Review: Acid und Frühlingsrollen bei Frittenbude (18.03.2023, Bremen)

Was haben Fritten und Frühlingsrollen gemeinsam? Genau – kann man hervorragend in der Fritteuse machen. Das nehmen sich die KünstlerInnen am Abend des 18.3. zu Herzen und behandeln ihre Gäste wie ungesunde, kleine Naschereien. Ohne lang zu fackeln wird das Lagerhaus bei der Berliner Rapperin Nashi 44 auf gefühlte 200° vorgeheizt, bevor Frittenbude die Gäste eiskalt ins heiße Fett schmeißen. Es brodelt, wabert und schäumt fast über, vor Extase, bis alle am Ende des Abends knusprig durchgebacken den Laden verlassen.

Nashi 44, die pünktlich den Abend vor gut gefülltem Haus eröffnet, bedient sich in ihren Songs den zahlreichen Vorurteilen und Klischees, die Menschen mit asiatischer Abstammung noch immer entgegengebracht werden, katalysiert durch den Hass, der durch das Coronavirus verstärkt wurde. Diesen Themen begegnet sie mit zynischer Direktheit und braucht nicht lange, um die Gäste auf ihre Seite zu ziehen. Titel wie „Asia Box“, „Aus der Pussy“, „Magic Clit“ und „Suck On My Spring Roll“ sind dabei an Direktheit kaum zu übertreffen und sogar die sonst so verklemmten Nordlichter lassen sich zum Mitsingen animieren.

„Suck On My Springroll
Drown in my Fish Sauce,
Küss meine Dragonballz,
Lick This Peach Hole”

Alles gesagt.

Frittenbude (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)
Frittenbude (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)

Auch Frittenbude sind dafür bekannt, nicht lange um den heißen Brei zu reden. Sei es, sich Acid zu wünschen, Faschos zu verurteilen oder über Sex mit 40 zu singen. Dabei das neue Album „Apocalypse Wow“ – das sich ohne große Überraschungen in die bisherige Biografie der Band einfügt, was vor allem an Abenden wie diesen ganz hervorragend ist. Der Sound im Lagerhaus ist spitze, die Stimmung ebenso. Die Setlist von Frittenbude umfasst ganze 2 Din A4 Seiten und wird fast schon religiös abgearbeitet. Keine Pausen, kein Verschnaufen, kaum Ansagen, außer um einmal kurz gebündelte Aggressionen über den Mittelfinger ins Universum zu entlassen. Das zieht. Das Publikum ist von Sekunde eins dabei und während sich in den vorderen Reihen die jungen Hüpfer*Innen tummeln, sammeln sich hinten jene, die gemeinsam mit Frittenbude gealtert sind, denn hier im Schatten lässt es sich zu Klassikern wie „Pandabär“ ungesehen 1-2-Tipp-tanzen. Geht halt alles nicht mehr so gut wie früher. Dem sind sich auch Johannes Rögner und Jakob Hägelsperger bewusst.

„Was keiner wirklich sehen will,
was niemand interessiert,
ficken, ficken über 40
Das Ganze alte Fleisch,
doch bei uns beiden ist das nice“

, heißts im neuen „Marx & Biggie“. Mit Sicherheit jetzt schon ein neuer Frittenbudeklassiker. Kunst, mindestens in 100 Jahren. Und statt Acid dann später `ne Aspirin Complex und `ne halbe Melatonin für den entspannten Schlaf zum Ohrensausen.

Galerien (by Thea Drexhage bs! 2023)
Frittenbude
Nashi44

Setlist Frittenbude:

Frittenbude (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)
  1. Onychectomy
  2. Raveland
  3. Auge in Auge mit dem Tölpel Bernie
  4. Stoli
  5. Marx & Biggie
  6. Neue Welt
  7. Pandabär
  8. Superschnitzellovesong
  9. Irgendwie liebe ich das
  10. Das Glas
  11. Schlagstock
  12. Kill Kill Kill
  13. Insel
  14. Und täglich grüßt das Murmeltier
  15. Die Dunkelheit
  16. Sandradome
  17. Heute gibt’s nur einmal
  18. Deutschland 500
  19. Raven gegen Deutschland
  20. Innere Altmark
  21. Wings
  22. Vorbei
  23. Suchen/finden
  24. Orchidee
  25. Erlös dich von dem Schrott
  26. Mindestens in 1000 Jahren
    Encore
  27. Hildegard
  28. Heimatlos
  29. Jetzt ist der Moment
  30. Matador
  31. Unkenrufe

Links:
Nashi 44
Frittenbude

Thea Drexhage
Thea Drexhagehttps://www.be-subjective.de
Thea Drexhage hat Salma Hayek einiges voraus! 10 mm. Wie die meisten Frauen der Redaktion, Duffy, Beth Ditto, Joan Rivers oder Angus Young kann sie die MusikerInnen aus dem Bühnengraben also völlig problemlos sehen, wenn jemand ihren Hocker trägt, wird aber - das hat sie mit Salma dann doch wieder gemein - dennoch viel zu oft auf Ihre Körpergröße, ihre Mähne und ihre leicht misanthropischen Anflüge reduziert. Damit sie also nicht im nächstbesten Titty Twister von Sonnenunter- bis Sonnenaufgang Menschenmengen und Bläser mätzelt, halten wir “Aggro-Thea”, die zuvor ganze Landstriche in Mecklenburg Vorpommern ausgerottet hat, halbtags im spießbürgerlichen Oldenburger Exil an der langen Leine. Seither legt sich die scheißpünktliche existentialistische Besserwisserin analog mit Sartre, Camus & Kodak an und ja, auch wir müssen neidlos zugestehen, dass der Instagram-Account ihrer beiden Katzen “Salma” und “Hayek” mehr Follower pro Tag hat, als unser webzine im ganzen Jahr.

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