Review: Wave Gotik Treffen 2011– Samstag 11.06.2011

Der dritte Tag des Wave Gotik Treffens 2011 unterschied sich, zumindest in meinem Fall, in der Grundproblematik nur marginal von denen der letzten Jahre. Wie so oft lautete am Sonnabend für den vielseitig orientierten Treffenbesucher die Frage: elektronische Vollbedienung auf dem Agra Gelände, Metalbrett in der Alten Messe oder ein bisschen von beidem? Nachdem ich 2009 mit der metallischen Variante eher mäßige Erfahrungen gemacht hatte. Entschied ich mich heuer für die dritte Option und gönnte mir einen gemischten Salat aus natürlichen Zutaten (Empyrium), elektronischen Geschmacksverstärkern (Girls Under Glass) und leicht metallischem Abgang (Tiamat). Drei Acts in Drei Locations, umgarnt von musikalischem Grünzeug, welches zwar wenig Geschmack hatte aber immerhin satt machte! Guten Appetit!

EMPYRIUM

Die erste Station des Tages führte mich in das „Pantheon“, auch bekannt als „Kuppelhalle“ oder, für die Obernerds, „Alte Messehalle 16“. Was gab es dort schönes zu sehen, werdet Ihr Euch fragen und so sei Euch verkündet, dass das WGT mal wieder seinem Anspruch gerecht wurde wahre Bühnenraritäten mit außergewöhnlichen Künstlern an Land zu ziehen. Ergo gesellte sich am frühen Nachmittag ein kleines aber feines All-Star-Ensemble in das stilvolle Ambiente des Pantheons, um mit dem exklusiven Wiedervereinigungskonzert der unterfränkischen Darkfolk-Schwarzmetaller Empyrium eines der Highlights des diesjährigen Wave Gotik Treffens aufzuführen.

Gebettet in die teils bestuhlte und von theatralisch anmutenden Säulen eingefasste Kulisse, betraten die Akteure nach einer kurzen aber launigen Ansage die Bühne. Begleitet wurden Empyrium Urgestein Markus Stock, alias Ulf Theodor Schwadorf (Gitarre / Gesang) und Thomas Helm (Gesang / Keyboards) von einem illuster besetzten Ensemble, dem sich unter anderem Dornenreichs Eviga, Fursy Teyssier von Les Discrets und Allen B. Konstanz (The Vision Bleak) angeschlossen hatten.

Das Setting stimmte, der Saal war voll, beste Voraussetzungen für ein außergewöhnliches Konzert.  Und das wurde es dann auch. Knapp 70 Minuten kurz entführten Empyrium ihr Publikum in eine archaisch-naturverbundene Welt voller Mystik und Romantik. Überwiegend von akustischen Gitarrenparts und begleitenden Streicharrangements dominiert, lag in diesem Spektakel wie so oft die Wahre Kraft in der Ruhe. Eine Ruhe in der das Rascheln der Bäume, das Plätschern des kühlen Baches und Tautropfen im Moos akustische Wahrnehmbarkeit erlangten. Gelegentlich durchbrachen Empyrium aber auch die anmutige Stille und kündeten mit schneidendem Blackmetal-Versatz vom Verderben im Idyll. Neben Titeln wie „The Days Before The Fall“,
„The Franconian Woods In Winter’s Silence“, „Where At Night The Wood Grouse Plays“ zählte vor allem das episch angelegte „Mourners“, als Herzstück des Konzerts, zu den absoluten Höhepunkten.

Getrübt wurde dieser einzigartige und fesselnde Auftritt lediglich durch die bisweilen mäßige Sicht auf die Bühne. So passend und stimmungsvoll das Ambiente war, so unglücklich gestaltete sich die Raumaufteilung. Wer nicht gerade im unteren Bereich einen Sitzplatz ergattert hatte oder einen erhöhten Stehplatz sein Eigen nannte, bekam von den Musikern nicht viel zu Gesicht. Folglich verlor sich die intensive Atmosphäre im hinteren Teil der Halle und wich dem angestrengten Versuch mit etwas Glück einen Blick auf die von Menschenrücken verstellte Bühne zu erhaschen. Ein echter Downer für alle die es betraf. Zum Glück wurde das Konzert jedoch gefilmt, sodass sich jene wohl später noch auf DVD ansehen können werden, was sie visuell verpasst haben.

