Review: „Ehrliche Worte auf kleinen Mikrofonen“ – Fjørt (21.01.2023, Bremen)

Arxx (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)

Ne ganze Weile war es still um das Aachener Trio Fjørt – dann die Ankündigung „Ein Tag, Alle Platten“ – acht Konzerte in zwei Städten und darauffolgend die Ankündigung auf Album Nr. 5 „Nichts“.  Dieses hat zum Jahresende nochmal einen Ruck durch die Musiklandschaft geschickt und wurde nicht ohne Grund in höchsten Tönen gelobt. Die Band ist zurück- ehrlicher, direkter und brachialer als zuvor. Wie das neue Material live klingt, kann man auf der aktuellen „nichts hat mehr bestand“-Tour erleben. So macht die Band am Abend des 21.1. auch Halt im Kulturzentrum Schlachthof, Bremen.

Arxx (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)

Der Support kommt aus Großbritannien. Clara und Hanni von Arxx betreten in schwarzen Overalls die Bühne und wirken im ersten Augenblick etwas erschlagen von der beeindruckenden Location. Das bringen sie auch während ihrer ausführlichen Ansagen zwischen ihren poppig angehauchten Songs immer wieder zum Ausdruck. Dazu kommt die Nervosität vor dem gänzlich in schwarz gekleideten Publikum, das dann doch einen etwas anderen Sound erwartet hat. Doch die Nervosität ist unbegründet. Das bremische Publikum nimmt das Duo warm in Empfang, lacht über kleine Späßchen und stimmt spätestens bei der kurzen Cher-Covereinlage von „Believe“ lauthals mit ein.

„I saw the Death Metal leaving your body when Cher came on“

, scherzt es von der Bühne. Sobald die Mädels ihre Ansagen beenden und die ersten Töne auf ihren Instrumenten anstimmen, ist auch die Nervosität verflogen. Souverän und selbstbewusst spielen sie sich durch ihre überschaubare Setlist und beenden ihren Auftritt mit der etwas krachigeren Nummer „Iron Lung“.

Fjørt (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)
Fjørt (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)

Kurze Umbaupause. Pünktlich um 21:00 Uhr stürmen Fjørt die Bühne und finden sich vor der ziemlich vollen Kesselhalle wieder. Wann genau der Band der Sprung aus dem kleinen Tower in den großen Schlachthof geglückt ist, lässt sich dabei gar nicht so genau fest machen. Was sich sagen lässt ist, dass sie es definitiv verdienen, in Hallen wie diesen zu spielen. Ab der ersten Note wickeln die Jungs die Gäste um den kleinen Finger. Die Texte sitzen, das Moshpit, wo wie es die enge Tanzfläche im Hause zulässt, wogt und wabert, sodass die obenstehenden Gäste Gefahr laufen seekrank zu werden, je länger sie das Spektakel beachten. Neues und altes Material verweben sich zu einer lebendigen, spannenden Setlist, die kaum Zeit zum Durchatmen lässt. Wut und Energie lassen nur in ganz seltenen Momenten wie beim neuen „fernost“ oder „Sfspc“ ein paar ruhigeren, melodischeren Momenten Raum.

Der Sound ist perfekt, die Performance der Band makellos, egal ob neues oder altes Material. Um nachdrückliche Ansagen ist die Band an diesem Abend nicht verlegen. Sei es die Ermahnung, wer sich besäuft und im Pit daneben benimmt fliege raus, oder der mahnende Finger in Richtung rechts, der Stücken wie „Couleur“ und „Paroli“ vorausgeht.

„Bleibt stehen
Trotzt der braunen Pest
Um Kopf und Kragen
Wer, wenn denn nicht wir?
Es gibt einen Weg zu gehen,
Und der heißt Niemals dran vorbei
Wir sind uns einig, dass
Ich euch hier keinen Meter weichen werde“

Fjørt – Paroli
Fjørt (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)

Vor der ersten Zugabe ergreift Bassist David Frings noch einmal das Wort und zeigt sich selbst sichtlich gerührt, in so einer Location spielen zu dürfen und bricht noch eine Lanze für den Support von Arxx. Es sei nicht selbstverständlich, dass ein Publikum, gerade im härteren Musikbereich, so tolerant auf eine softere Vorband reagiert. Wie wahr.

Noch drei weitere Songs, und dann ist Schluss mit dem treffenden „Lebewohl“. Was für ein Abend. Gern mehr davon.

Galerien (by Thea Drexhage bs! 2023)

Setlist Arxx:

Arxx (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)
  1. Not Alone But Not With You
  2. Couldn’t Help Myself
  3. The Last Time
  4. What Have You Done
  5. Ride Or Die
  6. Deep
  7. Iron Lung

Setlist Fjørt

Fjørt (Foto: Thea Drexhage bs! 2023)
  1. Schrot
  2. Südwärts
  3. Anthrazit
  4. Magnifique
  5. kolt
  6. Paroli
  7. Lod
  8. Bonheur
  9. Fernodt
  10. Windschief
  11. Mitnichten
  12. Couleur
  13. Valhalla
    Encore
  14. Sfpsc
  15. Lichterloh
  16. Lebewohl

Links:
Fjørt
Arxx

Thea Drexhage
Thea Drexhagehttps://www.be-subjective.de
Thea Drexhage hat Salma Hayek einiges voraus! 10 mm. Wie die meisten Frauen der Redaktion, Duffy, Beth Ditto, Joan Rivers oder Angus Young kann sie die MusikerInnen aus dem Bühnengraben also völlig problemlos sehen, wenn jemand ihren Hocker trägt, wird aber - das hat sie mit Salma dann doch wieder gemein - dennoch viel zu oft auf Ihre Körpergröße, ihre Mähne und ihre leicht misanthropischen Anflüge reduziert. Damit sie also nicht im nächstbesten Titty Twister von Sonnenunter- bis Sonnenaufgang Menschenmengen und Bläser mätzelt, halten wir “Aggro-Thea”, die zuvor ganze Landstriche in Mecklenburg Vorpommern ausgerottet hat, halbtags im spießbürgerlichen Oldenburger Exil an der langen Leine. Seither legt sich die scheißpünktliche existentialistische Besserwisserin analog mit Sartre, Camus & Kodak an und ja, auch wir müssen neidlos zugestehen, dass der Instagram-Account ihrer beiden Katzen “Salma” und “Hayek” mehr Follower pro Tag hat, als unser webzine im ganzen Jahr.

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