Review: Vainstream Rockfest –(09.06.2012, Münster)

Endlich ist es soweit: Zum siebten Mal lädt Münster zum alljährlichen Vainstream Rockfest ein. Mit einem ausgereiften Mix aus Metal, Hardcore und Punk Bands verspricht das 1-Tag-Festival schon im Vorfeld wieder ein Sommerhighlight zu werden. Eine perfekte Möglichkeit, um sich auf das Spektakel einzustimmen, bietet am Abend zuvor die sogenannte Desperados Opening Night in der  nahgelegenen Location Skaters Palace in Münster.

Der Eintritt ist für alle Inhaber eines Festivaltickets kostenlos, allerdings fängt hier auch der frühe Vogel den Wurm: Über 10.000 Tickets wurden verkauft, die Location für die Warm Up Party besitzt jedoch nur eine Kapazität von rund 900 Besuchern. Dementsprechend heftig fällt auch wie erwartet der Andrang aus und diejenigen,die es schließlich in die Location geschafft haben, können sich glücklich schätzen. Auch wir haben uns durchgekämpft und können nur dabei sein, als erst zwei kleinere Bands, nämlich Hammercult und Mortad den Anfang machen und schließlich Hatebreed mit ihrer einschlägigen Performance die Zuschauer richtig auf das Vainstream einstimmen.

Für alle, die nach diesem Hammerauftritt immernoch nicht genug haben, legen noch den ganzen Abend verschiede Djs auf und verbreiten Feierlaune.
Trotz des großzügigen Open End Angebots sehen sich anscheinend viele Besucher dazu gezwungen, den Skaters Palace schon im Vorfeld zu verlassen, da das Festivalgelände am nächsten Morgen bereits um 09:00 Uhr eröffnet und Müdigkeit ja nun schließlich das letzte ist, das man auf an so einem Tag gebrauchen könnte.
Auch wir machen uns ganz vorbildlich relativ früh auf den Heimweg, um unsere Kräfte für das Festival aufzusparen.
Nach einer ziemlich unruhigen Nacht dank Vorfreude ist es dann endlich soweit: Um kurz nach neun betreten wir wie über 10.000 Andere das Gelände am Hawerkamp.
Mit einem Blick auf die Running Order geht es dann auch prompt zur Green Hell Stage, der ersten von zwei Bühnen, auf der Your Demise als erste Band an diesem Tag den Anfang machen.

Da die Jungs leider nur eine halbe Stunde Spielzeit haben, präsentieren sie hauptsächlich Stücke aus ihrem jüngst erschienenem Album ‚The golden age‘. Außerdem geben sie noch einige Songs des vorhergegangenen Albums ‚The kids we used to be‘ zum Besten, auf ganz alte Lieder wird jedoch komplett verzichtet. Kurz nachdem sie püntklich um neun Uhr mit dem ersten Song begonnen haben, fällt plötzlich für gut zwei Minuten der Strom aus, sodass die Band improvisieren muss.
Auch diesen kleinen Patzer nehmen sie total entspannt und liefern insgesamt eine energiegeladene Performance ab, die sich perfekt dazu eignet, auf diesen ereignisreichen Konzerttag einzustimmen.

Mit ihrer persönlichen Empfehlung, sich unbedingt Emmure und Stick to your guns anzuschauen, verabschieden sich die fünf Briten dann von der Bühne.
Nach Your Demise nutzen wir die Pause effektiv, um das Festivalgelände zu erkunden. Neben einer weitreichenden Händlermeile, die Piercings, Merchandise und Co anbieten, fällt uns unter Anderem das besonders große Essensangebot auf: Neben den üblichen Angeboten, entdecken wir hier auch zahlreiche Stände, die ausschließlich vegetarische und vegane Spezialitäten im Sortiment haben. Nachdem wir unseren ausgiebigen Rundgang über das Gelände beendet haben, finden wir uns vor der zweiten Bühne, der Desperados Stage ein, die ziemlich zeitnah von Emmure betreten wird.

Die Band stammt ursprünglich aus New Fairfield,  Connecticut und stellt direkt mit den ersten Tönen unter Beweis, dass sie es Ernst meinen. Den Sound kann man nur mit Worten wie brutal, böse und energisch beschreiben. Sie heben sich so stark von anderen Metalcorebands ab, dass es immer wieder Diskussion gibt, ob sie überhaupt in das Genre des Metalcore einzuordnen sind. Zwar spricht der breakdownlastige Sound und das tiefe Growlen des Sängers dafür, doch erlangen ihre Stücke andererseits auch durch viele gesprochene, bzw. gerappte Worte Individualität. Auch Emmure haben leider nur dreißig Minuten Spielzeit zur Verfügung, doch verstehen sie es, dem Publikum in diesem Zeitraum mächtig einzuheizen und alles rauszulassen.

