Review: Die Toten Hosen + Bad Religion (Hannover, 07.06.2013)

MG 4763-1400x933Die Toten Hosen auf Europatournee „Krach der Republik“ – Wünsche für die Ewigkeit und praktizierte Teufelsaustreibung

Im vergangenen Jahr begingen die Düsseldorfer Punkrocker um Campino ihr 30-jähriges Jubiläum. Mit fünfzehn Studioalben sowie weiteren vier Konzertalben beglückten sie bisher die noch immer wachsende Fangemeinde. Auf Konzerten wissen sie, wie man die Massen zum Beben bringt und die Location in einen wahren Hexenkessel verwandelt. Die großen Arenen füllen sie problemlos. Angekündigte Touren sind innerhalb kürzester Zeit ausverkauft. Glücklich diejenigen die eine der begehrten Karten ergattert haben. Aber auch der Kontakt zum Publikum ist ihnen wichtig. So überraschten sie in der Vergangenheit mit Wohnzimmerkonzerten, unangekündigten Zusatzkonzerten oder Auftritten an doch ungewöhnlichen Orten. Das Alter ist nicht unscheinbar an den Mitgliedern der Band vorübergezogen.

So manch Falte oder graues Haar sind inzwischen hinzugekommen, jedoch sind sich die Herren in ihrem musikalischen Wirken, ihren Texten und in ihrem Auftreten immer authentisch und sich treu geblieben. Noch immer dominieren soziale und politische Themen rund um Glauben, Psychologie, Fremdenfeindlichkeit, aber auch Freundschaft und Zivilcourage ihre Songs. Ebenfalls zeichnet sich die Band durch ihr Soziales Engagement und politisches Wirken aus. So unterstützen sie unter anderem Aktionen gegen den Ausländerhass, die „Kein Bock auf Nazis“-Kampagne, „Ärzte gegen Atomkrieg“ oder auch Greenpace. Unter dem Motte „Lieber nackt als im Pelz“ posierten unbekleidet auf Plakaten der Tierschutzorganisation PETA und erweckten damit Aufmerksamkeit.

MG 4520-1400x933Bei bestem Open Air Wetter strömen die Menschen bereits am frühen Nachmittag gen Explo-Plaza Gelände in Hannover. Es ist ein abendfüllendes Programm angesagt. La Vela Puerca aus Uruguay, die belgischen Triggerfinger und die kalifornische Punklegende Bad Religion werden heute die Massen auf Touren bringen, bevor die Düsseldorfer Punkrocker sich die Ehre geben. Als wir am frühen Abend eintreffen, herrscht vor dem Einlass bereits Volksfeststimmung. Sowohl Fans der ersten Stunde als auch der jüngste Punkrocknachwuchs hat sich eingefunden. Man redet, man singt und trinkt gemeinsam. Die Sicherheitskontrollen sind flux passiert und nach wenigen Schritten eröffnet sich ein Blick auf die riesige Bühne und tausende Fans. Begleitet von den Klängen des Bad Religion Klassikers „Punk Rock Song“ sind wir geneigt ein Plätzchen zu finden, von dem man eine gute Sicht auf die Bühne hat, aber auch noch genügend Luft bekommt.

