Start CD / DVD Reviews Eisregen: Hexenhaus (2005)

Eisregen: Hexenhaus (2005)

Eisregen: Hexenhaus (2005)
Eisregen: Hexenhaus (2005)
Manuela Wawrzyszko
Massacre Records
28.10.2005
www.fleischhaus.de

Tracklist:

Disc 1

  1. Elektro Hexe
  2. Kaltwassergrab
  3. In der Grube (2005)
  4. 1000 tote Nutten
  5. Lili Marleen
  6. Westwärts
  7. Thüringen (2005)
  8. Die wahre Elektro-Hexe

Disc 2

  1. Hexenhaus (DVD)

Im September 1995 gründeten 5 musikbegeisterte junge Menschen aus Thüringen eine Formation, die wie kaum eine andere deutsche Band mit jeder CD die Black Metal Fans in 2 Lager spalten sollte.

Nun, nach 10 Jahren „Mord und Totschlag“ beglücken uns Eisregen passend zu diesem Jubiläum mit einer Mini CD, samt DVD, auf denen sie erneut nicht nur ihre besondere Art des Humors unter Beweis stellen, sondern auch provokativ wie eh und je sind. „Hexenhaus“ verzeichnet eine klare Fortsetzung des Wandels von „Farbfinsternis“ zu „Wundwasser“ und bietet mit seinen 8 Songs, die eine Gesamtlänge von 35 Minuten besitzen, Abwechslung, sowie enorm viel Unterhaltung.

Schon bereits das Booklet dieser Platte weist durch die Kommentierung jedes Songs, einer kurzen Bandhistory, als auch zahlreichen Fotos der vergangenen Jahre einiges an Informationen auf und sorgt für eine Überraschung. Dahingegen ist das musikalische Rahmenprogramm jedoch eher durchschnittlich. Zwar werden weiterhin hauptsächlich bandtypische, atmosphärisch-dichte Hymnen, die mit dem für Eisregen so unverkennbaren getragenen, eigentümlich groovenden Rhythmus zu einer Einheit zusammenschmelzen verwendet, ebenso sind die typischen, genialen melodiebetonten Abläufe erhalten geblieben, allerdings erweckt es den Eindruck, dass das Quintett etwas kommerzieller geworden ist und trotz zahlreicher neuer und bisher ungehörter Einflüsse weniger auf Black Metal, stattdessen mehr auf Gothic setzt.

Dennoch bleibt das Konzept der Thüringer, genauso wie ihre allseits bekannt morbiden, gewohnt heftig provokativen, deutschsprachigen Lyrics, welche zur Indizierung von nahezu allen Eisregen Alben geführt haben unverändert, obwohl sie an manchen Stellen wie „Ich bau dir einen Scheiterhaufen, den kann ich mir im Aldi kaufen“ das Werk auf den ersten Blick eher als „Comedy Black Metal“ erscheinen lassen. Doch was wären diese vier Heeren und eine Dame ohne ihren unwiderstehlich schwarzen Humor! Gepaart mit Michaels verhäuft klarem Gesang, neben dem traditionellen Gekeife, wird zusätzlich für Abwechslung gesorgt und die Aussageabsicht der Band untermauert.

Eröffnet wird das ganze Spektakel von der hymnisch geprägten „Elektro-Hexe“, welche nicht nur einen typischen Eisregen Song, sowie das 1. von 6 komplett neuen Stücken darstellt, sondern noch dazu unter dem Titel „Die wahre Elektro-Hexe“, als reiner elektro- Track auf „Hexenhaus“ vertreten und eher äußert überflüssig ist, da es vielmehr an das Side-Projekt „Ewigheim“ von Yantit erinnert.  Das epische „Kaltwassergrab“ hingegen baut auf sehr getragenem, cleanem Gesang auf und weiß durch seine bissigen, respektlosen Texte zu überzeugen, wodurch es mit „Westerwärts“, in dessen Hintergrund viel Klavier zu vernehmen ist, 2 starke einprägsame Eisregen Songs bietet, die nicht zuletzt aufgrund ihrer Härte und Melancholie zu gefallen wissen und zweifelsohne zu dem Besten  gehören, was die Band in ihrer gesamten Karriere abgeliefert hat.

Insbesondere diese beiden Songs erschaffen eine düstere Stimmung, so dass die Reise in die Gedanken nicht zu verhindern ist und den Standpunkt Eisregens anno 2005 am Besten charakterisiert. Ein auch auf dem Vorgänger möglicher Track wäre „1000 Tote Nutten“ gewesen, welches durch seine Zügigkeit, bizarre Verrücktheit und der, in einem zynisch-sarkastischen Humor unterlegten offenen Kritik an unserer heutigen sensationsgeilen Mediengesellschaft hervorsticht. Die wohl größte Überraschung der MCD präsentiert allerdings die befremdliche und gewöhnungsbedürftige Interpretation des Klassikers „Lili Marleen“ von Marlene Dietrich, das wegen seiner langsamen, langweiligen, an den Musikantenstadel erinnernden Atmosphäre absolut nicht zu überzeugen weiß.

Mit „In der Grube 2005“ vom Debütalbum „Zerfall“ und dem sehr verspielten, eher blass wirkendem „Thüringen 2005“ finden sich zudem noch 2 neueingespielte, textlich etwas abgewandelte Stücke, die dank der ausgezeichneten Arbeit des Klangschmiede E-Studios aufgrund ihres verbesserten, satteren und wohldifferenzierteren Sounds positiv ins Licht rücken, zugleich aber auch die Entwicklung der Band verdeutlichen. Die mit über 2 Stunden angereicherte DVD, auf der neben dem Elektro-Hexe-Videoclip, als auch dem dazugehörigem Making Of, das Jubiläumskonzert in der Quelle, ein Studioreport, diverse Statements, Backstage-Aufnahmen und ein ca. 25minütiges Interview beim Ritteressen aus dem Frühjahr 2005 enthalten sind, wirkt eher langatmig und als Beiwerk.

Es zeigt jedoch welch sympathische, aber auch witzige Zeitgenossen diese Thüringer um „Blutkehle“ Michael Roth sind.Eisregen haben nichts von ihrer Intensität eingebüsst, nichtsdestotrotz liefern sie mit „Hexenhaus“ ein eher mittelmäßiges Ergebnis ab, das den Erwartungen nicht ganz standhalten konnte, weshalb es sich eher um einen Appetizer auf das voraussichtlich im Jahre 2007 erscheinende nächste Werk „Menschenmaterial“ handelt. Am meisten ist diesem Quintett wohl zuzuschreiben, dass sie ein weiteres Mal ohne Rücksicht auf Image und Genreansprüche an diese Platte herangegangen sind und ihre unnachahmliche Musik und Professionalität nicht abhanden gekommen ist.

Diejenigen, die diese Thüringer nie sonderlich mochten, werden mit dieser Mini CD ihre Meinung gewiss nicht ändern. Für die eingeschworene Fangemeinde hingegen ist „Hexenhaus“ eine empfehlenswerte, sowie lohnenswerte Angelegenheit und sicherlich ein Pflichtkauf. Eisregen bleiben nach wie vor ein Fall für sich. Aus der deutschen Black Metal Szene sind sie allerdings nicht mehr wegzudenken!

Die mobile Version verlassen