Review: Kamelot (13.04.2010, Helsinki)

International ging es diesmal im Nosturi Club im finnischen Helsinki zu. Die US-Power Metaller Kamelot mit ihrem norwegischen Frontman Roy Khan hatten nicht nur die schwedisch-dänische Death Metal Band Amaranthe, sondern auch das norwegisch-deutsche Sextett Leaves' Eyes als Anheizer für ihre Gigs in Tampere, Helsinki und Oslo im Gepäck.

Ebenso vielfältig wie die Nationalitäten an diesem Abend fielen dann auch die Meinungen über die beiden Vorbands aus. Während Amaranthe und Leaves' Eyes Fans sichtlich auf ihre Kosten kamen, blieb die Begeisterung der Masse leider aus. Was jedoch der erwartungsvollen Stimmung hinsichtlich der Headliner keinen Abbruch tat – im Gegenteil: Als um 21.50 der Vorhang fiel und Kamelot die Bühne betraten, war die zweigeschossige Halle bis in den letzten Winkel gefüllt, und die Begrüßung stürmisch. Einige Kamelot-Anhänger waren der Band sogar extra aus Mexico nachgereist.  
Trotz des für das Nosturi schon fast charakteristischen schlechten Sounds sprang der Funke zwischen Band und schwarzgekleidetem Publikum sofort über. Überraschenderweise wurden Khans Vocals nicht wie sonst in diesem Venue üblich vom Rest der Band übertönt, sondern erreichte auch noch die letzten Fans in den hintersten Reihen mühelos. Ein Beweis für die Stimmgewalt dieses Mannes, der es obendrein auch noch versteht, das Publikum mit charismatischem Charme und vielen humorvollen Bemerkungen für sich zu gewinnen.

Kamelot verstehen es außerdem sich durch Stage Setup und Beleuchtung optisch in Szene zu setzen, und damit ihrem epischem Sound das gewisse Tüpfelchen auf dem I aufzusetzen.

Die Show selbst konnte sich auf jeden Fall sehen lassen – Gitarrist Tom Youngblood und Bassist Sean Tibbetts setzten darauf, die gesamte Bühne für ihre Performance zu nutzen, während Frontman Roy Khan seinen Charme überwiegend auf einer Plattform vor den Monitoren spielen ließ, unzählige Hände schüttelte, und sich nach finnischen Vokabeln erkundigte. Dabei stellte er fest, dass seine Heimat Norwegen zwar an Finnland grenzt, Finnisch jedoch genauso weit vom Norwegischen entfernt sei wie Hindi – eine Tatsache, die niemanden überraschen sollte, der sich jemals mit der finnischen Sprache auseinandergesetzt hat.

Kamelot starteten ihr Set mit einer stimmlich perfekten Darbietung von "Ghost Opera", gefolgt von "Eden Echo" bei dem die Menge bereits den Refrain mit Hingabe mitsang. Danach war es Zeit für neues Material – "The Great Pandemonium" vom neuen, noch unbetitelten Kamelot Album, das für den Sommer angekündigt ist. Der symphonischen Liveversion nach zu urteilen hat der Song mit einem ins Ohr gehenden Refrain durchaus Single-Potential, erinnert ein bisschen an "March of Mephisto", und weckt die Vorfreude auf die neue Kamelot-Scheibe.

Als nächsten Song gab's "The Human Stain" und das epische "Centre Of The Universe". Nach "Wander" bekam dann der Rest der Band die Gelegenheit, während einer längeren instrumentalen Einlage zu zeigen, was sie wirklich drauf haben, obwohl das Drum Solo zu diesem Zeitpunkt wohl eher eine Aufwärmübung für noch bevorstehende akustische Leckerbissen war. Die ließen auch nicht lange auf sich warten – nach einer überzeugenden Version von "The Pendulous Fall" und dem energiegeladenen "When The Lights Go Down" lieferte Oliver Palotai ein fantastisch sphärisches Keyboard Solo ab, das wunderbar auf "The Haunting (Somewhere In Time)" einstimmte, bei dem Sänger Roy Khan von der überaus talentierten Amaranthe-Gastvokalistin Elize Ryd unterstützt wurde. Auch optisch harmonierte das Duo perfekt, so dass es sicherlich schön gewesen wäre, wenn Amaranthe auch während anderer Europakonzerte mit von der Partie gewesen wären, denn einen derartigen Ohrenschmaus hätte man gern auch anderen Fans gegönnt. Es folgte ein weiterer neuer Song "Hunter's Season", der wie schon zuvor "The Great Pandemonium" gespannt auf die Studioversionen machte. Der Klassiker "Rule The World" bekam Anstrich von Tausendundeiner Nacht, als Elize Ryd im feuerroten Bauchtanz-Outfit das Publikum zum Kochen und selbst die Security sichtlich zum Schmachten brachte.  
Einer der Höhepunkte des ohnehin bis dahin schon gelungenen Abends war sicherlich Casey Grillo's anschließendes Schlagzeugsolo – nicht nur faszinierend anzuhören sondern auch optisch ein Erlebnis. Danach gab es im Grunde keine Steigerung mehr – oder zumindest hätte niemand eine solche erwartet. Aber Kamelot waren noch nicht fertig mit ihren finnischen Fans. Den Abschluss des Sets bildete "Forever", und zwar in einer unglaublich präzisen Version, die so nah an die Studioaufnahme herankam, wie es überhaupt live nur möglich ist.

