Review: Myles Kennedy und die Kunst des Loslassens (Dresden, 10.06.2025)

Myles Kennedy ist einer dieser Künstler, die man nicht einfach hört – man erlebt sie. Seine musikalische Reise beginnt in den frühen 90ern mit der Band The Mayfield Four, doch richtig bekannt wird der Sänger, Gitarrist und Songwriter als kongenialer Frontmann von Alter Bridge und durch seine Zusammenarbeit mit Gitarrenlegende Slash. Seine unverkennbare Stimme – mal rau und kraftvoll, mal zerbrechlich und gefühlvoll – hat sich tief in die Herzen einer treuen Fangemeinde eingebrannt. Myles Kennedy ist ein Musiker durch und durch: technisch brillant, emotional aufrichtig, künstlerisch kompromisslos.

2018 wagt er sich erstmals auf Solopfade – mit dem introspektiven Debütalbum Year of the Tiger. Es folgt das rockigere The Ides of March (2021), das seine Vielseitigkeit eindrucksvoll unter Beweis stellt. Und nun, mit The Art Of Letting Go (2024), zeigt Kennedy erneut, wie sehr er gewachsen ist – nicht nur als Musiker, sondern auch als Mensch. Die Platte ist ein intensiver Blick nach innen, eine Einladung zum Loslassen, zum Annehmen – und zum gemeinsamen Weitergehen.

Am 10. Juni 2025 bringt er dieses Gefühl mit nach Dresden. Im kleinen Saal des Alten Schlachthofs versammelt sich eine eingeschworene Fangemeinde, um ihrem Idol ganz nah zu sein. Zwar ist der Abend nicht restlos ausverkauft – aber das spielt keine Rolle. Denn wer an diesem Abend da ist, ist ganz da. Die Stimmung ist erwartungsvoll, fast ehrfürchtig – und als Myles Kennedy die Bühne betritt, ganz unscheinbar, und mit den ersten Tönen von The Art Of Letting Go beginnt, ist klar: Hier wird nicht einfach ein Konzert gespielt. Hier wird Musik gelebt.

Massive Wagons (Foto: Kristin Hofmann bs! 2025)
Massive Wagons (Foto: Kristin Hofmann bs! 2025)

Den Auftakt des Abends übernehmen Massive Wagons, die mit ihrer energiegeladenen Performance den kleinen Saal des Alten Schlachthofs ordentlich auf Betriebstemperatur bringen. Rund 30 Minuten lang wirbeln die fünf Briten über die Bühne, als gäbe es kein Morgen – voller Spielfreude, laut, kantig und direkt. Mit Songs wie „Fuck The Haters“, „Please Stay Calm“ und „In It Together“ reißen sie das Publikum sofort mit. Die Stimmung ist ausgelassen, die Band sichtlich gut drauf – ein gelungenes Warm-up für einen Abend, der ganz im Zeichen von handgemachter Rockmusik steht.

Der Abend: Musik als intime Begegnung

Myles Kennedy (Foto: Kristin Hofmann bs! 2025)
Myles Kennedy (Foto: Kristin Hofmann bs! 2025)

20.45 Uhr beginnt die Magie! Kennedy steht allein auf der Bühne, doch es fühlt sich an, als würde man ihn in seinem Wohnzimmer besuchen. Keine große Show, kein übertriebener Pathos – nur dieser Mann, seine Stimme, seine Gitarren. Und das Publikum, das ihm an den Lippen hängt. Wenn er spielt, sind alle Augen und Ohren auf ihn gerichtet. Es ist eine Offenbarung, ihm beim Musizieren zuzusehen: wie er eins wird mit seiner Gitarre, sie verliebt anschaut, fast wie ein vertrauter Partner, dem er seine Geschichten erzählt. Und sie antwortet – mit liebevollen, leidenschaftlichen Klängen.

