Review: In Extremo – Mittelalter-Rock in der Thüringenhalle (28.10.2016, Erfurt)

Den letzten Freitagabend im Oktober kann man mit extrem Couching vor der Heizung verbringen – muss man aber nicht. Und schon gar nicht, wenn in der Erfurter Thüringenhalle In Extremo aufspielen – wärmendes (Bühnen-)Feuer inklusive. Nach der Veröffentlichung ihrer neuen Scheibe „Quid pro Quo“ im Juni dieses Jahres, sind die Mittelalter-Rocker derzeit auf der dazugehörigen Tour durch Deutschland, Österreich und die Schweiz. Klar, dass Sänger und Frontmann Michael Robert Rhein (alias „Das Letzte Einhorn“) auch seinem Heimatbundesland Thüringen einen Besuch abstattete.

Für 19 Uhr war der Einlass angekündigt. Zu dieser Zeit schlängelten sich allerdings noch viele Feierwillige erfolglos über den viel zu kleinen Parkplatz vor der Thüringenhalle. Die, die diese nervige Hürde bereits gemeistert hatten, standen bereits in langen Schlangen ungeduldig wartend vor den Eingängen.

Beim Betreten der Halle, die immerhin bis zu 4.000 Leute fassen soll, überfiel mich schlagartig die düstere Erinnerung an die darin vorherrschende schlechte Klimatisierung. Und dazu erwartungsgemäß noch Feuerfontänen und Co.? Na das kann ja heiter – oder eher heiß – werden.

Lacrimas Profundere (Foto: Janina Lindner bs!)
Lacrimas Profundere (Foto: Janina Lindner bs!)

Auf der großen Bühne war bereits der Schriftzug der Supportband Lacrimas Profundere zu lesen, die dann gegen 20 Uhr ihren Part des musikalischen Abends mit „Awake“ – einem Song aus ihrem aktuellen Album „Hope Is Here“ – eröffneten. Die Gothic-Rocker hatten es zu Beginn jedoch nicht so einfach, das Erfurter Publikum zu begeistern und in ihren Bann zu ziehen. Die In Extremo Fans sind eben viel Action auf der Bühne gewohnt, die sie hier anscheinend ein wenig vermissten. Nachdem sich Sänger Rob Vitacca – der Mann mit der angenehm tiefen Stimme – aber nicht mehr so viel hinter seinem Mikro versteckte, wurde es besser. Während „My Halo Ground“ taute das Publikum auf und spätestens mit „Amber Girl“ und „A Sigh“ hatten sie es endgültig geknackt.

Schade, dass es dann auch schon wieder fast vorbei war. Nach ca. 40 Minuten Spielzeit verabschiedeten sich Lacrimas Profundere mit „Ave End“, zu dem sich immerhin mehrere hundert Hände über den Köpfen hin und her bewegten. Dem Applaus nach zu urteilen, dürften sie mit ihrem Auftritt so einige Neufans gewonnen haben.

Lacrimas Profundere (Foto: Janina Lindner bs!)
Lacrimas Profundere (Foto: Janina Lindner bs!)

Auf der Bühne wurde nun fleißig umgebaut. Vor der Bühne versuchten die anwesenden Fans etwas nach Luft zu schnappen, was aber nur noch an den Seiten möglich war. Kurz nach 21 Uhr gab es erste Pfiffe und „In Extremo”-Rufe im Publikum – die in großem Jubel gipfelten, als die Banner der Band im Hintergrund der Bühne hochgezogen wurden. Lange hingen die da natürlich nicht. Mit einem lauten Knall fielen sie sogleich im Intro und das Publikum tobte. Einen besseren Empfang kann sich wohl keine Band wünschen. Und so legten In Extremo strahlend mit „Quid pro Quo“ los. Wir FotografInnen schauten uns das Spektakel bis zum dritten Song artig von der Seite aus an, da man erwartungsgemäß entschieden hatte, uns bei „Feuertaufe“ nicht den Flammen zum Fraß vorzuwerfen. Ab „Zigeunerskat“ hieß es dann aber auch für uns…

Feuer frei

In Extremo (Foto: Janina Lindner bs!)
In Extremo (Foto: Janina Lindner bs!)

Dass die Fans der Band nicht nur kräftig feiern, sondern auch mit absoluter Textsicherheit glänzen können, zeigte sich besonders bei den Songs „Vollmond“ oder auch „Spielmannsfluch“ – letzteren sang das Publikum einfach noch eine Weile alleine weiter. Da blieben für Sänger Michael doch kaum Wünsche offen. Doch halt – war da nicht was mit Bratwürsten, die wir zum nächsten Konzert in Erfurt mitbringen sollen…?!

In Extremo (Foto: Janina Lindner bs!)
In Extremo (Foto: Janina Lindner bs!)