Neben Songs des aktuellen Albums “Slave to the game“ und des Vorgängers “Speaker of the dead“ haben Emmure auch ältere Songs wie “Chicago’s finest“ oder “R2 Deepthroat“ im Gepäck. Auch ein neuer, bisher unveröffentlichter Song wird zum Besten gegeben und macht Fans des Gespanns neugierig auf mehr.
Nach dieser mächtigen Performance gönnen wir uns erst einmal wieder eine Pause, um kurz durchzuatmen. Mit einer der vielen veganen Menüs im Magen stürzen wir uns nun wieder ins Gedränge. Unsere nächste Runde beginnt zunächst mit August burns red auf der Desperados Stage. Hier fällt uns auf, dass sich das Gelände langsam füllt: Was beim Einlass morgens um 10:00 Uhr noch nicht wirklich dem Bild von über 10.000 verkauften Tickets entsprach, nimmt langsam Form an und wir müssen uns schon ein wenig anstrengend und durchdrängeln, um uns einen Platz weit vorne bei August burns red ergattern zu können.

Auch die fünf kommen aus den USA, genau genommen aus Lancaster, Pennsylvania, und wissen anscheinend auch gut, wie man auch noch so kurze Spielzeiten nutzen kann: Bereits von Anfang an singen die treuen Fans in den ersten Reihen die Songtexte mit und auch der Moshpit ist gut gefüllt.
Der Bandname wird oft falsch gedeutet, denn in Wahrheit steckt hinter diesem eine ziemlich schräge und zugleich bittere Geschichte: Der ehemalige Sänger und Gründungsmitglied der Band hatte eine Freundin namens August, die aus Rache, als er Schluss machte, seinen Hund Red bei lebendigem Leibe verbrannte, sodass die Lokalzeitung am nächsten Tag titelte “August burns red“. Zu einem späteren Zeitpunkt entschloss sich die Band diese Schlagzeile als ihren Bandnamen zu nutzen.

Während die fünf ihren letzten Song anstimmen, müssen wir allerdings bereits die Beine in die Hand nehmen, um rechtzeitig vor der anderen Bühne zu sein, auf welcher sich nun Enter Shikari die Ehre geben. Langsam werden auch die Spielzeiten länger, sodass Enter Shikari beispielsweise schon vierzig Minuten für ihren Auftritt haben. Alles, was wir hier festhalten können, ist: Atemberaubend. Der Sänger Rou Reynolds nutzt die komplette Bühne, um seine ganze Energie rauszulassen. Kaum bleibt er einige Sekunden an derselben Stelle. Diese unbändige Energie scheint sich auch auf das Publikum zu übertragen: Die Stimmung kocht fast über, wie soll man auch sonst auf die ganzen alten Hits und dem aktuellen, krassen Album “A flash flood of colour“ reagieren?

Schon ein wenig außer Atem folgt nun eins unserer persönlichen Highlights des Festivals: Die Berliner Rap Kombo K.I.Z. Kommt auf die Green Hell Stage und zeigt den Hardcorefans mal, wie man auch mit Hip Hop mindestens genauso gute Stimmung machen kann.
Zum Glück haben wir die Zeit zwischen Enter Shikari und K.I.Z. Genutzt, um uns bereits einen ersten Reihe Platz zu ergattern, denn nicht nur wir scheinen die vier  ungeduldig erwartet zu haben:  Der komplette Platz vor der Bühne ist bis nach hinten durch ausgefüllt und es hat den Anschein, als ob niemand mehr auf den Beginn ihres Auftritts warten kann. Nachdem sie sich ausgiebig Zeit für den Soundcheck gelassen haben, betritt erst DJ Craft seinen Pult und dann kommen auch die drei Rapper unter lautstarkem Jubeln auf die Bühne.

Eine geschlagene Dreiviertelstunde bieten sie eine bunte Mischung dar, die aus diversen Stücken aus zahlreichen Alben besteht. Auch der Fußballsong “Biergarten Eden“ wird gespielt, passend zum Deutschlandspiel der EM, das am Abend stattfindet. Dass sie ganz oben angekommen sind, zeigt sich deutlich an der Reaktion im Publikum: Obwohl das Vainstream als reines Hardcore- und Metalfestival bekannt ist, scheint doch kaum jemand in den Reihen vertreten zu sein, der nicht jedes einzelne Wort der K.I.Z. Hits mitrappen kann. Bls zum Schluss der Klassiker “Neuruppin“ gespielt wird, setzen Tarek und Maxim dem Ganzen die Krone auf, indem sie von der Bühne einfach direkt in die Menge springen und einige Minuten lang crowdsurfen. Auch nach dieser schweißtreibenden Performance bleibt uns leider nicht viel Zeit uns auszuruhen, denn bereits fünf Minuten später beginnen bereits Broilers auf der angrenzenden Bühne zu spielen. Mit dem Intro ihres vorletzten Albums “Vanitas“ eröffnet die deutsche Punkband aus Düsseldorf ihren Auftritt und stellt auch einen bunten Mix aus ihren zahlreich erschienen Alben vor. Als letzter Song wird “Meine Sache“ gespielt, der bekannteste Broilerssong. Das Publikum vermittelt uns auch hier wieder den Eindruck, ausschließlich aus alt eingesessen Broilersfans zu bestehen, die heiß und innig an den Lippen Sammy Amaras hängen.