Vom Pantheon zog es mich anschließend auf direktem Wege zu Parkbühne. Mit geübtem Griff zum Handtelefon orderte ich in guter Tradition eine Funktaxe, während sich, ausgerechnet jetzt, der Himmel über Leipzig dramatisch verdunkelte. Just als der eierschalenfarbene Mercedes vor den Stufen des Halle zum stehen kam, begann es auch schon wie aus Kübeln zu gießen. Tolles Timing! Die Taxifahrerin gab sich jedoch zuversichtlich und berichtete von mehreren „Zönen“ die es in „Leipz´sch“ gäbe und nährte die Hoffnung, dass es an der Parkbühne möglicherweise schon wieder trocken sein könnte. Sehr zu meinem Erstaunen sollte die resolute Dame recht behalten. Kaum hatten wir gemeinsam den Clara Zetkin Park erreicht, lachte schon wieder die Sonne. Unfassbar!

GOTHICQUATSCH MIT DRACULA

Ebenfalls als unfassbar empfand ich einige Momente später den pubertären Lärm, der aus dem Inneren der Parkbühne scholl. Irgendwo hinter den Eingangssäulen tobte sich gerade ein Nachwuchsrocker aus, der mit mäßigem Gesang und wildem Rocker Gehabe versuchte einen Musiker zu imitieren und meilenweit über das Ziel hinaus schoss. Ein Blick in den Innenraum bestätigte meine schlimmsten Befürchtungen: eine spärlich gefüllte Kulisse vor der eine kajalbewährte Einsteigerkombo irgend einen seelenlosen Gothicquatsch herunter schrubbte. Dem Programmplan nach handelte es sich um Vlad In Tears. Was tun wir dagegen? Mit Spitzen Zähnen eine Bratwurst futtern und hoffen dass es vorbei geht!

THE HIRAM KEY

Nicht viel aufregender aber zumindest mal ohne kindisches Krakehlen stellten sich anschließend die alten Herren von The Hiram Key an. „This is a new band“ lautete die Ansage von Sänger Gary Ash (ex-Nosferatu), der in formvollendeter „Hab-Mich-Lieb“-Pose die Bühne beschwerte. Hinter ihm ein weiterer Veteran der britischen Gothic-Szene, Drummer Belle, bei dem ich mir langsam die Frage stelle, ob es auf der Insel eigentlich nur einen Gothic-Drummer gibt. So oft wie der Mann mit verschiedenen Combos zu sehen ist liegt der Vedacht allmählich nahe. The Hiram Key zeigten sich musikalisch unter dem Eindruck der klassischen alten Schule. Soll heißen, Joy Division, The Cure und Bauhaus standen offensichtlich Pate für das hier Aufgeführte. Das war in der Summe zwar irgendwie ganz nett aber wie so oft ist ganz nett eben die kleine Schwester von Scheiße. Und so outete sich das Quartett zum Abschluss seines Sets dann doch noch als das was es eine knappe Dreiviertelstunde lang erfolglos zu leugnen versucht hatte: eine durchschnittliche Cure Coverband mit dem Slogan des Tages: „We like it in Germany – Great Sausages, Great Beer!“. Ja ja und England kann immer noch nicht Elfmeterschießen! 😉

IKON

Wesentlich unterhaltsamer, wenngleich unter der Sonne Leipzigs vielleicht nicht hundertprozentig am richtigen Fleck, ging es mit der australischen Gothicrock Formation Ikon weiter. Mal davon ab dass die Aussies es geschafft hatten einige patriotische Fans vom 5. Kontinent mit nach Good Ol´ Germany zu bringen, bereitete der souveräne Vortrag aus Down Under dem inzwischen zahlreicheren Publikum durchweg Freude. Im Repertoire hatte das Quartett um Sänger und Gitarrist Chris McCarter den klassischen Goth Sound der 80er mit Stücken wie „Condemnation“, „I Never Wanted You“, „Echoes In Silence“, „Garden Of The Lost“, „Rome“ und einigen mehr.

