Meine Oma hat gestern ihre Lieblingsschlager gehört, erzählte sie mir heut am Telefon. “Ich… im Grunde auch!” antwortete ich ihr grinsend. Was wir vor 20 Jahren noch wild tanzend in den cooleren Clubs der Stadt gefeiert haben, ist über all die Zeit zu einer freundlichen Wohlfühl-Musik geworden, die einem immer wieder ein Lächeln in’s Gesicht und Hummeln in den Hintern zaubert.

Nach einer Dezemberwoche mit bis zu 13°C ist es am Freitagabend, des 12.12.25 doch nochmal richtig kalt geworden und die zitternde Schlange vor der Sporthalle Hamburg rückt etwas mehr zusammen als üblich. Bereits pünktlich zum Einlass, 90 Minuten vor Konzertbeginn, wird Publikumsbeteiligung erbeten. Die schönen HamburgerInnen sollen zum Foto-Shooting, um als Musikvideo-Models für den neuen Song “Smile” unsterblich zu werden. Eine willkommene Ablenkung von den mittlerweile komplett entgleisten Getränkepreisen.

Den Support machen heut Abend Kapa Tult, die mit ihrer Ausstrahlung von Leichtherzigkeit und Naivität sowie einem zelebrierten Dilettantismus sehr gut die lockere Stimmung für den Abend setzen. Mit ihren immer ironisch und witzig angelegten Songs über die Sorgen und Nöte der Gen Z schaffen sie zwar beim Anwesenden Publikum selten Relatability, aber hineinversetzen kann man sich trotzdem irgendwie. Wir waren ja auch mal 20 Jahre jünger – genau wie das Debüt der Headliner.
Und darauf wird sehnlichst gewartet. Während der Umbaupause drängen sich die Gäste nach und nach in die vorderen Reihen, ein wenig mehr Konzertetikette hätte hier schon sein dürfen. Hinten drängt es sich im Verlaufe des Abends allerdings auch. Ausverkauft heißt hier wirklich ausverkauft. Aber klar wird es voll, denn Madsen feiern das Jubiläum ihres gleichnamigen Debütalbums. Was heißt das? Genau das, was man vermutet! Das komplette Album in Reihenfolge – und die Sporthalle ist vom ersten “Jetzt bin ich wieder hier” angeknipst. Auch wenn Moshpits und dergleichen eine Seltenheit bleiben, wird ausgelassen getanzt und so viel und so schief mitgesungen, wie die Stimme hergibt.
Und danach? Danach gibt´s einfach ein ganz normales Madsen-Konzert obendrauf. Zwei zum Preis von einem! Die großen und kleinen Hits der üblichen Setlisten kommen sogar nochmal besser an, als die erste Platte.

Und es fühlt sich wirklich ein bisschen an, wie eine Geburtstagsparty. Unzählige Konfettikanonen schmücken Bierbecher mit bunten Papierfetzen. Eine wirklich gewaltige Lichtshow ergänzt das Gefühl, dass gerade eine ganz besondere Show stattfindet und auch der Sound ist für die Sporthalle ganz ordentlich.
Ich hab es doch versucht
‚Doch ich hab viel zu oft verlor´n
Der Weg zurück ist viel bequemer
Als der Weg nach vorn
Wie kann Sebastian Madsen bei so hartem Brüllgesang gleichzeitig so freundlich und gut gelaunt aussehen, während Sascha Madsen am Schlagzeug und Nico Maurer Sexmachine am Bass in wilder Metal-Manier die Haare schütteln? Die Band kann ihre Vorliebe für harten 80s-Rock nicht verbergen, werden doch regelmäßig zwischen den Songs die “Warpigs” von der Leine gelassen. Wie die Veröffentlichungen der letzten Jahre gezeigt haben, ist das Repertoire schier unendlich. Während man sich in der Masse einen Wolf abschwitzt, scheinen die auf der Bühne gerade erst warm zu werden. So vergehen weit mehr als zwei Stunden, bis die letzten Töne von Lass die Musik an verstummen.

20 Jahre Madsen. Viele Stile hat die Band durchlaufen, viele Alben veröffentlicht und auch, wenn hier und da mal ein kleiner Cringe-Moment in den Songs zu finden ist, haben sie uns eben auch die ganz großen Indie-Hymnen geschenkt. Danke dafür!
Text: Stefan Dombrowski
Galerien (Thea Drexhage bs! 2025)


