Dadawah: Peace & Love (1974) Book Cover Dadawah: Peace & Love (1974)
Dug Out (Indigo)
1974 / 22.06.2010 (CD)
https://www.amazon.de/Peace-Love-Dadawah/dp/B003IEAM2Q

Tracklist:

  1. Run Come Rally
  2. Seventy two nations
  3. Zion Land
  4. Know How You Stand

Hinter Dadawah verbirgt sich Reggaemusiker Ras Michael, der eigentlich Michael George Henry heißt und der Nyabinghi-Tradition der Rastafaris entstammt. (Und mehr Rasta als dieses Album geht beim besten Willen nicht.) Die Nyabinghis sind die älteste Gruppe der Rastas, benannt nach der ugandischen Königin Nyabinghi, die im 19. Jahrhundert Stunk gegen die damaligen Kolonialherren gemacht hat. Für die Nyabhingis spielt die Verbindung zum afrikanischen Kontinent deshalb eine besondere Rolle und die bei ihren Feierlichkeiten abgehaltenen Trommelsessions und deren Rhythmen stellen den Ursprung aller Reggaemusik dar.

Ganz ehrlich? Reggae war lange Zeit eine Musikrichtung, die mich nicht im Geringsten interessiert hat: null. Bis vor ein paar Jahren war ich einer dieser „Klingt doch alles gleich“-Typen. Schwachsinn. Natürlich! Eines Tages hatte ich die bahnbrechende Erkenntnis, dass es höchstwahrscheinlich einen Grund gibt, weshalb sich Leute dafür begeistern, und ich habe angefangen, das Genre über Bob Marley und Jimmy Cliff hinaus zu erkunden. Eine der besten Entscheidungen meines Lebens. Innerhalb kürzester Zeit habe ich dadurch solche Knaller wie Black Uhuru, The Gladiators, Johnny Osbourne oder im Subgenre des Dub King Tubby und Scientist entdeckt. Oder eben Dadawah.

Das Album Peace & Love besteht bei einer Spielzeit von 38 Minuten aus lediglich vier Songs, von denen keiner eine Spielzeit unter sieben Minuten hat. Hypnotisch meditative Lieder, denen ihr spiritueller Ursprung deutlich anzuhören ist. Im Vordergrund stehen Bass, Schlagzeug und Percussion, ergänzt um dezentes Gitarren- und Pianogeklimper und Ras Michaels Gesang. Ganz der Nyabinghi-Tradition entsprechend, sind die Texte Lobpreisungen Jahs (sprich: Gottes) und des äthiopischen Kaisers Haile Sellassie (1892 - 1975), den Rastas entweder als Inkarnation des christlichen Gottes oder erleuchteten Propheten begreifen.

Kurzer Einschub: Wahrscheinlich darf man sowas echten Rastas gegenüber gar nicht sagen, aber ich finde die Rastakultur ebenso faszinierend wie … niedlich. In wenigen Worten zusammengefasst? In den 1920'ern verkündete der jamaikanische Bürgerrechtler Marcus Garvey, eines Tages werde in Afrika ein König aus dem Stamme Davids gekrönt werden, der die Schwarzen Jamaikas befreien und hach hause bringen wird. Im November 1930 wurde Haile Sellassie äthiopischer Kaiser, das amerikanische Time Magazine widmete ihm eine Titelgeschichte, die ihren Weg nach Jamaika fand, worauf er postwendend zu eben diesem Erlöser erklärt wurde. Höchster Feiertag der Rastas ist Grounation Day, am 21. April, weil an eben diesem Tag, im Jahr 1966, Haile Sellassie auf Staatsbesuch nach Jamaika kam. (Grounation – Ground – Boden - Landung) Knapp 100.000 Rastas drängelten sich auf der Landebahn des Flughafens in Kingston aneinander, um ihn zu empfangen, und angeblich hing eine dichte Marihuanawolke über der Szenerie. Smoke it up, sisters and brethrens! Sellassie selbst hat seine Vergöttlichung weder konkret angenommen noch ihr widersprochen, wohl auch, weil er die Ernsthaftigkeit der Rastas und die Bedeutung seiner Rolle begriffen hat und ihren Glauben nicht zerstören wollte. Stattdessen versprach er ihnen Zuflucht in Äthiopien, so sie denn übersiedeln wollten. Zu dem von Bob Marley besungenen Exodus führte das Angebot allerdings nicht. Heute leben etwa 800 Rastas in Äthiopien und sind tragischerweise eine weitestgehend rechtlose Minderheit.

Aber genau diese Sehnsucht nach spiritueller und sozialer Befreiung ist die Grundstimmung von Peace & Love. Und sie klingt durch und durch ehrlich und authentisch.

Yes, no more slavery
No more pain and no more sorrow
We have to flee from the land of the sinking sand
The hotter the battle, the sweeter Jah victory
As our Father told us what life has taught Him
Until the colour of man's skin makes no more significance than the colour of man's eyes
Until all is looked upon equal, as we are in the eyes of the Almighty God
Without love we are nothing at all
Without love we are nothing at all

Um das Wesen und die spirituelle Bedeutung von Reggae zu begreifen ist dieses Album Pflichtprogramm. Und … öhm … natürlich würde ich niemals jemanden zum Drogenkosum verführen, ich doch nicht, ey, is' ja schließlich illegal, aber ich habe gehört, dass dieses Album mit ein paar tiefen Zügen an einer Ganjazigarette (diese dicken) noch an Deepness gewinnt. Alle mitlesenden StraftäterInnen unter Euch könnten das also im Rahmen einer improvisierten Rasta-Zeremonie glatt mal ausprobieren. Stichwort: Glaubensfreiheit. Funktioniert aber auch nüchtern.
Versprochen.
Hail Jah, conquering Lion of Judah!

Nachhören:

  • Dadawah – Peace & Love [Full Album]
  • The Gladiators – Get Ready [YouTube]
  • Black Uhuru – Leaving to Zion [YouTube]
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Mirco Buchwitz
Buchwitz – ja der heißt wirklich so und hat sich bis heute kein lustiges Pseudonym gegeben – hat mal einer Prinzessin die Arschbacken zusammengekniffen und dann war was mit Carolin Kebekus. Soll übel gewesen sein. Dabei schreibt der in erster Linie aus Verzweiflung und ist voll anstrengend mit all diesem reflektierten Zeug. Syntax im Jahrtausend von Autokorrektur. Geht’s noch? Angeblich hat der sogar Hausverbot in einigen veganen Hotspots der first world, weil für sein Gemüsical, ein Hörstück ohne Konservierungsstoffe, echte Karotten gestorben worden sind. Seine Karriere als Kritiker ist also ganz im Sinne seiner Bewährungsauflagen und wir befürchten, der kann die Texte auch selber vorlesen. Scheiß Spießer.