San Glaser: The Other Side of the San (2023)

San Glaser: The Other Side of the San (2023) Book Cover San Glaser: The Other Side of the San (2023)
Jazz
DUTCHLAND MUSIC
10.02.2023
www.sanglaser.com

Tracklist:

01. For All We Know
02. I Wish You Love
03. Cheek to Cheek
04. But Beautiful
05. I've Got the World on a String
06. My Funny Valentine
07. Nobody Else but Me
08. 'Round Midnight
09. Visions
10. (I Love You) for Sentimental Reasons
11. Here's to Life
12. What Are You Doing the Rest of Your Life

San Glaser, Hamburgs Grande Dame des Jazz, erfüllt sich mit ihrer fünften Platte „The Other Side of The San“ einen lang gehegten Traum. Ihre ganz eigenen Versionen von 12 Klassikern aus dem „Great American Songbook“, von Irving Berlin zu Artie Butler und sogar Stevie Wonder.

Oft sind es Songs, die man bisher nur von Männern wie Frank Sinatra, Nat King Cole, Donny Hathaway kennt. Von Ella Fitzgerald, Shirley Horne oder Barbara Streisand. Von den ganz großen der amerikanischen Musikgeschichte. Aus der Musik der SklavInnen gewachsener Jazz. Aus Hollywood-Filmen und aus Broadway-Musicals der 1930er bis 1960er. Die Songs, aus denen im Laufe der Zeit und Interaktion mit zahlreichen anderen Kulturen, Traditionen und Tonsystemen unsere westliche moderne Musik mit all ihren Facetten und Stilrichtungen entstanden ist. Musik, die vielleicht ungewohnt klingt, aber Fans von Klassik-Metal-Crossover-Projekten wie Nightwish mögen diese wundervolle Musik aus alter Seele bestimmt.

San Glaser hat sie jetzt mit ihrem Quartett um Ehemann Arnd Geise am Kontrabass, Felix Dehmel am Schlagzeug, Mischa Schumann am Flügel und bei “ 'Round Midnight ”, “Here's to Life” und “Visions” in Begleitung des Kaiser Quartetts eingespielt. Im Corona-Blues 2021 von Tontechniker Matthias Riediger im Bluewave Recording Studio im Herzen Hamburgs aufgenommen. Intensive intime Versionen mit ganz eigenem Charme, großer Wärme und tiefer Wahrheit. Eine wundervolle andere Seite der Musik San Glasers.

For all we know
We may never meet again
Before you go
Make this moment sweet again

Ein Trommelwirbel der ersten Takte von “For All We Know” eröffnet die Platte. Eine süße freche lebendige Version des sehr getragenen 1949er Originals von Nat King Cole. Eine das Herz brechende Ode an das im Hier und Jetzt sein.

Dieser so wichtigen Erkenntnis aus all den Katastrophen der letzten Jahre folgt mit dem von Michael Bouble und Sam Cooke bekannten “I Wish You Love“ aus 1942 die wohl schönste und positivste Art, dem Liebsten nach dem Ende der Beziehung Lebewohl zu sagen und loszulassen.

My breaking heart and I agree that you and I could never be
So with my best, my very best, I set you free
I wish you shelter from the storm, a cozy fire to keep you warm
But, most of all, when snowflakes fall, I wish you love

Irvin Berlins „Cheek to Cheek” tanzt sich ins Herz rein in einer nie gehörten äußerst intimen Version. Hier spielt das ganz eigene Arrangement für Jazz-Quartett ungeahnte Facetten dieses Klassikers zu Tage. Arndt Geises magischer Kontrabass, Mischa Schumanns zärtliches Piano und San Glasers extrem klares ungenuscheltes Englisch, ihr ganz ganz zarter total entzückender holländischer Unterton und ihr wunderbar warmer weicher Mezzosopran voller Volumen in der Tiefe entfalten schnell eine große Magie und positive Kraft, die durch die komplette Platte trägt.

Heaven, I'm in heaven
And my heart beats so that I can hardly speak
And I seem to find the happiness I seek
When we're out together dancing cheek to cheek

Bing Crosbys “But Beautiful” aus dem Film „Road to Rio“ von 1947 kennt man heute vielleicht von der kongenialen Zusammenarbeit von Lady Gaga mit dem letzten lebenden Crooner Tony Bennett. San Glaser verzaubert den Song in eine unendlich zärtliche Liebeserklärung an ihren Ehemann am Kontrabass. Und er umgekehrt, dieses Duo Infernale hat schon früher großartige Musik zusammen gemacht. Hier liefern sie ein Meisterwerk ab, das sich auch im Vergleich zu modernen Interpretationen wie zb „But Beautiful“ von Lady Gaga und Tony Bennett oder Lalah Hathaways Live-Version von „For All we Know“ nicht verstecken muss. Anders, aber mindestens dasselbe Niveau. Eine echt schöne Hommage an diese Klassiker. Diese alten Songs wundervoll zu Eigen gemacht.

Cab Calloways “I've Got the World on a String” aus 1932 wird durch das Um-Arrangieren von der ganz großen Cotton Club - Big Band zum intimen Jazz Quartet in unglaubliche Lebens- und Liebesfreude konzentriert, ganz großes Kino. Ob The Cure ihre Inspiration für die Zeile „It’s friday, I’m in Love“ aus diesem Song nahmen?

