Review: 37° im Schatten? Ab in die Garde zum Dream Theater Konzert! (26.06.2019, Dresden)

1985 in New York beginnend mit Gründung als Majesty und der kurzzeitig spätere Umbenennung in Dream Theater, fortsetzend mit der Beeinflußung eines neuen Metal-Genres durch mittlerweile vierzehn Studioproduktion und nun mit der Festivaltour zum neuen Album „Distance Over Time“ einen weiteren Höhepunkt in der Bandhistorie statt findend. Während dessen gab es für die Mitetablierer des Progressive Metal zwei Grammy-Nominierungen, mehrere LPs mit Gold- bzw. Platin-Status und etliche andere Auszeichnungen. Dream Theater sind eben auch deshalb mit eine der kommerziell erfolgreichsten Metal-Bands. Umso geehrter dürfen sich die FreundInnen bzw. Fans der Band in und Dresden fühlen, daß die fünf Prog-Metaller auf Ihrer Europatour halt in der Stadt an der Elbe machen.

Junge Garde

Sicherlich wären Melone essen, zum Schwimmbad fahren oder einfach gar nichts tun naheliegendere Antworten auf die oben gestellte Frage. Aber für (Progressive) Metal Fans im Raum Dresden gibt es, an diesem bis jetzt heißesten Tag des Jahres, am heutigen Mittwochabend, eigentlich nur eine Antwort. Die Freilichtbühne Junge Garde, gelegen im Großen Garten der sächsischen Landeshauptstadt. Das besondere dieser Lokalität sind die theateresken Sitzbankreihen, welche Mensch die Möglichkeit gibt, auch in dieser Position das Geschehen auf der Bühne zu verfolgen. Die Bäume rings herum bieten den absolut notwendigen Schatten bei solch heißen Temperaturen und von hinten weht ein angenehm kühlendes Lüftchen. Für das leibliche Wohl ist bei Bedarf ebenso gesorgt und für alles gibt es einen wichtigen Grund – Dream Theater haben ihr Publikum eingeladen. Da bekannter Maßen die Konzerte der Amerikaner gut und gerne Mal zwei, bis drei Stunden dauern können, hat es mich schon gewundert, als ich durch die Tour-Promo gesehen habe, daß es mit Jason Richardson & Luke Holland, Andy McKee und VOLA gleich drei drei Vorbands gibt.

Jason Richardson & Luke Holland und Andy McKee

Da ich mich mit Deathcore bzw. Metalcore nicht wirklich auskenne und diese Subgenres ebenso nicht zu meinen favorisierten Hörkategorien im Bereich Metal zählen, sagte mir der Name Jason Richardson genauso wenig, wie die aktuelle Kapelle All That Remains, in der er Gitarre spielt. Ebenso die Bands Chelsea Grin, Born Of Orsiris und All Shall Perish in denen er zuvor mitgespielt hat. Ähnlich erging es mir bei The World Alive und The Evening – der ehemaligen bzw. aktuellen Band – in der Luke Holland sonst seine Stöcke auf das Schlagzeug (ge)schmettert (hat). An diesem Abend ist er als Unterstützung mit am Start, damit Jason Richardson sein noch immer aktuelles Soloalbum „I“ dem Publikum in Dresden vorstellen kann. Was nicht bei allen Anwesenden gelingt, allerdings ist die Junge Garde auch noch halbleer. Einige Core-Fans kommen aber bei diesem Support auf ihre Kosten.

Jackson Richardson And Luke Holland (Foto: Kristin Hofmann bs! 2019)
Andy Mc Kee (Foto: Kristin Hofmann bs! 2019)

Viel Zeit für den Umbau des nächsten Künstlers ist nicht von Nöten, denn Andy McKee aus Topeka braucht als sogenannter Fingerstyle-Gitarrenspieler nur sein Saiteninstrument auf der Bühne. Das er seiner Karriere mit Covern unter anderem von Dream Theater Songs begonnen hat ist wahrscheinlich nur ein Grund, warum die Band ihn als Support mit auf diese Tour genommen hat. Ein Anderer ist sicherlich, daß er sein Gitarrenspiel absolut beherrscht und als Jordan Rudess ihn beim einem Titel musikalisch unterstützt schließt sich der Kreis. Den Anwesenden im Halbrund gefällt es jedenfalls sehr und applaudieren Andy McKee für seinen Auftritt.

