Walter Hill: Streets Of Fire (1984) Book Cover Walter Hill: Streets Of Fire (1984)
Universal Pictures / Koch Media GmbH
Blu-ray / DVD

Streets Of Fire [Trailer] ist nicht unbedingt ein guter Film – aber es ist ein geiler Film. Von der ersten Sekunde an macht Walter Hill (The Warriors, 48 Hours, Crossroads) klar, was Sache ist. Zu einem bluesig rockigen Gitarrenriff, gespielt von Ry Cooder, erscheinen nach dem Filmtitel die Worte: „A Rock & Roll Fable. Another Time. Another Place.“ Weil ich gerade schreibfaul bin, lassen wir zum Einstieg Hill selbst zu Wort kommen.

I tried to make what I would have considered a perfect movie when I was in my teens. I put in all the things I thought were great: custom cars, kissing in the rain, neon, trains in the night, high speed pursuit, rumbles, rock stars, motorcycles, jokes in tough situations, leather jackets and questions of honor.

So nämlich. Dementsprechend ist die Geschichte auf's Wesentliche reduziert und schnell erzählt: Sängerin Ellen Aim (Diane Lane) gibt ein Konzert in ihrer Heimatstadt. Nach dem ersten Song wird sie von einer Rockergang, den Bombern mit ihrem Anführer Raven Shaddock (Willem Dafoe), von der Bühne gekidnappt. Im Publikum befindet sich die Schwester von Ellen Aims Highschool-Sweetheart Tom Cody (Michael Paré); wortkarger Bad Boy, dauercooler Tough Guy und

100% badass.

Was Frauen halt so wollen. Nachdem sie ihm einen Brief geschrieben hat, kehrt er heim und lässt sich von Ellen Aims Manager, Billy Fish (Rick Moranis), anheuern, um sie zu retten. Zusammen mit Codys Sidekick McCoy (Amy Madigan) brechen sie in einem frisch geklauten Wagen auf in die Battery, den verruchten Teil der Stadt, um den Bombern die Hölle heiß zu machen.

And Shit goes boom.

Man merkt: Hier geht es weniger um Character Development oder die Story als solche, sondern eher um ein Feeling und einen Look. (Ich benutze zu viele Anglizismen, ich weiß, aber der Film provoziert das irgendwie.) Kameramann Andrew Laszlo überzieht Streets Of Fire dafür mit einer schmierigen Patina aus Neon und Diesel und das Set-Design ist ein Hybrid aus 50'er Jahre Nostalgie und 80'er Chic, wodurch sich der Film seltsam zeitlos anfühlt. Für die Musik gilt dasselbe.

Neben Rock- und Popsongs im Sound der Zeit, stehen old-schoolige Rock n' Roll-Nummern und der eingangs erwähnte bluesige Score von Ry Cooder. Auch für die Songs konnte Walter Hill einige große Namen gewinnen. Fünf der Stücke wurden von Jimmy Iovine produziert, der seit den frühen 70'ern an der Aufnahme etlicher Klassiker beteiligt war. Zu den Künstlern, mit denen er zusammengearbeitet hat, gehören Bruce Springsteen, U2, Dire Straits, Pattie Smith, Eurythmics, Whitney Houston oder zuletzt Lady Gaga und Iggy Azalea. Zwei der Lieder wurden von Jim Steinman komponiert, der Meat Loaf seine überlebensgroßen Hits auf den entsprechenden Leib schneiderte. (Sagen Sie nichts! Ich verstehe haargenau, wie man diese Art Bombast [SONG-LINK] kitschig finden kann, aber im Kontext des Films funktioniert er perfekt.) Ein anderes Lied wurde von Stevie Nicks geschrieben, aber zum einzigen Top Ten-Hit des Soundtracks wurde das heute vergessene „I Can Dream About You“ von Dan Hartman.

Fun Fact: Der Film heißt Streets Of Fire, weil Walter Hill davon ausgegangen ist, er könne Bruce Springsteens Lied gleichen Namens für den Soundtrack verwenden. Unglücklicherweise hat sich der Boss quergestellt, als er erfahren hat, dass es gecovert werden soll. Blödmann. Wahrscheinlich so mit Luftanhalten und allem. Kennt man ja von diesen bodenständigen Rockstars. Ursprünglich sollte der Film mit jener Coverversion enden, das Ganze war sogar schon im Kasten, so dass die Szene mit einem von Steinmans Liedern nachgedreht werden musste. Allerdings war das Set, der Konzertsaal in dem der Film auch beginnt, inzwischen abgerissen worden und musste von Grund auf neugebaut werden. Angeblich haben durch diese Re-Shoots allein die letzten 5 Minuten des Films eine satte Millionen Dollar gekostet. Autsch. Wenn ich kurz spekulieren darf? Einige Mitarbeiter der Universal Studios haben ihre Springsteen-Platten anschließend sicherlich deutlich seltener aufgelegt.

