Review: Besser jetzt als später – Ditz (14.02.2025, Hamburg)

Ditz – das ist so eine dieser Bands bei der man das Gefühl hat sie dringend noch einmal in kleinen Clubs sehen zu müssen, bevor sie, ähnlich wie beispielsweise Idles, durch die Decke geht. Gesagt getan. Am Valentinstag spielte die Band aus Brighton (UK) im Hamburger Kent Club, einer wirklich schicken, glattgestriegelten Venue im Herzen Altonas. Dass hier in ein paar Minuten der Punk toben würde, erahnt man beim Betreten definitiv nicht.

Local Support (Foto: Thea Drexhage bs! 2025)
Local Support (Foto: Thea Drexhage bs! 2025)

Zum Glück trügt der Schein, denn als Local Support – ja die heißen wirklich so – loslegen, entpuppt sich der Laden als wahres Schätzchen. Durch die dicken Betonwände mit Holzboden und Holzdecke ist der Klang voll und satt und die Bässe wummern so angenehm schön, dass die Band ihre vibrierenden Setlists auf der Bühne kaum lesen kann. Muss sie sicher auch nicht können – denn bei den Typ*innen ist alles so dermaßen DIY, das Setlists schon viel zu geplant sind. Das DIY spürt man nicht nur in der Musik, sondern auch beim Merch, wo es selbstgeknüpfte Perlenarmbändchen á la Swifties gibt. Aber zurück zur Musik: Local Support, die zwar in Berlin wirken, aber eine internationale Band sind, machen wirklich hervorragenden Hardcore Punk und das richtig unhinged und richtig gut. Dafür ist längst nicht jede*r im Publikum bereit. Wenn man den Blick schleifen lässt, erkennt man schnell, dass das Ditz-Publikum sich aus allen möglichen Subkulturen zusammensetzt. Da sind die typisch coolen Rock-Show-Gäste in schwarzen Jeans und lässigen Lederjacken, da sind die älteren Semester, die Bock auf guten Post-Punk haben, da sind die, die Ditz bei als Supportact von Idles gesehen haben und da ist auch ein großer Teil der queeren Community, die sich von Frontperson Cal Francis angesprochen und verstanden fühlen. Für einige dieser Menschen mag der Sound von Local Support etwas hart daherkommen, doch mit genügend Animation bilden sich auch erste kleine Moshpits in der Mitte des Raumes. Die Setlist ist für einen Supportact echt lang und es macht vom ersten bis zum letzten Ton wahnsinnig Spaß, den Musiker*innen zuzuschauen.

Wenn man sie jetzt im Nachhinein noch googeln könnte…

Ditz (Foto: Thea Drexhage bs! 2025)
Ditz (Foto: Thea Drexhage bs! 2025)

Die Umbaupause geht flott von dannen. Hier baut die Band noch persönlich um. Das Set von Ditz startet mit dröhnenden Motorengeräuschen – V70 – das Intro vom jüngst erschienenen Album Never Exhale. Cal Francis zögert keine Sekunde und klettert sofort über die Gäste der ersten Reihe.  Taxi Man, auch der zweite Song von Never Exhale zündet sofort. Die Menge ist textsicher. Cal Francis scannt die ganze Zeit den Raum: wohin kann man klettern? Bis wo reicht das Kabel? Die Möglichkeiten im Kent Club scheinen etwas einengend. Cal Francis macht das beste drauß, tigert am vorderen Bühnenrand umher, immer in engem Blickkontakt mit dem Publikum, während die tiefe Stimme dieser charismatischen und an diesem Abend besonders herausgeputzten Frontperson durch das Mikrofon schallt. Bis auf ein paar Seitenhiebe gegen den Namen des Clubs, Kent ist in England wohl nicht die Lieblingsregion der Band, halten sich die Ansagen relativ kurz – es gibt ja auch eine lange Setlist abzuarbeiten. Diese umfasst gefühlt alle Songs der letzten beiden Alben, vermissen darf hier wirklich niemand etwas.

Ditz (Foto: Thea Drexhage bs! 2025)

Besonderes Highlight ist hier, wie auch auf dem letzten Album: The Body As A Structure ein wahnsinnig starker Song, der bei dieser Akustik sein volles Potenzial entfaltet. An diesen Abend merkt man, wie unterschiedlich der Sound von The Great Regression und Never Exhale ist. Während die früheren Songs noch etwas experimenteller, nahezu unentschlossener klingen, sind alle Nummern von Never Exhale ein dickes Brett in Moll. Ernst, trocken und einnehmend. Ditz liefern wirklich eine grandiose Show an diesem Valentinstag und das ganz ohne Lovesongs– und wer weiß, vielleicht können wir ja in ein paar Jahren sagen:

„Ditz? Ja die habe ich damals schon im Kent Club gesehen, als sie noch ganz klein waren!“.

Zu wünschen wäre es ihnen.

Ditz (Foto: Thea Drexhage bs! 2025)

Galerien (by Thea Drexhage bs! 2024)
Local Support (14.02.2025, Hamburg)
Ditz (14.02.2025, Hamburg)

Setlist Local Support:

Local Support (Foto: Thea Drexhage bs! 2025)
  1. Sardines
  2. Dynamite
  3. Pond
  4. Dujardin
  5. Yooooo!
  6. FFXVI
  7. Bacon
  8. Tamara
  9. Piss
  10.  Shut Up
  11.  Bomb
  12.  Dad
  13. ?
  14.  Careless
  15. ?

Setlist Ditz:

Ditz (Foto: Thea Drexhage bs! 2025)
  1. V70
  2. Taxi Man
  3. Four
  4. God On Speed Dial
  5. Space / Smile
  6. Clocks
  7. Señor Seniestro
  8. Hehe
  9. Teeth
  10. I Am Kate Moss
  11. Britney
  12. Smells Like Something Died In Here
  13. The Body As A Structure
  14. Three
  15.  The Warden
  16. Ded Würst
  17. Seeking Arrangement
  18. Summer Of The Shark
  19.  No Thank’s I’m Full

Links:
Local Supprt
Ditz

Thea Drexhage
Thea Drexhagehttps://www.be-subjective.de
Thea Drexhage hat Salma Hayek einiges voraus! 10 mm. Wie die meisten Frauen der Redaktion, Duffy, Beth Ditto, Joan Rivers oder Angus Young kann sie die MusikerInnen aus dem Bühnengraben also völlig problemlos sehen, wenn jemand ihren Hocker trägt, wird aber - das hat sie mit Salma dann doch wieder gemein - dennoch viel zu oft auf Ihre Körpergröße, ihre Mähne und ihre leicht misanthropischen Anflüge reduziert. Damit sie also nicht im nächstbesten Titty Twister von Sonnenunter- bis Sonnenaufgang Menschenmengen und Bläser mätzelt, halten wir “Aggro-Thea”, die zuvor ganze Landstriche in Mecklenburg Vorpommern ausgerottet hat, halbtags im spießbürgerlichen Oldenburger Exil an der langen Leine. Seither legt sich die scheißpünktliche existentialistische Besserwisserin analog mit Sartre, Camus & Kodak an und ja, auch wir müssen neidlos zugestehen, dass der Instagram-Account ihrer beiden Katzen “Salma” und “Hayek” mehr Follower pro Tag hat, als unser webzine im ganzen Jahr.

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