“My Funny Valentine” aus dem Broadway-Musical “Babes in Arms” von 1937 fehlt in der Verfilmung von 1937 mit Judy Garland. Zum weltberühmten Jazzstandard wurde er 1952 in einer sehr getragenen und dunklen Version von Chet Baker. Auch dieses Lied macht San Glaser zu einer Licht-durchfluteten Liebeserklärung voller Zärtlichkeit. Langsam spielt sich das Quartet hinein und baut mit dem Glanz von Mischa Schumanns Piano ein ganz intensives Brett auf.

But don't change a hair for me
Not if you care for me
Stay, little Valentine, stay
Each day is Valentine's Day

Dann das sehr schnelle “Nobody Else but Me” aus dem Musical „Show Boat“. Der Text geschrieben vom König des Broadways Oscar Hammerstein II - Schon die ersten Zeilen klingen programmatisch für das Leben San Glasers, die als Tochter eines indonesischen Jazzsängers und einer „Bio“-Niederländerin immer wieder mit Rassismus und Herabsetzung konfrontiert sei und Jahre gebraucht habe, um ihren eigenen Platz zu finden. Der Song ist eine grandiose Form von „I am what I am“ voller Stolz auf sich selbst und Stärke in sich selbst. Platz gefunden, man spürt es in jedem einzelnen Takt.

I was a shy, demure type
Inhibited, insecure type of maid
I stayed within my little shell
Till a certain cutie told me I was swell
Now I'm smug and snooty
Confident as hell

Thelonius Monks “'Round Midnight” aus 1947 ist mit über 1000 Aufnahmen der am häufigsten gecoverte Jazzstandard. Ursprünglich ein reines Instrumental. Später fügte Bernard D. Hanighen den Text hinzu, den auch San Glaser bei ihrer ganz eigenen Version singt. Langsam, zart und intensiv und voller Trauer, ein sehr wahres Lied über die Dunkelheit der Nacht nach bösem Streit mit dem Liebsten. Heartbreaking.

Doch dann Stevie Wonders “Visions” von seinem 1973er-Album “Innervisions”, voller Hoffnung auf die Zukunft, auf die Freiheit und die Liebe. Der Traum, der einen antreibt, das Land von Milch und Honig wirklich zu suchen und dafür zu kämpfen, dass die Träume lebendig werden. Der Song ist kaum wiederzuerkennen, doch Stevie vermisst man gar nicht, die Einspielung zusammen mit dem Kaiser Quartett bricht einem einfach das Herz.

Nat King Coles tiefenentspannte 1946er Version von “(I Love You) for Sentimental Reasons” ist umarrangiert zu einer funkelnden Hymne auf die lebendig gewordene Liebe - was für ein schöner Song voller positiver Energie.

“Here's to Life” von Artie Butler ist bekannt als Shirley Hornes Signature Song, wir haben das Video dazu als Video der Woche vorgestellt. San Glaser interpretiert diesen Song dicht am Original, aber ihre so ganz andere Stimmfarbe macht den Song zu Ihrem Song. Ein Lied voller Hoffnung, Optimismus und dem Mut, nach schwerer Zeit weiterzumachen, aufzubrechen und neues zu erleben. San Glaser hat diesen Song zu Recht an letztem Silvester als erste Single aus ihrer Platte ausgekoppelt.

Das OSCAR-nominierte “What Are You Doing the Rest of Your Life” aus Richard Brooks Film “Happy End für eine Ehe” von 1969 ist das passende Schlusswort für dieses Masterpiece:

Summer, Winter, Spring and Fall of my life,
All I ever will recall of my life
Is all of my life with you.

Mein Fazit: Unendlich schön. Gänsehaut pur. Intensiv, zärtlich und wahr.
Grandiose kleine große Platte. Danke.

Autoren und Erscheinungsdatum der Originale:

01. For All We Know                        (von J. Fred Coots (M.), Sam M. Lewis (T.) 1934)
02. I Wish You Love                         (von Charles Trenet, Léo Chauliac, 1942)
03. Cheek to Cheek                         (von Irving Berlin, 1935)
04. But Beautiful                              (von Jimmy Van Heusen (M.), Johnny Burke  (T.), 1947)
05. I've Got the World on a String    (von Harold Arlen (M.), Ted Koehler (T.), 1932)
06. My Funny Valentine                    (von Richard Rodgers and Lorenz Hart, 1937)
07. Nobody Else but Me                   (von Jerome Kern (M.), Oscar Hammerstein II  (T.),1946)
08. 'Round Midnight                         (von Thelonious Monk (M.), Bernard D. Hanighen (T.), 1943)
09. Visions                                                   (von Stevie Wonder (M. + T.), 1973)
10. (I Love You) for Sentimental Reasons    (von Ivory "Deek" Watson, William "Pat" Best, 1945)
11. Here's to Life                                          (von Artie Butler (M.) Phyllis Molinary  (T.), 1992)
12. What Are You Doing the Rest of Your Life
(von Alan Bergman, Marilyn Bergman (T.) , Michel Legrand (M.), 1969)

 

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