Hach ja, es macht doch immer wieder Spaß In Extremo live zu sehen. Den Musikern sieht man nach so vielen Jahren Bandgeschichte und unzähligen Liveauftritten immer noch den Spaß an ihrem Tun an. Und so viele ausgelassen feiernde Fans sieht man leider auch nicht auf jedem Konzert. Der Pyrotechniker der Band konnte sich ebenfalls – wie gewohnt – fleißig austoben, z. B. beim neuen Song „Lieb Vaterland, magst ruhig sein“. Selbst die sonst unerschütterlich wirkenden Security, zuckten bei dem einen oder anderen Knall zusammen – tja, auf einem In Extremo – Konzert ist „Rasend Herz“ eben nicht nur ein weiterer Songtitel auf der Setlist… Während die ersten Reihen im (Bühnen-)Feuer sanft gegrillt wurden und die hinteren Reihen langsam in ihrem eigenen Saft garten, fand Frontmann Michael Rhein nach “Ai Vis Lo Lop“ noch Zeit, ein großes „Danke“ an die Crew zu richten, die dafür – Krönchen tragend – auf die Bühne mussten. Vielleicht hätten sie sich in weiser Voraussicht am nachfolgenden Song „Sternhagelvoll“ orientieren sollen, dann wäre das für sie auch nicht mehr peinlich gewesen.

In Extremo Fans (Foto: Janina Lindner bs!)
In Extremo Fans (Foto: Janina Lindner bs!)

Bevor mit „Moonshiner“ der (vorerst) letzte Song des Abends angekündigt wurde, wollten die Musiker – nach „Roter Stern“ – wiederholt ihre Zuneigung für Russland ausdrücken. Und wie könnte man das besser als mit „Black Raven“, einer auf Russisch gesungenen Sage vom Schwarzen Raben?!

In Extremo (Foto: Janina Lindner bs!)
In Extremo (Foto: Janina Lindner bs!)

Doch wer nach „Moonshiner“ die Halle schon verlies, hat noch einiges verpasst. Nachdem ich das Geschehen den ganzen Abend von der Seite aus betrachtet hatte, mischte ich mich für die folgenden Zugaben doch noch mitten unter das Publikum. Zu „Himmel und Hölle“, „Liam“ oder „Belladonna“ wurde noch mal alles gegeben – vor und auf der Bühne. Eine kleinere Gruppe von Fans tanzte zum Abschlusssong „Pikse Palve“ sogar Polonaise durch die Menge. An dieser Stelle sei aber noch ein kleiner Gruß an die Person gestattet, die so großzügig ihr Bier mit mir und den Umstehenden geteilt hat. Trink es doch einfach beim nächsten Mal, wir Anderen Duschen lieber mit Wasser. Aber so ist das eben – im Eifer des Gefechts. Nichtsdestotrotz möchte ich diesen Konzertbericht mit den Worten von Michael Rhein beenden: „Vielen Dank für diesen wunderschönen geilen Abend“!

In Extremo (Foto: Janina Lindner bs!)
In Extremo (Foto: Janina Lindner bs!)

Setlist – In Extremo:

  1. Quid pro Quo
  2. Feuertaufe
  3. Zigeunerskat
  4. Vollmond
  5. Störtebeker
  6. Gaukler
  7. Unsichtbar
  8. Sängerkrieg
  9. Lieb Vaterland, magst ruhig sein
  10. Rasend Herz
  11. Roter Stern
  12. Frei zu sein
  13. Spielmannsfluch
  14. Ave Maria
  15. Ai Vis Lo Lop
  16. Sternhagelvoll
  17. Küss mich
  18. Black Raven
  19. MoonshinerEncore
  20. Himmel und Hölle
  21. Nur ihr allein
  22. Liam
  23. Belladonna
  24. Pikse Palve

 

Galerien:

Links:
www.lacrimas.com
www.inextremo.de

 

Janina Lindner
Janina Lindnerhttp://www.kleine-fotowelt.de/
Janina haben wir in der Mitte Deutschlands ausgesetzt, dort wohnt sie nun, wenn sie nicht gerade auf Festivals rumstreunt, bei einem Kater, der ihr gelegentlich Obdach gewährt. Sie hat als erste unser Bootcamp für Musiksüchtige mit “unbelehrbar” abgeschlossen und gilt als gemeingefährliches 80s Radar. Wir konnten die Frau nicht mal vom Singen im Auto abbringen, damit steht sie sich und ihrer Karriere als Taxifahrerin mit mindestens drei Halbtonschritten im Weg. Immerhin spricht sie fließend Ironisch und amüsiert sich auf Konzerten köstlich über die neidvollen Blicke Umstehender, wenn sie ihr "großes Rohr" auspackt. Janina liiiiebt ihr 70-200 mm und kann auch damit umgehen... Es kommt eben doch auf die Größe an.

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