VOLA

Vola (Foto: Kristin Hofmann bs! 2019)

Für die dritte und letzte Vorband braucht es dann schon wieder ein wenig Vorbereitungsarbeiten. VOLA aus Dänemark starten mit „Starburn“ von ihrem ersten Album „Inmazes“ und begeistern gleich von Anfang an das Publikum in der mittlerweile gut halbvollen Jungen Garde. Auch die neuen Tracks aus der aktuellen LP „Applause Of A Distant Crowd“ gefällt den Menschen in Dresden. Ob da nun gerade ein neuen Stern am Progressive-Metal-Himmel aufgeht vermag ich jetzt (noch) nicht zu sagen. Allerdings heizen VOLA ordentlich ein und machen auch mit ihrem letzten Song „Stray The Skies“ das, was eine Vorband eine gute Vorband machen soll – nämlich Lust auf mehr Musik bzw. gesteigerte Vorfreude auf den eigentlichen Hauptact.

Vola (Foto: Kristin Hofmann bs! 2019)

Dafür bedarf es ein weiteres Mal technische Umbauten durch das Bühnenpersonals und bedeutet für das Publikum in Dresden eine erneute Wartezeit. Als Hintergrundmusik ertönt aus den Boxen Stücke von Kraftwerk, was – zumindest bei mir – weiterhin für gute Stimmung sorgt und mittlerweile sind es gefühlt auch nur noch so um die 30°/33°. Bei einem angenehmen Lüftchen und reichlich Vorhanden Sitzgelegenheiten lässt es sich sehr gut bei diesen Temperaturen aushalten.

Dream Theater

Dream Theater (Foto: Kristin Hofmann bs! 2019)

Gegen 21.00 Uhr erklingt das Intro und unter Beifall kommen die Musiker nach und nach auf die Bühne. In der fast 35jährigen Bandgeschichte gab es schon einige Wechsel in der Besetzung. Das LineUp was schon seit einiger Zeit zusammen ist, besteht aus den beiden Gründungsmitgliedern John Petrucci (Gitarre/Gesang) und John Myung (Bass). Außerdem Sänger James LaBri, Jordan Rudess (Keyboard) und Mike Mangini (Drums). Das Bühnenbild ist eher schlicht gehalten, wodurch Mensch nicht zu viel abgelenkt wird und somit mehr Konzentration auf die Musik gewährleistet ist. Ganz hilfreich (und wahrscheinlich auch so gewollt) bei den doch eher komplexen Songstrukturen von Dream Theater, die mit „Untethered Angel“ gleich mit einem Song aus dem neuen Album beginnen.

Dream Theater (Foto: Kristin Hofmann bs! 2019)

Die einzig markanten Sachen auf der Bühne ist das massive Drumset, wo die Becken quasi in einer Art zweiten Etage angebracht sind, so daß sich Mike Mangini richtig strecken muss, um diese zu erreichen. Ansonsten verschwindet er fast komplett hinter seinem Schlagwerkzeugen. Außerdem sticht der Ständer des Keyboards von Jordan Rudess hervor, mit dem er sein Tasteninstrument um 360° drehen kann.

Dream Theater (Foto: Kristin Hofmann bs! 2019)

Auch wenn der zweite Track „A Nightmare To Remeber“ heißt, so hoffe ich wird es doch für uns alle eher ein Abend, welcher noch lange mit positiven Erinnerungen behaftet bleibt. Das Publikum (über die Hälfte schon 40+) meist männlichen Geschlechts, ab und an mit Nerd-Potential im besten Prog-Metal-Sinne, hört sehr begeistert bei den vielen Rhythmuswechseln der Lieder zu. So ist es nicht verwunderlich, daß James LaBrie alle Anwesenden in der Junge Garde erst nach einer knappen halbe Stunde offiziell begrüßt. Und ja auch er hat stellt fast, daß es heute sehr heiß ist – aber alle Mal besser als Regen, wie er sagt.

