Start CD / DVD Reviews Scorpions: Rock Believer (2022)

Scorpions: Rock Believer (2022)

Scorpions: Rock Believer (2022)
Scorpions: Rock Believer (2022)
Hard Rock/Heavy Metal
Universal Music/Vertigo
25.02.2022
www.the-scorpions.com

Tracklist:

  1. Gas In The Tank
  2. Roots In My Boots
  3. Knock `Em Dead
  4. Rock Believer
  5. Shining Of Your Soul
  6. Seventh Sun
  7. Hot And Cold
  8. When I Lay My Bones To Rest
  9. Peacemaker
  10. Call Of The Wild
  11. When You Know (Where You Come From)

 

 

Was kann man noch von einer Band erwarten, die einige der größten Klassiker der Musikgeschichte in ihrer Vita hat, seit über 50 Jahren aktiv ist, mehrfach die finale Abschiedstournee angekündigt und durch neue Alben stets hinausgezögert hat und die im breiten Mainstream-Fernsehen bekannte und gern gesehene Gäste sind? Die Scorpions sind nun mal ein unumstößliches deutsches Kulturgut. Große musikalische Revolutionen sind da aber nicht mehr erwartbar. Auf Perlen in Form von „Still Loving You“, „In Trance“ oder „No One Like You“ braucht man gar nicht erst warten und hoffen (dafür müssten die Herrschaften in einen Jungbrunnen fallen und das ist, auch allgemein gesehen, realitätsfremd) und wenn man nur allein die letzten beiden Alben betrachtet („Sting In The Tail“ (2010) und „Return To Forever“ (2015)) kann man sich zumindest guten und soliden (teils weichgespülten) „Alt-Herren-Rock“ (O-Ton vom Volksmund) für das neue Album vorstellen.

„Rock Believer“, das 19. Studioalbum der Hannoveraner, ist aber anders als erwartet! Härter, kerniger und in vielen Belangen auch deutlicher „Back-To-The-Roots“. Das kann man schon am Cover erkennen: klassische Farbtöne mit einem Motiv, dass an die großartigen „Hipgnosis“-Werke von Storm Thorgerson erinnert (das Cover von „Rock Believer“ schoss Jeff Thrower). Der Gesamtsound wurde vom Weichspüler fast restlos befreit und wieder rockiger und kerniger angelegt. Ebenso klingt man wieder mehr, wie eine erdige Rockband, wobei dies in meinen Augen durch Mikkey Dee herführt. Ein, wie ich finde, toller Schachzug, den ehemaligen King Diamond- und Motörhead-Drummer, die Position hinter den Kesseln gegeben zu haben, denn sein Spiel hat sich immer als treibendes Element im Gesamtsound (und vorallem live!) der jeweiligen Band dargestellt. Das letzte und wichtigste Puzzlestück für den „Back-To-The Roots“-Charakters sind aber die Songs, in denen man sich oft an die Phase zwischen 1978 bis 1985 erinnert fühlt. Die Scorpions hatten schon damals Tracks auf ihren Alben, die oft mit schlichten, einfachen und simplen Refrains daherkamen und die finden sich auf „Rock Believer“ wieder: „Roots In My Boots“ und „Hot And Cold“. Gute Songs, aber durch die Simplizität ein wenig kitschig wirkend. Coole Rocker wie „When I Lay My Bones To Rest“ oder „Peacemaker“ zeigen sich da schon von einer besseren Seite. Ebenso das gediegenere „Call Of The Wild“, das sich gut für nächtliche Autofahrten eignet, in denen man über sein Leben sinniert. Dagegen kommen der Opener „Gas In The Tank“ und „Knock `Em Dead“ kraftvoller und mit intertextuellen Referenzen zur eigenen Bandgeschichte um die Ecke (der Markanteste ist in „Gas In The Tank“ vertreten: „Black me in and black me out“). Nostalgie ist das passende Stichwort, denn der Titeltrack versprüht dieses Gefühl der Gemeinsamkeit mit den eigenen Fans in der Vergangenheit (dass sich auch im dazugehörigen Video gut zeigt) und bringt eine gewisse „Sunshine“-Note mit sich. Der Titeltrack steht aber nicht stellvertretend für die eigentlichen Highlights des Albums (eine generelle Einschätzung des Titeltracks von unserem Team findet ihr in unserer neuen Rubrik „Reingehört“, denn die lauten ganz klar „Shining Of Your Soul“ (mit tollen Reggae-Groove, der an den Bandklassiker „Is There Anybody There?“ erinnert), der Balladen-Closer „When You Know (Where You Come From)“ und das düstere und episch angehauchte „Seventh Sun“.

„Rock Believer“ ist summa summarum ein richtig gutes Album geworden, dass an alte Zeiten anknüpfen kann. Wer hätte das den „Alt-Herren-Rockern“ noch so zugetraut? In dieser Form, ich jedenfalls nicht und ich höre schon die Fragen wie: „Kann es wirklich an alte Zeiten anknüpfen, auch wenn es keine hohen und spitzen Schreie von Klaus Meine gibt? Oder es keine richtig schnelle Nummer auf dem Album zu finden ist?“ Alles geschenkt, denn wie man sieht, kann dies auch ohne funktionieren. Was aber funktioniert und Fakt ist: dieses Album ist ihr härtestes seit „Love At The First Sting“ (1984). Ob es auch ihr bestes seit jenem Werk ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich würde es nicht sagen, denn dafür hätte es noch zwei oder drei Volltreffer mehr gebraucht. Aber ich kann mit guten Gewissen behaupten, dass es zumindest seit „Crazy World“ (1990) kein besseres mehr gegeben hat. Wer die Scorpions aber eh immer nur auf „Wind Of Change“ reduziert hat, der darf gleich wieder Platz nehmen und MUSS erstmal die musikalische Schulbank drücken.

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