat Rise Against mit Punk zu tun? Ja, nix. Ne, stimmt auch nicht. Eigentlich kommt die Band aus der Hardcore-Szene, aber sie sind umgeschwenkt auf den aggressiven Melodic-Punk. Also kein Hardcore, aber mit Problemen und Missständen kennen die US-Amerikaner sich schon seit 1999 aus. Und benennen diese, global und gnadenlos. Jedes Beben hat ein Zentrum und das ist heute Abend genau hier: Hannover, Gilde Parkbühne.

Before we packed our bags
And left all this behind us in the dust
We had a place that we could call home
And a life no one could touch
Die wahrscheinlich längste Praline, äääh, die wahrscheinlich politischste Band des Kontinents kommt tatsächlich aus den USA. Die mehrfach mit Gold und Platin ausgezeichnete Gruppe (Leadsänger/Gitarrist Tim McIlrath, Bassist/Sänger Joe Principe, Leadgitarrist/Sänger Zach Blair, Schlagzeuger Brandon Barnes) hatte sieben Top-50-Alben in den Billboard 200-Charts, von denen fünf die Top 10 erreichten. Und am 15.08.2025 kommt mit „Ricochet“ ein brandneues hinzu. „I want It All“ ist die Single-Auskopplung und wird heute auch präsentiert.

„Bei ‚Ricochet‘ geht es um unsere kollektive Verbundenheit“, erklärt Sänger Tim McIlrath. „Alles, was du tust, wirkt sich auf jemanden aus (…), wir sind mit anderen Ländern, anderen Volkswirtschaften verbunden; wir sind mit Einwanderern ohne Papiere verbunden. Wir sind mit jeder Entscheidung, die unsere Politiker treffen, verbunden. Es ist alles ein großer ‚Abprall‘-Effekt“, beschreibt er die Kernidee der Platte. Aber relevante Themen gibt es ja genug und daran halten sie inhaltlich auch weiterhin fest. Warum? Weil immer und immer und immer wieder notwendig.

Große Überschrift: „Rassismus“ und „Tierschutz“. Dann geht’s vertiefter in die Materie: ganz aktuell LGBTQ-Rechte aber auch Rechte für Tiere oder Umweltaspekte. Man könnte jede Zeile der Songtexte zerlegen, analysieren und ihnen Deutungen geben. Wahrscheinlich könnte man sogar Abschlussarbeiten drüber scheiben. Wurde bestimmt auch. Wahrscheinlich auch über „Re-Ed“ (Umerziehung durch Arbeit), einem Song über das tägliche Hamsterrad, Hoffnung und dann doch unerfüllte Träume. Oder das eingängige “Violence“ mit der Frage, ob Gewalt zu unserer DNA gehört, um es dann als Mittel zum Zweck einzusetzen oder ob es nicht besser ist darauf zu verzichten, um nicht in Gewalt zu versinken.

Es gibt sogar einen Akustik-Teil mit „Hero“ und „Swing Life Play“, aber überwiegend gibt es doch voll auf die Ohren. “NOD“ handelt vom Trost, dass man nicht allein auf der Welt ist und es immer Mitstreiter gibt. „Satellite“ wird öfter, auch im Mainstream-Radio gespielt. Hier geht’s um Grundsätzliches, nämlich das die Band zu ihren sozialen und politischen Überzeugungen steht und sich nicht den Mainstream-Medien anpassen würde. Aha. Zum Abschluss noch das wohl kommerziell erfolgreichste Lied der Band. „Savior“ thematisiert Vergebung und zerbrochene Beziehungen. Eine zerbrochene Beziehung der Fans zur Band wird es wohl nicht geben, dafür ist diese Band viel zu wichtig. Die Dauer des Konzerts mit nur 90 Minuten ist ziemlich kurz bei so wichtigen Themen, aber für die Fans war es trotzdem ein Fest. Für Menschen, die vielleicht das erste Mal die Band gesehen und gehört haben, war es zumindest ein kleines Fest. Und Kleines Fest ist ein feststehender Begriff in Hannover. Das kennt jeder hier.

Galerien (by Torsten Volkmer bs! 2025):
Setlist Rise Against:

- Re-Ed
- Violence
- Give It All
- Help is on the way
- I Want it All
- The Good left undone
- Prayer of the Refugee
- Hero
- Swing Life Away
- NOD
- Satellite
- Ready
- Mis
- Bricks
- Savior