Preview: Ryan Sheridan – Die Geheimwaffe auf 1 Mal 1 Tour (25.09.2016, Hannover)

Freitagabend, übermüdet hinter der Theke einer Kneipe. Die letzten Gäste amüsieren sich immer noch prächtig und sitzen hartnäckig vor ihrem Bier. Ihr Ziel scheint klar: der letzte Rest Bier wird nicht getrunken, der wird verdunsten. In so einer Situation lernte ich Ryan Sheridan kennen – und lieben. Denn anstatt die Gäste nun mit dem üblichen Raus-werf-Ritual zu konfrontieren, gibt es noch die diplomatische Geheimwaffe. Also CD Player auf, Ryan Sheridan „The day you live forever“ rein. Und dann zurücklehnen und staunen: Egal welche Gäste, diese Musik hat auf die letzten Gäste einer Kneipe immer die gleichen unerklärlichen Auswirkungen: aus der fröhlich – bierseligen – wir-bleiben-bis-zum-Morgengrauen-sitzen-Laune wird auf einmal eine eher ruhige besinnliche Stimmung, man zahlt, zieht seine Jacke an und man geht.

Einfach so. Kein Gezeter, kein Gemotze. Nichts.

Ryan Sheridan (Foto: Pressefreigabe, hfr.)
Ryan Sheridan (Foto: Pressefreigabe, hfr.)

Es wird einfach gegangen. Und während man die letzten Aufräumarbeiten erledigt, kann man laut Ryan Sheridan hören. Denn auf mich hat der Ire überhaupt keine beruhigende Wirkung, im Gegenteil: Die Musik reisst mich mit und macht einfach nur gute Laune.
Und das nicht nur auf CD. Im Dezember letzten Jahres hat es dann endlich gepasst: ich konnte Karten für ein Ryan Sheridan Konzert in Zürich im Papiersaal ergattern. Wobei „ergattern“ das falsche Wort ist. In seinem Heimatland Irland sind seine Konzerte mittlerweile ausverkauft und Ryan Sheridan wird als Senkrechtstarter gefeiert. Aber in Zürich ist es ein familiäres Konzert. Zusammen mit ca. 50 Menschen stehe ich entspannt vor der Bühne im ersten Stock der ehemaligen Papierfabrik. Ein passendes Ambiente: hohe Wände, Backsteine, schlicht und doch stilvoll mit einer Bühne, die zu drei Seiten offen ist. Man ist hautnah aus fast jeder Perspektive dabei. Das Mischpult und die Helfer im Hintergrund sind dadurch viel präsenter als bei anderen Konzerten, was angenehm ist und zu der familiären Atmosphäre beiträgt.

Der Support ist Ida Gard aus Dänemark, eine Sängerin mit voller Stimme und ruhigen Songs. Gut beschreiben lässt sich ihre Musik anhand ihrer Kleidung: schwarzer Wollkragenpullover, langer schwarzer Rock, Haare ordentlich zusammengebunden. Alles ein wenig steif und ohne Pepp. Man erträgt sie höflich und freut sich auf den Hauptact.

Nach einer kurzen Umbaupause ist es soweit: Die vier Jungs betreten die Bühne und der musikalische Wind ändert sich schlagartig: Akkustikgitarren, Drums, Vocals. Ein Flair von Straßenmusik macht sich im Papiersaal breit.

Das Publikum ist sofort wach, es wird mitgewippt, einige singen mit, die Stimmung taut auf. Die ersten Songs machen schon Spaß, aber waren für die Band offensichtlich nur die Warm-Spiel-Songs. Weiter geht es mal mit elektronischen Gitarren, dann wieder Songs mit Akustik gitarren und Kontrabass. Von einem klassischen Rockkonzert, zurück irgendwo in die Dubliner Einkaufsstraßen. Von Balladen über rockigere Songs zu peppigen Songs mit Irish Folk Einschlag. Von der einstudierten Bühneshow ins Improvisationsspiel. Von Gesangskapriolen zu Akkustikeinlagen. Die Musiker verschmelzen mit ihren Instrumenten, gehen komplett in dem Spiel und dem Rhythmus auf. Der Schlagzeuger benutzt häufig nur seine Hände, trommelt sich den Wolf und scheint kurz vor dem Abheben zu sein. Man merkt Ryan Sheridan seine Straßenmusikerwurzeln an, aber sie passen hierher. Und die Wechsel zwischen den verschiedenen Welten macht die Musik authentisch und das Konzert zu etwas Besonderem.

