Indie-Rock
Grand Hotel Van Cleef
05.04.2024
Tracklist:
- Auch für mich 6. Stunde
- München
- Doug & Florence
- Rügen
- Kanye in Bayreuth
- Blaue Lagune
- Wir betraten die Enterprise mit falschen Erwartungen
- Einkaufen in Zeiten des Krieges
- Was wir sehen wollten
- Bringt mich zu eurem Anführer
- Zurück
- Ein Brief meines 20-jährigen Ichs (Jedes Ideal ist ein Richter)
Sie haben es schon wieder gemacht. Erst ein paar Jahre verschwinden und dann unerwartet zurückkommen, mit einer absolut mitreißenden Platte im Gepäck. Gute Laune ungerecht verteilt von Kettcar ist ein 12-Song-starkes Album geworden mit Geschichten, wie sie nur Wiebusch, Burstorff und Co. erzählen können. „München“, die erste Single, erschien genau zur richtigen Zeit und zeichnet ein Bild des noch immer von Alltagsrassismus geprägten Deutschlands. Dazu ein deutlich kantigerer Sound, als man ihn bis dato von der Band kannte. Auch sonst überrascht die Platte durch klangliche Vielfalt. Neben ein wenig Rückgesinnung zu „Du & wie viele von deinen Freunden“ finden sich auch Momente, die an But Alive… und Wiebuschs‘ Solostücke erinnert. Ein warmes Zurücknachhausekommen zu alten Freunden. Textlich hat es sich die Band wieder nicht einfach gemacht. Statt der traurigen Liebeslieder, die sie doch so gut können (und auf die z.B. mit „Zurück“ auch nicht ganz verzichtet wird), gibt es spannende Beobachtungen sozialer Missstände und das ganz, ohne in platte Floskeln abzudriften oder den politischen Zeigefinger mahnend zu erheben.
Es werden Geschichten erzählt, die bei den kleinsten, einzelnen Gliedern der Gesellschaft ansetzen. Sei es bei den Paketzusteller*innen, Pfleger*innen, frustrierten Menschen im Supermarkt, umstandsgeprägten Plattenbaubewohner*innen, bei Yachi aus München oder ganz bei sich selbst. Alles Geschichten, so bildhaft geschrieben, dass sie einem Kurzfilm gleichen. Highlights auf Gute Laune ungerecht verteilt sind neben dem wirklich starken München vor allem auch Auch für mich 6. Stunde, Blaue Lagune oder auch Kanye in Bayreuth und der darin gestellten Gewissensfrage, über das Trennen von Kunst und Künstler. Es gibt viel, was Hörer*innen aus diesem Album mitnehmen können, und das sind bei weitem nicht nur Ohrwürmer. In meinem naiven Glauben denke ich, dass die meisten Menschen in der Kettcar-Fan-Bubble gute Menschen sind, die sich über Missstände und soziale Ungerechtigkeiten Gedanken machen und generell versuchen, gute Menschen zu sein – und ich hoffe, dass die, auf die das nicht zutrifft, zumindest die Gedanken für das öffnen, was der Typ hinter dem Mikro dort erzählt. Große gute Kunst von GUTEN Menschen gemacht.
Lediglich jene, die nach der ersten Single München auf für den Rest des Albums etwas krachigere Töne erwartet haben, dürften von Gute Laune ungerecht verteilt enttäuscht sein – doch spätestens bei den zahlreichen Liveshows, die die Band für 2024 angesetzt hat, ist auch das vergessen. Aber wie zum Teufel kann, sich Marcus Wiebusch nur all diese Textbrocken merken?