Positiv an dem Auftritt fiel vor allem die unprätentiöse Art der Akteure auf. Frei von der Leber weg, kamen sie ohne aufgesetzten Pathos und große Gesten daher und hoben sich dadurch wohltuend von manch andere Combo dieses Pfingstwochenendes ab. Fehlte eigentlich nur noch das genre-typische Towering, bei dem sich die Fans übereinander Stapeln. Sei´s drum, morgen war ja auch noch ein Tag!

LACRIMAS PROFUNDERE

Womit wir schließlich beim Honigtopf des WGT´s angekommen wären: Lacrimas Profundere. Ich will gar nicht erst versuchen den Auftritt der bayrischen Dunkelrocker toll zu reden. Aus musikalischer Sicht war er vollkommen überflüssig. Konnte man früher über die verbalen Aussetzer von ex-Sänger Christopher Schmid noch geteilter Meinung sein oder zumindest Schmunzeln, hat die Band seit seinem Ausstieg zunehmend an Profil verloren. Früher noch verstärkt im Goth-/Doom Bereich unterwegs, fragte ich mich ernsthaft, wen Lacrimas Profundere hier mit ihrem ausgelatschten Finnrock-Sound noch vom Teller ziehen wollten. Ganz ehrlich, eine Boygroup á la Negative wird aus ihnen nie werden. Dennoch drehen die Jungs schon seit mehreren Scheiben verbissen in diesem süßlich-klebrigen Lager ihre Runden. Es bleibt zu wünschen, dass man im Lacrimas Lager erkennt, dass aus Rob Vitacca in diesem Leben kein Gothik-Elvis mehr wird und auch die coolness der 69 Eyes nicht kopierbar ist.  Schön wärs, aber ich klink mich jetzt hier aus! Stillstand ist Rückschritt!

GIRLS UNDER GLASS

Hatten sowohl der Nachmittag als auch der Vorabend nur teilweise Erbauliches zu Tage gefördert, wurde das Leiden nun belohnt. Zum Abschluss des Parkbühnenprogramms setzte es mit Girls Under Glass einen absoluten Hammer. Gegen das was sich in den knapp 70 Minuten dort abspielte war die nüchterne Ankündigung eines 25jährigen Jubiläumskonzerts mit Gästen eine schamlose Untertreibung. Dieser Tage nur noch selten auf einer Bühne zu erhaschen, durfte man allein das Erscheinen der Band schon als kleines Highlight betrachten. Die umfangreiche Gästeliste ließ Kenner jedoch schon auf den ersten Blick mit der Zunge schnalzen und versprach einen denkwürdigen Abend. Um keinen zu vergessen, hier mal die vollständige Liste der Protagonisten, die diesen Auftritt mitgestalteten und letzten Endes zu einem Jubiläumskonzert mit integrierter All-Star-Party machten:

  • Jay Smith (Deviant UK)
  • Sven Friedrich (Zeraphine)
  • Myk Jung (The Fair Sex)
  • Peter Spilles (Project Pitchfork)
  • Rasc (Rotersand)
  • Carsten Klatte (La Casa Del Cid)
  • Hauke Harms (ex-Girls Under Glass)
  • Eric Burton (Catastrophe Ballet)
  • Oswald Henke (Goethes Erben)
  • Rodney Orpheus (Cassandra Complex)

Wie diese Liste vermuten lässt kam Frontmann Volker Zacharias während des gesamten Konzerts eher selten zu Wort. Nach den ersten beiden Nummern, „Die Zeit“ & „Du Bist das Licht“, erklärte der Sänger und Gitarrist den offiziellen Teil der Veranstaltung kurzerhand für beendet und bat mit Jay Smith den ersten Gast auf die Bühne. „Wir haben das nicht geprobt. Das ist alles improvisiert. Mal sehen was heute noch so passiert“, fügte Zacharias an, als Smith auch schon das Gary Numan Cover „Cars“ auf seine unnachahmliche Art anstimmte.