Die gesamte Produktion scheint für manche Beteiligte, Walter Hill eingeschlossen, eine frustrierende Angelegenheit gewesen zu sein: zu wenig Zeit, zu wenig Geld und auf der menschlichen Ebene hat es auch gekriselt. Vor einigen Jahren hat Michael Paré dem Filmpodcast The Projection Booth ein Interview gegeben, in dem ihm die Frustration auch knapp 30 Jahre später noch anzuhören ist. Offenbar waren die Dreharbeiten für ihn die Hölle. Vom Regisseur fühlte er sich allein gelassen und von seinen SchauspielerkollegInnen gemobbt. Schaut man sich den Film mit diesem Wissen an, bekommen seine eigenbrötlerischen Blicke und die dahingerotzten Dialoge mit einem Mal noch eine ganz andere Bedeutung. In einem früheren Interview kotzt er auf herrlich ungefilterte Weise über Rick Moranis ab.

He drove me out of my mind. There's this whole wave of insult comedy. In the real world, if someone insults you a couple of times, you can smack them. Or punch them. You can't do that on a movie set. (Anmerkung des Autors: Ich liebe diesen Kommentar so dermaßen.) And these comedians walk around and they can say whatever they want. He's this weird looking little guy who couldn't get laid in a whore house with a fistful of fifties.
(Anmerkung des Autors: BRAAAHAHAHAA!)
The first thing he says to me is: "Do you just act cool or are you really cool?" That was the first sentence out of his mouth to me. And I was like: "This is not going to go well." I wasn't ready for that kind of crap.

An der Kinokasse ist Streets Of Fire grandios gescheitert. Die ursprünglich geplanten Fortsetzungen wurden nie gedreht. Es wird mir immer ein Rätsel bleiben, weshalb der Film nicht sein Publikum gefunden hat, denn als ich ihn mit Sechzehn entdeckt habe, war ich offenbar die ideale Zielgruppe. Phasenweise habe ich ihn Tag für Tag geguckt, bis ich ihn irgendwann, sehr zum Leidwesen meines Freundeskreises, auswendig mitsprechen konnte. In Gänze. Ungelogen. („Die Roadmasters sind hungrig. Und wenn sie hungrig sind – essen sie.“)

Ein Massenpublikum konnte Streets Of Fire jedenfalls nicht überzeugen. Nicht zuletzt deshalb schreibe ich das hier: um möglicherweise doch noch den einen oder anderen verspäteten Fan zu kreieren. Denn ich kann mir vorstellen, dass es daran liegt, dass der Film gerne missverstanden wird. Wenn ich deshalb abschließend noch einen Tipp geben darf, um einen Blickwinkel zu schaffen, aus dem heraus betrachtet der Film funktioniert?

All die vermeintlichen Klischees, derer Walter Hill sich erzählerisch und cineastisch bedient, sind eine bewusste Entscheidung. Das ist nicht einfach so passiert, nee, ey, darum geht's. Genau das ist der Punkt. Außerdem werden sie dermaßen überhöht, dass das Klischee an sich quasi ... transzendiert wird, woraus eine seltsam unwirkliche Athmosphäre entsteht, die gleichermaßen moderner Western wie märchenhaftes Retro-Noir ist, oder eben: A Rock & Roll Fable.

Links:
Tonight Is What It Means To Be Young (Fan Edit-Video)

 

 

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Mirco Buchwitz
Buchwitz – ja der heißt wirklich so und hat sich bis heute kein lustiges Pseudonym gegeben – hat mal einer Prinzessin die Arschbacken zusammengekniffen und dann war was mit Carolin Kebekus. Soll übel gewesen sein. Dabei schreibt der in erster Linie aus Verzweiflung und ist voll anstrengend mit all diesem reflektierten Zeug. Syntax im Jahrtausend von Autokorrektur. Geht’s noch? Angeblich hat der sogar Hausverbot in einigen veganen Hotspots der first world, weil für sein Gemüsical, ein Hörstück ohne Konservierungsstoffe, echte Karotten gestorben worden sind. Seine Karriere als Kritiker ist also ganz im Sinne seiner Bewährungsauflagen und wir befürchten, der kann die Texte auch selber vorlesen. Scheiß Spießer.