Mit dem Titelsong des neuen Albums „Ballast der Republik“ entern die Düsseldorfer punkt 21.00 Uhr die Bühne und geben weiter Vollgas mit „Altes Fieber“. Die Menge vor der Bühne ist von Beginn an voll dabei. Es wird lautstark mitgesungen und gefeiert. Mit seinen 50 Jahren ist Campino immer noch topfit und liefert eine perfekte Show ab. Es kommt das Gefühl auf, dass die Bühne gar nicht groß genug für ihn sein könnte. Sein Bewegungsdrang ist immens. Campino ruft zum „Auswärtsspiel“ und thematisert den 3:0 Sieg der Hannoveraner gegen die Düsseldorfer. Es folgt „Du lebst nur einmal“- schau nicht zurück, die Zukunft zählt. Ein „Guten Tag“ bedeutet auch immer ein „Auf Wiedersehen“. Nachdenkliche Töne auch in „Alles wird vorübergehen“, ob gute oder schlechte Zeiten – nichts ist unendlich. Um den grauen Alltag oder wenn man den Finger nicht aus der Tür MG 4552-1400x933bekommt, geht es in „Das ist der Moment“. Eine Anspielung auf seinen dick verbundenen rechten Mittelfinger. Weitere Klassiker wie „Bonnie & Clyde“ und natürlich „Sascha“ dürfen nicht fehlen. Das Publikum brüllt inbrünstig mit und danach die „Nazis raus!“-Gesänge sind Campino immer noch die liebsten Chöre, auch nach all den Jahren. Ein wenig Geschichte darf auch nicht fehlen, so verweist Campino auf den 84. Jahrestag der Eigenständigkeit des Vatikanstaates und die Teufelsaustreibung des Papstes Franziskus. Dies nimmt der Frontman zum Anlass eine selbige durchzuführen. Man möge den bösen Geist, diesen Teufel, gemeinsam vertreiben, es dürfe nie wieder eine 3:0 Niederlage der Fortuna gegen Hannover geben. Für „Paradies“ gibt es textsichere Fanunterstützung. Marco aus Braunschweig mit dem dringenden Hinweis bald Lindener zu sein, erobert die Bühne und liefert einen starken Auftritt ab. Stark auch die Stimmen der beiden jungen Nachwuchstalente Meg ’n Jez. Nach zwei performten Songs drängt aber schon die magische 22.00 Uhr Zeitgrenze, der Jugendschutz versteht hier keinen Spaß. Das Reportoire der Toten Hosen wird vervollständigt durch „Niemals einer Meinung“, „Pushed Again“, „Steh auf, wenn du am Boden bist“ auch hier wieder der Bezug auf die Fortuna, „Hier kommt Alex“ und „Wünsch Dir was“. Das Cover „Schrei nach Liebe“ der „ambitionierten und hoffnungsvollen Nachwuchsband“ Die Ärzte wird ebenfalls zum Besten gebracht. „Tage wie diese“, der Song, der die deutsche Mannschaft während der Fußball-Europameisterschaft 2012 begleitete, bildet den Abschluss des Sets.

Weitere Zugabenblöcke u.a. mit „All die ganzen Jahre“, „Alles aus Liebe“ und „Zehn kleine Jägermeister“ folgen. Letzterer nicht ohne einen neckischen Seitenhieb auf FC Bayern-Präsident Uli Hoeneß. So untrennbar wie die katholische Kirche mit dem lieben Gott, ist Campino mit der Rockband Slade verbunden. Aus diesem Grund lässt er es sich auch nicht nehmen „Far far away“ zu MG 4604-1400x1042performen. „Schönen Gruß, auf Wiederseh´n“ bildet den Abschluss des zweiten Zugabenblocks. 25.000 Armpaare strecken sich analog Campinos in die Höhe und bringen die Plaza zum Kochen. Ein drittes und letztes Mal lassen sich Die Toten Hosen auf der Bühne blicken. Man erzählt, dass am Dienstag ein Konzert in München ansteht und man schon einmal den gediegenen Gesang von „Bayern“ üben müsse. Den Song von der Setlist streichen, käme nicht in Betracht, die Jungs wollen nicht als „Muschis“ verschrien werden. Nur gediegen und leise bleibt es bei weitem nicht, dazu stimmen die Fans zu lautstark ein. Aber auch ein solch geniales und ausgelassenes Open-Air-Erlebnis gehen einmal zu Ende und so werden die Massen mit der universellen Fussballhymne „You’ll never walk alone“ in die Nacht entlassen.

Das mit dem Verklingen der letzten Töne, dem Löschen des Lichtes der Abend noch lange nicht zu Ende sein muss, wurde ebenfalls bewiesen. Unsere Bahn ins Stadtzentrum ist gut gefüllt und noch immer haben die Massen die Musik im Blut. Auch wenn nicht ganz notensicher, einmalig ist es trotzdem, denn die letzten Textzeilen der Band „You’ll never walk alone“ finden Anwendung. Keiner hat in diesem Moment das Gefühl allein gehen zu müssen. Eine ganze Bahn stimmt in den Song „Eisgekühlter Bommerlunder“ ein und an den Haltestellen werden die Aussteigenden mit einem Ständchen a‘ la „Schönen Gruß, auf Wiederseh’n“ verabschiedet. Man ist eine Familie, die Familie der Toten Hosen.

Ein großes Danke geht an Viktor Schanz für seine genialen Fotos. Schaut mal bei ihm rein….  http://www.viktor-schanz.de

Links:
www.badreligion.com

www.dietotenhosen.de  

 

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Torsten Volkmer
Torsten Volkmerhttp://www.torsten-volkmer.de
Volkmr, der Gründer des ehemaligen Goth-Zine.de, verdingt sich „selbst und ständig“ als Linsenputzer bei volkmr fotografie ihm seine Knipsklitsche, hat sich als Chefredakteur 2.0 selbst recycelt, die Metalfriese abgeschüttelt und kämpft mit be subjective! erfolgreich gegen hausgemachte Langeweile, Schubladendenken und seine Profilneurose an. Manchmal darf er auch die RedakteurInnen rumfahren oder Wassereis abstauben.

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