Schnell wurde klar was hier gespielt wurde. Statt sich nur einfach selbst zu beweihräuchern, hatten sich Girls Under Glass ein ausgewachsenes Tribute Konzert einfallen lassen, dass neben den anwesenden Künstlern auch Musikern huldigte, die maßgeblich an der Entwicklung der Wave Gotik Szene beteiligt waren. Da coverten Sven Friedrich und Myk Jung gemeinsam den „Temple Of Love“, Rodney Orpheus coverte sich selbst („Hey, warum sing ick mein eigene Song bei ein Girls Under Glass Show?!“), dann Joy Division´s „Transmission“ und wer nach diesem Brecher noch nicht genug hatte, durfte zum Schluss zusammen mit der ganzen Rasselbande „Timekiller“ feiern. Oder wie Peter Spilles es ausdrückte: „Der Axel hat da nochmal ´ne schöne Komposition von And One vorbereitet“.

Ab und an gab es aber doch noch Songs von Girls Under Glass zu hören. Während Spilles „Ohne Dich“ brachte, Carsten Klatte eine tolle Akustikversion von „Reach For The Stars“ spielte und sich bei „Feuerengel“ Hauke Harms seinen ex-Mitstreitern anschloss, absolvierten sowohl Eric Burton mit „Burning Eyes“ als auch Oswald Henke, „Humus“/„Du Tier“ beeindruckende Auftritte. Während Burton sich mit einer blendenden Performance für eine zweite Karriere als Electroshouter empfahl, legte Henke in seine beiden Songs eine Energie, gegen die sein eigener Auftritt am Donnerstag wie ein lauer Sommerregen anmutete. Geifernd, bellend, kratzend holte er alles aus sich heraus und wurde selbst zu dem Tier welches er da besang. Nichts für Schwache Nerven aber ein fieses Ding zwischen die Augen!

Obendrein zogen Girls Under Glass mit ihrer „locker vom Hocker Einstellung“ und dem Ansatz einmal mal drauflos zu machen allen anderen Acts des Wochenendes meilenweit davon. Scheißegal ob der Volker im Trubel des Gefechts seine Gäste durcheinander brachte und Rasc ihm zur Stütze freundschaftlich einen Ausdruck überreichte. Das große Miteinander auf der Bühne übertrug sich nahtlos auf das Publikum in der voll besetzten Parkbühne und das Ergebnis war eine riesengroße Party, bei der Fans und Musiker gleichermaßen miteinander feierten. Am Ende lagen sich alle in den Armen, froh darüber dieses denkwürdige Konzert (üb)erlebt und gestaltet zu haben. Es mag nicht der ernsthafteste Auftritt des Wochenendes gewesen sein aber der unterhaltsamste und sympathischste alle Mal! Danke Volker Zacharias, Axel Ermes, Lars Baumgardt und danke all ihr Egos, dass ihr diese Sause mitgemacht habt! Ganz großes Kino!

SZENENWECHSEL

Wie schon am gestrigen Abend nach Covenant gab ich mich beim Verlassen der Parkbühne keiner Illusionen hin, dass heute noch irgendjemand in den Lage sein würde auf diesen gute Laune Bolzen eine Antwort zu geben. Auf alle Fälle stand aber nun ein Szenenwechsel an. Während ich aus reiner Neugierde eigentlich lieber in Richtung Felsenkeller entschwunden wäre, um mir die Luxemburger Formation „Rome“ anzusehen, ließ der straff gesteckte Zeitplan aber nur noch einen Abstecher in die Alte Messehalle 15 zu, wo gegen kurz nach 23 Uhr die schwedischen Gothic-Metaller Tiamat auf dem Programm standen. Nicht dass mich Johan Edlund und seine Mannen nicht interessiert hätten – im Gegenteil! Aber irgendwie fühlte es sich falsch an, nach diesem Stimmungshoch an der Parkbühne den melancholischen Rocksalven aus Skandinavien zu folgen.

Nach der gewonnen Schlacht um ein Taxi (eine solche war es tatsächlich) konnte die Reise zur Alten Messehalle 15 losgehen. Das alte Gemäuer, welches in diesem Jahr aus organisatorischen Gründen den Kohlrabizirkus ersetzen musste, war, trotz seiner deutlich geringeren Kapazität auch jetzt, kurz vor dem Headliner, nicht voll ausgelastet. Ein weiteres Indiz dafür, dass Metalacts in der Gothic-Szene inzwischen eher eine Randerscheinung, denn gültiger Konsens sind. Umso weniger mochte ich mir ausmalen, welche Zustände parallel in der Agra Halle herrschen mussten, wo an diesem Abend Electro-Brecher wie Front 242 und Feindflug gastierten.

