Review: Coppelius (26.03.2008, Dresden)

Foto: Kristin Hofmann

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Sie touren zwar schon Jahrhunderte lang, aber einrosten tun sie nie. Die werten Herren von Coppelius machten sich am 26.03.2008 auf den Weg nach Dresden. Und zwar nicht irgendwo hin, sondern in die Scheune im Szeneviertel Dresden Neustadt. Einziges Manko an diesem Abend war wirklich nur der Wochentag: Mittwoch. Leider etwas unglücklich, was sich auch zu meinem tiefsten Bedauern auf die Zuschauerzahl auswirkte.

Es waren nicht 15, so wie Butler Bastille am Ende des Konzertes verlauten ließ, aber auch keine 150. Und wie der Dresdner so ist, so braucht er in kleiner Stückzahl etwas länger, um warm zu werden. Doch dazu später mehr.

 

Foto: Kristin Hofmann

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Ein Konzert mit Coppelius ist immer ein ganz besonderer Augen- und Ohrenschmaus. Rein optisch sieht man ihnen ihr wahres Alter gar nicht an, denn knackig sind sie, keine Frage! Eingekleidet mit Hemden, Jacken, Capes, Mänteln, Westen, Hüten, schicken Schuhen… und ausgerüstet mit Schlagzeug, Klarinetten, Cello und Bass wissen die sechs Gentlemen wie man einen unvergesslichen musikalischen Abend gestaltet. Coppelius sind: Max Coppella (Gesang, Klarinette), Nobusama (Schlagzeug, „Gesang“), Graf Lindorf (Cello, Gesang), Comte Caspar (Gesang, Klarinette), Sissy Voss (Bass) und Bastille (Butler, Gesang, Schlagzeug, Erfrischung, Korrespondenz, Erledigungen des täglichen Lebens). Ihre Musik ist einzigartig und wird nie langweilig. Coppelius selbst bezeichnen ihren Stil als „Kammer Core“.

Das Konzert an diesem Abend begann kurz vor 21.30 Uhr, das Auditorium zunächst recht leer, weil alle noch im Nebenraum an der Bar standen, um ihr Bierchen zu holen, um damit wieder rum schnell vor die Bühne zu dösen. Es dauerte nicht lang und die ersten Reihen waren locker besetzt. Was in keinem Fall negativ ist, denn somit gab es kein Geschubse oder andere bösartige Ausschweifungen. Denn Platz zum Tanzen braucht man viel bei den Herren Coppelius!

Foto: Kristin Hofmann

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Getanzt und gesungen wurde von Anfang an, da ist der gemeine Dresdner nicht so. Nur etwas schüchtern hat er sich manchmal mit dem vor die Bühnekommen. Somit waren die Musiker sowie das Publikum da und die Hüften bereit zum Schwingen, jawoll!

Hinter dem Schlagzeug hing ein großer „Time-Zeit“ Banner mit riesiger Uhr als Bild, der leider durch die niedrige Bühne nur schlecht zur Geltung kam. Links auf der Bühne war eine Art Paravan, hinter dem alle Musiker der Reihe nach vorkamen. Die Stimmung hielt sich zunächst noch etwas bedeckt, aber bereits beim dritten Lied „Operation“, gesungen von Comte Caspar, verflog die Bedecktheit und es gab ordentlich Anlass, um die Köpfe zu schwingen. Besonders schwungvoll war dabei ein Herr links, der aufgrund seiner Haarlänge einen beachtlichen Handbangradius hatte. Bei „Time-Zeit“, dem Titeltrack des aktuellen Albums, hatten die Dresdner die erste Möglichkeit, ihre Gesangskraft unter Beweis zu stellen.

Foto: Kristin Hofmann

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Nicht nur die Musik von Coppelius heizte ordentlich ein, sondern auch die Ansagen von Bastille, der schließlich doch alle vor die Bühne gezehrt hat („Ich seh hie eine LÜCKEEEE!“). Comte Caspar machte während eines Lied einen kleinen Ausflug ins Publikum, Herr Max Coppella spielte und sang mit verbundenen Augen, Sissy Voss und Graf Lindorf brachten die Seiten fast zum reißen und Nobusama „sang“ uns ebenfalls ein schönes Liebesliedchen, nachdem kräftige „Da Capo“ Rufe aus dem Publikum kamen. Nach etwa 90 Minuten endete die Vorstellung.

An Abwechslung, Lautstärke, Begeisterung,  Ideenreichtum, musikalischem Genuss und Professionalität hat es an diesem Abend wirklich nicht gefehlt. Nur die Zuschauer müssen in Dresden das nächste Mal in größerer Zahl erscheinen, damit sie mal zeigen können, was in Dresden unter großer Party verstanden wird.

Konzertfotos:

Link:
www.coppelius-band.de

 

Torsten Volkmer
Torsten Volkmerhttp://www.torsten-volkmer.de
Volkmr, der Gründer des ehemaligen Goth-Zine.de, verdingt sich „selbst und ständig“ als Linsenputzer bei volkmr fotografie ihm seine Knipsklitsche, hat sich als Chefredakteur 2.0 selbst recycelt, die Metalfriese abgeschüttelt und kämpft mit be subjective! erfolgreich gegen hausgemachte Langeweile, Schubladendenken und seine Profilneurose an. Manchmal darf er auch die RedakteurInnen rumfahren oder Wassereis abstauben.

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