Vereinzelt werden sogar bengalische Feuer gezündet, dass die Gesamtatmosphäre im Publikum ganz gut zum Ausdruck bringt.
Selbst das Wetter kann die Broilersfans offenbar nicht beeinträchtigen: Schon den ganzen Tag über hängen immer wieder dicke Wolken über Münsters Himmel. Dann bei den Broilers brechen diese auf und es beginnt zu regnen. Allerdings nur wenige Minuten,sodass sich Petrus doch noch gnädig gegenüber den Vainstreambesuchern zeigte. Nachdem die Broilers unter tosendem Applaus die Bühne verlassen haben, nehmen wir noch eine kleine Stärkung zu uns und machen uns schon einmal für Slayer bereit.

Um kurz nach halb zehn ist dann endlich der Moment gekommen, auf den über 10.000 Festivalbesucher unerbittlich hingefiebert haben: Nach einem extrem langen Soundcheck geben sich nun endlich Slayer die Ehre. Die Fans kennen kein Halten mehr, als die Thrash Metal Urgesteine die Bühne betreten. Die vier Kalifornier wissen genau, wie sehr die Fans sie verehren und erscheinen selbstsicher und gut gelaunt. Auch wenn wir selbst keine Thrash Metal Fans sind, ist es doch ein grandioses Gefühl, diese weltbekannten Superstars hautnah zu erleben und zusehen zu dürfen, wie sie eine geschlagene Stunde lang das Publikum wunschlos glücklich machen.
Wenn man sich einen Überblick über die Fans verschafft, fällt als erstes der Altersunterschied auf. Lag sonst der ungefähre Altersdurchschnitt bei den restlichen Bands des Tages zwischen 16 und 25 hat es nun den Anschein, als ob diese Alterskurve etwa 20 Jahre nach hinten verschoben wurde.

Jeanskutten und Slayerbandshirts sind bei der überwiegenden Mehrheit ein Musthave und auch das ein oder andere Slayertattoo haben wir bereits gesichtet.
Da es inzwischen schon kurz vor 10:00 Uhr ist, geht die Sonne auch langsam unter und die dunklen Lichtverhältnisse stehen im starken Kontrast zur imposanten Lichtshow, die den Auftritt der Band unterstützt. Die vier verlassen nach einer einzigartigen Performance um halb 11 die Bühne und das Festivalgelände gleicht nun optisch einem Schlachtfeld. Für die, die immernoch nicht genug bekommen haben, bietet das Vainstream eine Aftershowparty in der nahgelegenen Sputnikhalle.
Leider wurde die Location jedoch ein wenig unpassend gewählt, denn als wir dort ankommen, um uns die vier noch verbleibenden Bands ansehen wollen, stellen wir mit Erstaunen fest, dass wir diese Bands wohl leider abschreiben müssen: Eine fast kilometerlange Schlange tummelt sich vor dem Einlass der Halle, die außerdem nur eine Kapazität von etwa 1200 Personen hat.

Ein wenig traurig, dass wir uns die Aftreshowparty entgehen lassen müssen, verlassen wir nun also das Festivalgelände und machen uns auf den langen Weg nachhause. Unser Fazit fällt dennoch sehr positiv aus: Das Vainstream ist sehr gut organisiert, das Gelände hat eine perfekte Größe, um einen guten Überblick zu behalten und dadurch, dass die Bands jeweils abwechselnd auf zwei aneinandergrenzenden Bühnen spielen, hat man nicht das übliche Problem, dass sich Spielzeiten überschneiden und man sich entscheiden muss. Auch die Preise für Essen und Trinken sind human und durch die doch recht begrenzte Ticketanzahl von knapp über 10.000 wirkt das Festival fast familiär und recht gemütlich. Wir können nur jedem empfehlen, sich auf den Weg nach Münster zu machen und auf dem Vainstream Rockfest eine Chance zu geben, es lohnt sich gewaltig!

Torsten Volkmer
Torsten Volkmerhttp://www.torsten-volkmer.de
Volkmr, der Gründer des ehemaligen Goth-Zine.de, verdingt sich „selbst und ständig“ als Linsenputzer bei volkmr fotografie ihm seine Knipsklitsche, hat sich als Chefredakteur 2.0 selbst recycelt, die Metalfriese abgeschüttelt und kämpft mit be subjective! erfolgreich gegen hausgemachte Langeweile, Schubladendenken und seine Profilneurose an. Manchmal darf er auch die RedakteurInnen rumfahren oder Wassereis abstauben.

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