Die Szenerie um die Halle 15 offenbarte sich dagegen gerade mal kurz vor knapp, sodass ich die  kaum vorhandene Einlass-Schlange erfreulich zügig überwand. Als unerfreulich erwies sich dagegen das Personal des Gastrostandes im Außenbereich. Auf der dringenden Suche nach einem Getränk ignorierte die saumselige Truppe meine Anwesenheit geschlagene 5 Minuten, worauf ich dem Schlafmützenverein schließlich die Fahrkarte gab. Wer nicht will der hat schon. Kauf  ich mir halt drinnen was!

Das Interieur gestaltete sich auf den ersten Blick als ungewohnt. Die großzügig dimensionierte Bühne stand inmitten einer Rolltreppen und Obergängen umringten Halle, die nicht von Ungefähr  den Charme einer Einkaufsgalerie versprühte. Einzig die nächtliche Dunkelheit mochte das ungewohnte Ambiente noch ein wenig zu kaschieren. Denn was im Dustern nicht auffiel: das Dach der Halle war teilweise verglast und tagsüber entsprechend lichtdurchlässig. Was das anrichtete sollte ich im weiteren Verlauf des Treffens noch zeigen. Doch erstmal zurück zum Wesentlichen:

TIAMAT

Tiamat, ihres Zeichens Speerspitze der schwedischen Gothic-Metal Garde, vermochten es ihre treue Fanschar zahlreich vor der Bühne zu versammeln. Von fiesen Technikproblemen geplagt wollte das Konzert anfangs jedoch nicht so recht in die Gänge kommen. Entsprechend genervt schaute Bandleader Johan Edlund drein, als bereits nach den ersten beiden Songs („Fireflower“ / „Children Of The Underworld“) ein Gitarrenamp nachhaltig seinen Dienst quittierte. Die unfreiwillige Pause überbrückten die Schweden leider recht unsouverän, um nicht zu sagen hilflos. Während die Rhythmusfraktion um Basser Anders Iwers nach einer Weile zaghaft zu improvisieren begann, verkroch sich Edlund bräsig blickend im hinteren Bühnenteil, bzw. schoss unter Anfeuerung der Fans zwischendurch Erinnerungsfoto. Als der Technikstreik nach 5 Minuten noch immer nicht beendet schien, übte er sich in lakonischem Humor: „Anyone got a second hand amp, please let us know!“ hörte man Edlund sprechen, just als der frisch herbei geschaffte Donnerbalken seinen ersten Rülpser von sich gab.

Auch wenn der Defektteufel dem Konzert ketztlich keinen nachhaltigen Schaden zuzufügen vermochte und die Fans sich mit „Tiamat, Tiamat“ Sprechchören selbst bei Laune hielten, reihten sich die Schweden beileibe nicht in den Riege der aufregendsten Live-Bands dieses Wochenendes ein. Von einer unsichtbaren skandinavischer Kälte umgeben, zockten sie ihr Set vergleichsweise unaufgeregt herunter. Noch dazu mochte der eisig-stechende Blick Johan Edlunds nicht jedermanns Sache gewesen sein. Mir jedenfalls machte dieser Mensch mit seiner verstörenden, unterschwellig aggressiven Aura Angst.

Über die Setliste ließ sich wiederum nicht streiten. Hier reihten sich chillige Momente und bekannte  Hits mit Pop-Appeal gleichermaßen ein. Vor allem mit Songs wie „Cain“, „Vote For Love“ und „Brighter Than The Sun“ gab man sich vergleichsweise zutraulich, schlug die Band mit dem aktuellen Album „Amanethes“ zuletzt doch wieder härtere Klänge an. Somit bleibt festzuhalten, dass der geneigte Fan ein ordentliches Konzert geboten bekam, aber auch Gelegenheitsbesucher am Ende zufrieden den Saal verlassen haben werden.

SONNE IN DER NACHT!