Ich selbst habe bisher Dream Theater noch nicht live erlebt und bin positiv überrascht, es macht wirklich Spaß der Band bei ihrer „Arbeit“ zu zusehen und die verschiedenen Rhythmus- bzw. Tempi-Wechsel sind wirklich beeindruckend. Bei den instrumentalen Parts, welche auch Mal ein paar Minuten, länger als im Original auf der LP, andauern können, verschwindet Sänger LaBrie im Bühnenhintergrund. Mangini und Rudess sind in ihr Instrumentenspiel an den Drums bzw. am Keyboard vertieft. Dadurch sind automatisch die Bass- von John Myung und vor allem die Gitarrenelemente von John Petrucci nicht nur hörbar im Vordergrund, sondern ebenso visuell.

„[…] Still
Running uphill.
Swimming against the current
I wish I weren’t so
Fucked.
Feels like I’m stuck,
Lost in a sea of mediocrity.
Slow down,
You’re thinking too much,
Where is your soul
You cannot touch the way
I play,
Or tell me what to say.
You’re in the way
Of all that I believe in. […]“

(Auszug aus „As I Am“)

Ein wenig schade finde ich, daß die Band nach gut 75 Minuten ihr Hauptprogramm schon beendet und sich für eine mögliche Zugabe hinter die Bühne verabschiedet. Dort verweilt sie aber nicht lange und kommt unter jubelnden Beifall des begeisterten Publikums in Dresden wieder zurück und schmettern als Bonus einen ihrer bekanntesten Tracks „As I Am“ ins Halbrund. Leider gibt es nur eine Zugabe – vielleicht beim nächsten Mal einfach ein, zwei Support-Acts weglassen und selber mehr eigene Songs aus dem 35jährigen Repertoire zum Besten geben. Ebenso schade, daß die Junge Garde nur gut zur Hälfte gefüllt, eventuell doch wetterbedingt. Vielleicht aber auch etwas zu hohe Ticketpreise, die schon im TOOLschen Bereich lagen. An der Performance der Prog-Metaller hat es jedenfalls nicht gelegen, denn die Performance an diesem Abend ist Dream Theater sehr gelungen.

Galerien (by Kristin Hofmann bs! 2019):

Dream Theater (Foto: Kristin Hofmann bs! 2019)

Setlist – Dream Theater:

  1. Atlas (Intro)
  2. Untethered Angel
  3. A Nightmare To Remember
  4. Fall Into The Light
  5. Peruvian Skies
  6. Barstool Warrior
  7. In the Presence Of Enemies, Part I
  8. The Dance Of Eternity
  9. Lie
  10. Pale Blue Dot Encore:
  11. As I Am

Setlist – VOLA:

  1. Starburn
  2. Smartfriend
  3. Alien Shivers
  4. Ruby Pool
  5. Whaler
  6. Stray The Skies

Weiterhören:

Dream Theater „When Dream And Day Unite“; „Images And Words“; „Awake“; „Falling Into Infinity“; „Metropolis Pt. 2: Scenes From A Memory“; „Six Degrees Of Inner Turbulence“; „Train Of Thought“; „ Octavarium“; „Systematic Chaos“; „Black Clouds & Silver Linings“; „A Dramatic Turn Of Events“; „Dream Theater“; „The Astonishing“ & „Distance Over Time“

VOLA „Inmazes“ & „Applause Of A Distant Crowd“

Links:

Veranstalter:
https://www.semmel.de/

Tobias Richter
Tobias Richterhttps://www.facebook.com/mischband/
Jeder sollte einen Tobi haben. Keiner von uns hat ihn je gesehen, der Typ ist einfach zu groß und artig, der schmeißt aufgeblasene orange Dinger in Einkaufsnetze und - wie man so hört - muss sich der Ü190 Hüne dafür bücken. Eat Sleep Ball Repeat. Ansonsten ist ein Tobi einer, der Kassetten professionell aufwickeln kann, "der immer Ärger macht, der Streiche spielende Anstifter, der, der süchtig nach Furcht ist, ein Sinnbild für Gefahr." Jeder sollte einen Tobi haben. Und eine B-Seite.

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