„Here and now“

Gespielt wird viel von dem neuen Album „Here and now“, aber auch alte Songs von dem ersten Album „The day you live forever“. In den Songs geht es um Freude und um Trauer, um Spass am Leben, um Neugier, um die Höhen und die Tiefen und um alle anderen Facetten des Lebens. Aber immer kommt ein unumstösslicher Optimismus, Lebensfreude, Leidenschaft und die Verankerung im Hier und Jetzt, die sich schon in den Albumtiteln wiederspiegelt, durch.

Zwischendrin erzählt Ryan Sheridan kleine Anekdoten von Touren und aus seinem Leben. So begleitet die Musik ihn schon von Kindesbeinen an. Mit 7 Jahren lernt er Geige spielen und beginnt, sich mit traditioneller irischer Musik zu beschäftigen. Vier Jahre lang tourt er mit „Riverdance“ als Tänzer durch die Welt, lebt in New York, beginnt nebenbei Songs zu schreiben, gründet eine Band und kehrt schliesslich nach Irland zurück. In seiner irischen Heimatstadt Monaghan leitet er eine Veranstaltungshalle. Und dort erkennt er auch, dass sein Platz nicht vor der Bühne, sondern auf der Bühne ist. Da steht er heute. Und da passt er hin.
Seine Erfahrung mit Bühnen merkt man ihm an. Von Aufregung keine Spur. Da stehen Profis auf der Bühne und zugleich ist der Spaß am Musik machen und der Spaß, für Menschen zu spielen, ihr Lebenselixier. Es ist genau das, was die Vier machen wollen und so ist auch das Konzert.

Lebenselixier

Die Songs werden souverän mit viel Herzblut interpretiert und es wird immer wieder improvisiert. Man merkt den Jungs den Spaß an der Musik, am Spielen, am auf der Bühne stehen an. So schmeißen sie sich gegenseitig Riffs um die Ohren, fordern sich musikalisch heraus. Es wird gespielt, es wird gelacht, es geht auf zu virtuosen, musikalischen Höhenflüge und wieder zurück auf die Erde und in den Papiersaal. Die Jungs haben sich gesucht und gefunden und lieben genau das, was sie da gerade machen. Das Publikum scheint zwischendurch vergessen und ist doch dabei und begeistert. Die Freude am Spielen steckt an. Das Konzert vergeht wie im Flug. Als die letzte Zugabe verklungen ist, scheint es, dass alle aus einem fernen Land zurück in den Papiersaal kommen. Überall zufriedene Gesichter, leuchtende Augen. Und ein Hauch Enttäuschung, dass es schon vorbei ist.
Aber im Herbst ist es wieder soweit: Ryan Sheridan macht auf der 1×1 Tour gleich 13x Halt in Deutschland. In diesem Sinne viel Spaß euch allen mit der Geheimwaffe Ryan Sheridan!

Die Dates:

  • 23.09.2016 Rosenhof, Osnabrück
  • 24.09.2016 Brotfabrik, Frankfurt
  • 25.09.2016 Musikzentrum, Hannover
  • 27.09.2016 Zentrum Altenberg, Oberhausen
  • 28.09.2016 Z-Bau, Nürnberg
  • 30.09.2016 Strom, München
  • 01.10.2016 ClubCANN,Stuttgart
  • 02.10.2016 Colos-Saal, Aschaffenburg
  • 04.10.2016 Capitol, Düsseldorf
  • 06.10.2016 Garage, Saarbrücken
  • 07.10.2016Knust, Hamburg
  • 08.10.2016 Columbia Theater, Berlin
  • 09.10.2016 Harmonie, Bonn

Alben
• The Day You Live Forever (2011)
• Here and Now (2015)
EPs
• Walking in the Air (2011)
Auszeichnungen
Goldene Schallplatte
• 2011 für The Day You Live Forever[
Platin-Schallplatte
• 2012 für The Day You Live Forever

Links:

www.idagardmusic.com

Judith Sander
Judith Sanderhttps://www.be-subjective.de
Es gibt Sucht-Charaktere, die entsagen und es gibt andere, die setzen sich ins Epizentrum ihres Verlangens. Nein, Judith ist keine Schweizer Taschenmesserwerferin, sie ist bekennend schokoladensüchtig und metzelt ohne zu zucken für ‘ne Toblerone oder Eiscreme oder Tobleroneeiscreme oder.. na jedenfalls: Die Frau ist echt Zucker, echt hart drauf, hat ein feines Näschen, legt sich für die richtigen Dinge ins Zeug, in die Kurve und nascht am allerliebsten an kleinen, unbekannten Bands in ruhiger Atmosphäre. Wer die olle Genießerin dennoch ans Messer liefern will, sperrt sie – in einen rosa Rüschen-Alptraum gehüllt – mit stinkenden Dränglern ins Musikantenstadl und nimmt ihr das letzte Milkyway weg.

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