Myles Kennedy (Foto: Kristin Hofmann bs! 2025)
Myles Kennedy (Foto: Kristin Hofmann bs! 2025)

Er entschuldigt sich früh am Abend für eine kleine Erkältung, die er mit trockener Selbstironie thematisiert. Dabei nutzt er die Gelegenheit, die Brücke zu seinem aktuellen Album zu schlagen: The Art Of Letting Go – die Kunst des Zulassens, des Annehmens. Dass man nicht immer bei 1000 % sein muss, um berühren zu können. Und tatsächlich: Niemand im Saal erwartet Perfektion – nur Echtheit, und die liefert Kennedy in jeder Sekunde.

Ein kleiner Gag am Rande: Die Brille, die er wegen „blurry vision“ eigentlich tragen müsste, wandert schon nach wenigen Songs wieder in die Tasche. „Die Griffe finde ich im Schlaf – rückwärts und mit verbundenen Händen“, scheint sein Lächeln zu sagen. Und man glaubt es ihm sofort.

Nähe, Tiefe, Klassikermomente

Myles Kennedy (Foto: Kristin Hofmann bs! 2025)
Myles Kennedy (Foto: Kristin Hofmann bs! 2025)

Die Energie zwischen Künstler und Publikum ist greifbar. Arme gehen wie von selbst in die Höhe, es wird getanzt, gesungen, genossen. Für Fans von Alter Bridge gibt es ein besonderes Geschenk: Watch Over You, nur mit Akustikgitarre, zieht alle noch tiefer in Kennedys Bann. Es ist ein Moment purer Intimität, der lange nachwirkt.

Myles Kennedy wirkt gelöst, fokussiert, ganz bei sich. Er grinst oft – und man spürt, dass er diesen Abend genauso genießt wie das Publikum. Keine aufwändige Lichtshow, kein Schnickschnack – nur Myles, seine Stimme, seine Songs. Mehr braucht es nicht.

Myles Kennedy (Foto: Kristin Hofmann bs! 2025)
Myles Kennedy (Foto: Kristin Hofmann bs! 2025)

Nach etwa 90 Minuten verabschiedet er sich mit Say That You Will. Der Applaus will nicht enden, viele Fans holen sich noch Autogramme, Worte, ein Lächeln. Und ein Gefühl bleibt zurück: das, ein Teil von etwas Besonderem gewesen zu sein.

Galerien (by Kristin Hofmann bs! 2025)
Myles Kennedy (10.06.2025, Dresden) 
Massive Wagons (10.06.2025, Dresden) 

Setlist Myles Kennedy

Myles Kennedy (Foto: Kristin Hofmann bs! 2025)
Myles Kennedy (Foto: Kristin Hofmann bs! 2025)
  1. The Art of Letting Go
  2. Nothing More to Gain
  3. Devil on the Wall
  4. A Thousand Words
  5. Haunted by Design
  6. Mr. Downside
  7. Behind the Veil
  8. The Trooper
  9. Love Can Only Heal
  10. Watch Over You
  11. Miss You When You’re Gone
  12. Year of the Tiger
  13. Get Along
  14. In Stride
    Encore:
  15. Say That You Will

Links:
Myles Kennedy
Argo Konzerte

Kristin Hofmann
Kristin Hofmannhttp://www.fotokatz.de/
Kristin Hofmann, das schnurrende Fotokatzl, ist uns von den Elbwiesen zwischen Nightwish und Lacrimas Profundere im Fotograben irgendwie zugelaufen. Das „Spätzchen“ fährt in der Regel nicht die Krallen aus, voll auf weißblaue Vierräder ab und hat die anderen sechs Nerdzwerge zwischen Datenkraken, Mediendschungel und Hexadezimal im Blinzelwettbewerb längst platt gemacht. Schnurrbart steht ihr übrigens nicht so gut wie DocMartens, aber irgendwas is’ ja immer. Bitte nicht füttern!

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