Als Zugabe gab's "Interlude II: Un Assassinio Molto Silenzioso", "Memento Mori", "Season's End"
und das wundervolle "Karma". Und weil es einfach unvorstellbar wäre, ein Kamelot Konzert ohne "March Of Mephisto" zu beenden, wurden die Fans als zweite Zugabe mit einer besonderen Darbietung desselben für ihre Begeisterung belohnt, denn Elize Ryd betrat zum dritten Mal an diesem Abend für Kamelot die Bühne und spielte das Trommel-Intro – interessanterweise mit Augenbinde für den Extra-Effekt.

Nach einer solchen Show kann man einfach nur noch resümieren, dass diese Band ihren relativ stolzen Eintrittspreis von 27 Euro definitiv wert ist. Selten habe ich einen Frontman erlebt, der es versteht so mit seinem Publikum zu interagieren. Ein großes Kompliment auch an Elize Ryd von Amaranthe, die die Band mit sympathischem Charme, hervorragender Stimme und nicht zuletzt einer gehörigen Portion Sex Appeal unterstützt hat.

Kamelot setzen nach drei Anfang April gespielten Deutschlandterminen in Dortmund, Köln und Hamburg ihre Tour gegenwärtig in den USA fort, werden aber am 6. August 2010 auf dem Wacken Open Air zu sehen sein.  Zuvor darf man sich auf das brandneue Kamelot-Album freuen, das voraussichtlich im Juni erscheinen wird.

Set List:

  1. Ghost Opera
  2. Eden Echo
  3. The Great Pandemonium
  4. The Human Stain
  5. Centre Of The Universe
  6. Wander
  7. Instrumental Jam Session
  8. The Pendulous Fall
  9. When The Lights Are Down
  10. Keyboard Solo
  11. The Haunting (Somewhere In Time)
  12. Hunter's Season
  13. Rule The World
  14. Drum Solo
  15. Forever
    —————–
  16. Interlude II: Un Assassinio Molto Silenzioso
  17. Memento Mori
  18. Season's End
  19. Karma
    ——————
  20. March Of Mephisto
Torsten Volkmer
Torsten Volkmerhttp://www.torsten-volkmer.de
Volkmr, der Gründer des ehemaligen Goth-Zine.de, verdingt sich „selbst und ständig“ als Linsenputzer bei volkmr fotografie ihm seine Knipsklitsche, hat sich als Chefredakteur 2.0 selbst recycelt, die Metalfriese abgeschüttelt und kämpft mit be subjective! erfolgreich gegen hausgemachte Langeweile, Schubladendenken und seine Profilneurose an. Manchmal darf er auch die RedakteurInnen rumfahren oder Wassereis abstauben.

Weitere Artikel

Ähnliche Beiträge

Video der Woche: Santa Cruz – Wasted & Wounded [kw42/2018]

https://www.youtube.com/watch?v=xujYZsuf-S0 Lyrics: (Woo-o-oo-oo-oo-oo-oo) Can you hear the call for the wasted and wounded (Woo-o-oo-oo-oo-oo-oo) Wasted...

Review: Mystische Duette, Wikingergesänge und Magie – Kamelot in der Markthalle (28.09.2018, Hamburg)

Dunkel war´s, der Mond schien helle. Den Anfang dieses Gedichtes eines...

Flat Earth: Amorphis vs. HIM im Nahkampf (2018)

Flat Earth wurde ins Leben gerufen, nachdem Bassist Niclas...