Raus aus der Halle, hinein in die Nacht endete damit der offizielle Teil des dritten WGT Tages 2011. Ich weiß nicht mehr genau welcher Teufel es war der mich ritt, doch plötzlich ließ mich der Gedanke an einen frisch gegrillten Burger nicht mehr los. Weggehen und Fast Food zieht sich ja allgemein magisch an und so stürzte ich mich, in der Hoffnung am Leipziger Hauptahnhof noch etwas herzhaftes zu beißen zu bekommen, in eine mitternächtliche Rundreise durch Leipzig. Entgegen meiner sonstigen Gewohnheit mit dem Taxi durch die Stadt zu Gondeln, wollte ich wenigsten ein bisschen Anstand bewahren und ein paar der zu erwartenden Kalorien vorher abtrainieren. Per pedes machte ich mich also auf die Suche nach der nächstgelegenen Straßenbahnhalte, welche ich (ohne zu wissen wo sie sich tatsächlich befand) nach einer knappen Viertelstunde erfolgreich aufspürte. Während der nächsten Halben Stunde bis zum eintreffen der Bahn gesellte sich auch der ein oder andere Gast von der angrenzenden Obsession Bizarre Fetishparty dazu. Was teilweise anregend, teilweise aber auch (eben) bizarr anmutete. Junge Damen im Latexfummel sind mir dann doch lieber als Alte Männer im Hausmädchenkostüm. Oder um mal mit Dieter Hallervorden zu zitieren: „Rüdiger, Du bringt mich noch ins Grab!“.

Die nächste Episode spielte sich in der Tram ab und hatte die Deutsch-Schwedische Völkerverständigung zum Thema. Die daraus resultierenden Szenen hatten etwas von Loriot. Der Deutsche, gut angebrütet, versuchte dem Schweden aus voller Überzeugung weiß zu machen wie toll schwedische Musikgruppen seien. Dumm nur dass er dazu so ziemlich alles ins Feld führte AUSSER schwedische Bands, worauf der Schwede antwortete: „I know a Swedish musician, Peter Tägtgren, but he´s an alcoholic!“. Dann ward die nächste Haltestelle erreicht und das ungleiche paar getrennt.

Leider erwies sich auch mein nächtlicher Trip zur Fleischtheke als Flop. Der Fritten Prinz hatte sich tatsächlich erdreistet zu schließen und so blieb nur noch der Weg zurück in die Pension mit der Hoffnung dass wenigstens der Pizzabäcker gegenüber noch einen nahrhaften Teigfladen für mich übrig haben würde…nachts um halb 2… 😉

Bei dieser Gelegenheit kam ich zumindest auch mal zu dem Vergnügen die eigens für das WGT eingerichtete Tramlinie 31 auszuprobieren, mit welcher es auch zu nachtschlafener Zeit möglich war zügig vom Hauptbahnhof in Richtung Agra zu gelangen. Ein schöner Service! Nach rund 20 Minuten Fahrt kam ich schließlich in Connewitz an. Und, was soll ich sagen, Mitten in der Nacht ging plötzlich die Sonne auf. Sie hatte im Kern 70 Grad und die Form eines goldenen Pizzarads. Herrlich!

Man sagt zwar dass für gewöhnlich alles gut schmeckt wenn man am verhungern ist, doch dieses kross gebackene Spinat/Feta Gemisch war wirklich eine Wucht! Pizza Happy Hour deluxe – dazu eine eisgekühlte Flasche Club Mate…und die Nacht war gerettet! Mehr von den offiziellen Genüssen des Wave Gotik Treffens 2011 gibt’s dagegen im vierten Teil des großen Rückblicks, einschließlich einem Wiedersehen mit dem Heidnischen Dorf und Konzerten von Megaherz, Killing Joke und Fields Of The Nephilim. Stay tuned!!!

Torsten Volkmer
Torsten Volkmerhttp://www.torsten-volkmer.de
Volkmr, der Gründer des ehemaligen Goth-Zine.de, verdingt sich „selbst und ständig“ als Linsenputzer bei volkmr fotografie ihm seine Knipsklitsche, hat sich als Chefredakteur 2.0 selbst recycelt, die Metalfriese abgeschüttelt und kämpft mit be subjective! erfolgreich gegen hausgemachte Langeweile, Schubladendenken und seine Profilneurose an. Manchmal darf er auch die RedakteurInnen rumfahren oder Wassereis abstauben.

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